CSU-Chef macht Druck
"Pandemie der Ungeimpften": Söder sauer über sinkende Impfbereitschaft
27.7.2021, 17:46 UhrEs sind ambivalente Botschaften, die Ministerpräsident Markus Söder am Dienstagmittag aus dem Kabinett wiedergibt. Einerseits lockert die Regierung die Regeln für Schankwirtschaften, für Bars und Kneipen. Andererseits verlangt Söder "klare Linien", wie es im Herbst weitergehen soll. Und er macht klar: Mit Abwarten ist es für ihn nicht getan.
So platziert er gleich zwei Ansagen, eine an seinen Koalitionspartner Hubert Aiwanger von den Freien Wählern und eine an CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet. Zuvor allerdings gibt er den Wirten grünes Licht, die ihre Bars und Kneipen bisher nur im Außenbetrieb öffnen durfte - wobei: So viele sind das nicht mehr. Die meisten haben im vergangenen Sommer ihr Sortiment um ein paar Speisen ergänzt und firmieren seitdem als kleine Restaurants. Sie dürfen unter den gleichen Auflagen öffnen wie die großen.
Alle anderen sehen seit Ende vergangener Woche wieder Land. Da hatten die obersten bayerischen Verwaltungsrichter entschieden, dass auch sie innen wieder öffnen dürfen. Das Kabinett hat den Rahmen dafür abgesteckt: Regeln wie für Restaurants, Gäste nur an Tischen, Essen nur am Platz. Die Theke bleibt tabu. Wer keine Tische hat, bleibt zu.
Hubert Aiwanger von den Freien Wählern ist zufrieden. Der Wirtschaftsminister hatte mit Schlimmerem gerechnet. "Ich musste das gar nicht erkämpfen", sagt er. "Beide Seiten haben das so gesehen." Alles andere, räumt auch Söder ein, "wäre überzogen gewesen". Vergangene Woche hatte er noch über weit schärfere Regeln nachgedacht.
Die andere Botschaft Söders dürfte Aiwanger weniger schmecken. Der CSU-Politiker lehnt zwar eine Impfpflicht weiter ab. Doch er verlangt deutliche Unterschiede, wie Geimpfte und Nichtgeimpfte behandelt werden. Für Letztere sollen bald die Coronatests kostenpflichtig werden. Für Erstere regt Söder Erleichterungen an: Keine Quarantänepflicht nach Auslandsreisen oder freien Zugang zu Kultur, Sport oder Messen, der Nichtgeimpften verwehrt bliebe.
Politisches Gift
Aiwanger sagt dazu nach dem Kabinett nichts. Muss er auch nicht, er hat das in Interviews erledigt. Die Diskussion über eine Impfpflicht nennt er "politisches Gift". Er lässt sich weiter nicht impfen. "Die Gesamtgefechtslage ist für mich noch nicht deutlich genug." Und im Übrigen sei es "drittrangig" und "völlig egal beim Corona-Management, ob jetzt einer mehr oder weniger geimpft ist".
Söder verdreht die Augen. Mit dem aktuellen Impfangebot, sagt er, könne "in 80 bis 90 Tagen die Herdenimmunität geschafft sein". Doch weil sich weniger Menschen impfen lassen, werde das Ziel verfehlt. "Das ist ärgerlich", sagt der CSU-Politiker. Einen erneuten Lockdown schließt dennoch er aus.
Also baut Söder Druck auf. "Wir schränken die Rechte der Menschen ein", sagt er. "Wer geimpft ist, muss mehr Freiheiten erhalten." Das sei "kein Impfdruck durch die Hintertür, aber ein Gebot von Fairness, Ehrlichkeit und Eigenverantwortung." Es sei "völlig in Ordnung, wenn jemand sich nicht impfen lassen will. Aber er muss dann auch die Konsequenzen tragen." Es werde, sagt er voraus, "eine deutliche Pandemie der Ungeimpften geben".
Auch deshalb verlängert Bayern die Verträge für die Impfzentren bis April kommenden Jahres. Sie werden gebraucht für die Anschlussimpfung, vor allem aber aktuell, damit Schülern im impffähigen Alter ein Angebot gemacht werden kann. Ab Anfang September sollen mobile Impfteams dann auch in die Schulen gehen. Dort werden "die ersten zwei, drei Wochen" nach den Ferien wieder Masken zur Pflicht, sagt Söder. Die Regierung will eine erneute Schließung der Schulen verhindern.
Nicht abwarten
Die Ansage an die große Schwesterpartei ist ebenfalls deutlich. Mitte August soll nach Söders Vorstellungen die Ministerpräsidentenkonferenz tagen und den weiteren Weg besprechen, "mit klaren Ansagen", wie Söder verlangt. Alles andere werde "nicht reichen. Wir können nicht abwarten, was im Herbst passiert, und da hineinstolpern."
Armin Laschet hatte solche Überlegungen abgelehnt. Der Unionskanzlerkandidat will erst im Herbst entscheiden, wie es weitergehen soll. Ihn drückt offenkundig die Sorge, harte Linien könnten sich auf die Bundestagswahl auswirken. Markus Söder befürchtet das Gegenteil. "Am Ende", sagt er, "kann darüber auch die Bundestagswahl entschieden werden. Da kann man nicht zuwarten, sondern da braucht man einen klaren Ansatz."
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