Manche Eltern fürchteten Bevormundung: Kinderrechte kommen ins Grundgesetz

Manuel Kugler

Redaktion Politik und Wirtschaft

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15.1.2021, 09:53 Uhr

"Während des Verfahrens wurde ich von zahlreichen besorgten Eltern und Verbänden mit der Befürchtung angeschrieben, dass unter dem Deckmantel der Kindergrundrechte eine Bevormundung der Eltern durch den Staat durchgesetzt werden sollte", schildert Frieser. "Das haben wir aufgegriffen und berücksichtigt. Elternrechte werden nun nicht beschnitten." Der Nürnberger CSU-Bundestagsabgeordnete hat die Diskussionen um die Kinderrechte als Justiziar seiner Fraktion begleitet.

Arbeitsgruppe meldet Durchbruch

Zwar hatten sich Union und SPD bereits im Koalitionsvertrag im Grundsatz darauf geeinigt, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Die konkrete Umsetzung war aber lange strittig. Eine Arbeitsgruppe von CDU, CSU und SPD fand nun einen Kompromiss. "Es ist eine Regelung, die das Wohl von Kindern stärker in den Vordergrund rückt, ohne dass dies zu Lasten der Elternrechte geht. Der Staat hat hier weiter nur eine ergänzende und nachgeordnete Wächterfunktion", sagt Frieser.

Konkret geht es um Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes. Dort heißt es: "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft." Künftig soll der Artikel um folgende Formulierung erweitert werden:


"Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt."


Damit soll der Stellenwert von Kindern in der Gesellschaft betont werden. Es gehe jedoch nicht um bloße Symbolik, sagt Frieser. "Eine Grundgesetzänderung hat immer direkten Einfluss auf das Werteverständnis der Gesellschaft. Die CSU im Bundestag setzt diese Stärkung von Kinderrechten bereits im Rahmen von konkreten gesetzlichen Maßnahmen ein", etwa was die Verfolgung von Kinderpornographie angehe.

Aktionsbündnis geht Einigung nicht weit genug

Das Aktionsbündnis Kinderrechte - ihm gehören der Kinderschutzbund, das Deutsche Kinderhilfswerk, Unicef und die Deutsche Liga für das Kind an - setzt sich seit Jahren für die Änderung des Grundgesetzes ein. Das Bündnis begrüßt die grundsätzliche Einigung, hält die konkreten Formulierungen allerdings für "unzureichend".

Die Formulierungen zum Kindeswohl sowie zum Recht des Kindes auf Beteiligung blieben hinter der UN-Kinderrechtskonvention und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurück, teilt das Aktionsbündnis mit. "Darüber hinaus darf die Beteiligung von Kindern sich nicht auf das rechtliche Gehör beschränken, sondern muss als umfassendes Beteiligungsrecht formuliert werden." Hier geht es etwa um die Frage, welche Mitsprache Kinder bei der Gestaltung neuer Wohnviertel haben sollen.

Union und SPD wollen nach ihrer Einigung das Grundgesetz noch vor der Bundestagswahl am 26. September entsprechend ändern. Dafür ist aber eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat nötig - eine Mehrheit, die die Koalition alleine nicht hat. Sie ist deshalb auf Stimmen der anderen Parteien angewiesen. Die hatten das Vorhaben zuletzt aber kritisiert: Die FDP fürchtet zu starke Eingriffe des Staates in Familien, Grünen und Linken gehen die Ideen der Koalition dagegen nicht weit genug.

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