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Nach Anschlag in München: Profil des Täters gibt Rätsel auf
17.02.2025, 15:59 Uhr
Der Anschlag von München mit zwei Toten und vielen Verletzten hat die Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan neu entfacht. Aus den Reihen der Union kam die Forderung, hierfür Verhandlungen mit den Taliban aufzunehmen, was führende Grüne strikt zurückwiesen.
Merz: Man kann nach Afghanistan abschieben
In der RTL-Viererrunde der Kanzlerkandidaten sagte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz am Sonntagabend, man könne nach Afghanistan abschieben. "Dazu muss man allerdings dann bereit sein, mit den Taliban zu verhandeln", betonte der Unions-Kanzlerkandidat. "Wir geben 300 Millionen Euro Entwicklungshilfe nach Afghanistan. Warum machen wir das, ohne mit den Taliban darüber zu sprechen?" Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) weigere sich, solche Gespräche zu führen.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte der "Bild am Sonntag" gesagt, es brauche jede Woche einen Flug nach Afghanistan. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits am Samstag die Abschiebung des Attentäters von München angekündigt. In der RTL-Viererrunde wie er darauf hin, dass es im vergangenen Jahr einen Abschiebeflug nach Kabul gegeben habe. "Und glauben Sie mal, da hatten wir auch Kontakte mit der afghanischen Regierung." Weitere Abschiebeflüge werde es geben.
Habeck: Taliban sind ein Terrorregime
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck wies die Forderung der Union zurück. "In Afghanistan regieren die Taliban. Das ist ein Terrorregime", sagte er in dem Quadrell, wie RTL die Viererrunde nannte. Es gebe kein Land, das mit den Taliban diplomatische Beziehungen unterhalte. "Wenn man das tun wollen würde, das ist ja ein Adelsschlag für dieses Regime, das schlimme Dinge tut, dann muss man sich dringend mit seinen europäischen Partnern und - wenn die Amerikaner noch gesprächsbereit sind - mit den Amerikanern absprechen."
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, sagte der "Rheinischen Post", der impulsgetriebene Vorschlag Söders verkenne die außenpolitische Dimension. Immer wieder bekundeten die Taliban ihre Bereitschaft, direkt mit der Bundesrepublik in Verbindung treten zu wollen. "Davor kann man nur warnen, da dies dem Aufbau offizieller diplomatischer Beziehungen gleichkommt, die wir aus gutem Grund bisher nicht aufgebaut haben."
"Solche gefährlichen Gewalttäter abschieben zu wollen, ist die Bekämpfung des Symptoms, nicht der Ursache", sagte die Grünen-Politikerin. Die meisten dieser islamistisch motivierten Täter radikalisierten sich erst in Deutschland.
Herrmann über Täter: Gab im Vorfeld keine Auffälligkeiten
Bei der Attacke am Donnerstag war ein 24-jähriger Afghane mit seinem Auto in eine Demonstration der Gewerkschaft Verdi gefahren. Ein zweijähriges Mädchen und seine 37 Jahre alte Mutter waren dabei so schwer verletzt worden, dass sie am Samstag im Krankenhaus starben. Mindestens 37 weitere Menschen wurden verletzt. Die Ermittler gehen derzeit davon aus, dass die Tat einen islamistischen Hintergrund hat.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, dass der Täter vorab nicht auffällig gewesen sei. "In der Tat hat es hier nach derzeitigem Stand nichts gegeben, das Anlass gegeben hätte, auf diesen Mann aufmerksam zu werden", sagte der CSU-Politiker der "Welt". "Nach aktuellem Stand gab es im Vorfeld tatsächlich keine besonderen Auffälligkeiten."
Es sei ein entscheidender Bestandteil der Ermittlungsarbeit, inwieweit der Mann sich ohne Außenwirkung online radikalisiert habe. "Vielleicht ist es heute wichtig, zu überlegen, wie wir die rechtlichen Möglichkeiten weiter ausbauen, damit extremistische, gewaltverherrlichende, gar zur Gewalt aufrufende Inhalte im Internet gesperrt oder gar gelöscht werden können", sagte er der "Welt".
Haldenwang: Anschläge zeugen von Integrationsdefiziten
Nach Einschätzung des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang stellen selbst radikalisierte Einzeltäter aktuell eine größere Gefahr dar als islamistische Terrorzellen. "Solche Menschen, bei denen der Tatplan oft sehr kurzfristig entsteht und wo Messer oder Fahrzeuge als Waffe benutzt werden, sind leider sehr schwer zu erkennen", sagte Haldenwang der Deutschen Presse-Agentur.
"Die verbindende Klammer bei zahlreichen dieser Täter ist gescheiterte Integration", fügte er mit Blick auf die jüngsten tödlichen Gewalttaten in Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg und München hinzu. Haldenwang war ab Herbst 2018 sechs Jahre lang Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und tritt bei der Bundestagswahl als CDU-Direktkandidat an.