Zweifel an Kandidaten - ein Kommentar

Niemand überzeugt so recht: Das problematische Kanzler-Trio

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent der NN

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1.8.2021, 15:00 Uhr
Seine Umfragewerte brechen ein: Armin Laschet.

© Oliver Berg/dpa Seine Umfragewerte brechen ein: Armin Laschet.

Es gab in der Vergangenheit durchaus Bundestagswahlen, bei denen ein Kanzlerkandidat schon lange vor dem Wahltag mehr oder weniger zwingend als der nächste Regierungschef feststand. Das war so bei der ersten Wahl von Willy Brandt (1969), bei Helmut Kohl nach der Wiedervereinigung (1990), und bei Gerhard Schröder (1998), der die schwarz-gelbe Ära beendete. Die Kandidaten hatten den Zeitgeist auf ihrer Seite. Man spürte regelrecht, wie alles auf sie zulief.

Und heute, knapp zwei Monate vor dem Wahltag? Da können viele Bürgerinnen und Bürger mit dem in Frage kommenden Trio so gar nichts anfangen. Wer mit Freunden und Arbeitskollegen spricht, der bekommt häufig zu hören: "Wen soll ich denn bitteschön wählen? Mich überzeugt niemand von den Dreien."

Tatsächlich ist es so schwierig wie selten zuvor, sich für eine der Persönlichkeiten zu begeistern. Jede(r) liefert Argumente, an ihm oder ihr erhebliche Zweifel zu hegen. Dabei handelt es sich um höchst unterschiedliche Gründe, die mal rein persönlich, mal politisch ausfallen.

Widersprüche und Pannen

Armin Laschet überrascht immer wieder mit widersprüchlichen Äußerungen - sei es zur Klimapolitik oder zum Umgang mit der Corona-Pandemie. Was er als Kanzler unternehmen würde, ist unklar. Hinzu kommen befremdliche Szenen wie sein Lachen während einer Rede des Bundespräsidenten zu den Opfern der Flutkatastrophe. Das alles befremdet umso mehr, als er ja schon mehrere "Übungsjahre" als Regierungschef in NRW hinter sich hat.

Annalena Baerbock hat ihren Nimbus als junge, unverbrauchte Kandidatin nahezu völlig verloren. Es reihte sich Panne an Panne - vom aufgehübschten Lebenslauf bis zum groß angekündigten Buch, dessen Inhalte sie teilweise von anderen Autoren übernahm, ohne das kenntlich zu machen. Bei ihr wirkt das besonders negativ, weil sie noch nie Gelegenheit hatte, ihr Können in einem Regierungsamt nachzuweisen.

Olaf Scholz hat ohne Zweifel von allen Dreien im Wahlkampf bisher die wenigsten Fehler gemacht, das zeigen auch alle Umfragen zu den Persönlichkeitswerten. Allerdings hängen ihm alte Skandale wie die Affäre um die Hamburger Warburg-Bank nach. Das größte Problem für ihn sind aber die klar erkennbaren Unterschiede zwischen dem Kanzlerkandidaten und der politisch komplett anders aufgestellten SPD-Spitze um Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans und Kevin Kühnert. Der Bürger weiß nicht recht, was er bekommt, wenn er Scholz wählt.

Ein kleiner Trost

Eine(r) aus dem Trio wird es am Ende trotzdem werden. Ein kleiner Trost für alle, die jetzt verzweifeln: Kanzlerinnen und Kanzler wachsen auch an ihrem Amt. Bei einem Helmut Kohl oder einer Angela Merkel hätte anfangs niemand gedacht, dass sie zu den weltweit einflussreichsten politischen Persönlichkeiten gehören würden.

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