Verhandlungen in Berlin
Politische Wende oder „sozialer Sprengstoff“? So sehen Politiker aus Fürth die Sondierungs-Gespräche
11.03.2025, 10:34 Uhr
Die nächste schwarz-rote Regierung bereitet sich vor: Nach abgeschlossenen Sondierungsgesprächen präsentieren Union und SPD ihre Ergebnisse in einem elfseitigen Papier. Finanzierung, Wirtschaft, Arbeit und Soziales und Migration sind wesentliche erste Punkte, auf welche man sich bereits geeinigt hat. Auch in Franken beobachtet man die Geschehnisse. Neben Lob und weiteren Denkanstößen gibt es von den Fürther Politikerinnen und Politiker auch Kritik.
OB Jung: Ziel der Koalitionsgespräche müsse "eine kommunalfreundliche Regierung" sein
Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung begrüßt die Ergebnisse der Sondierungsgespräche. Am Montag teilte der OB mit, dass nun das Ziel der Koalitionsgespräche sein müsse, eine "kommunalfreundliche Regierung zu installieren" sowie die Kommunen am geplanten Infrastrukturpaket zu beteiligen: So könne die Stadt Fürth "auf etwa 80 bis 100 Millionen Euro hoffen, was die Finanzierung der anstehenden Investitionen in Schulbauten, Kitas, dem Klinikum, der Stadthalle und der maroden Brücken deutlich erleichtert", heißt es in einer Pressemitteilung.
Die bisherigen Vereinbarungen in Bezug auf Wirtschaft, die Inhaftierung straffälliger Ausreisepflichtiger sowie erweiterte Sanktionsmöglichkeiten und Reformansätze beim Bürgergeld begrüßt Jung ebenfalls. Ein Kritikpunkt ist aber die "ungebremste Schuldenaufnahme des Bundes". Das sehe der SPD-Politiker kritisch, "da sie die nachfolgenden Generationen unverhältnismäßig belastet." Die Kommune wolle deswegen entgegen dessen auch in Zukunft auf neue Schulden verzichten und "stattdessen den Abbau von Verbindlichkeiten" fortsetzen.
"Herzlichen Glückwunsch": Grünen-Fraktionsvorsitzender kritisiert Sondierungspapier scharf
Für die Kommune gäbe es in dem Papier aber eigentlich nur genau einen Satz, kommentiert der Fürther Fraktionsvorsitzende der Grünen, Kamran Salimi. Dieser besagt, dass es neue Kompetenzzuordnungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen benötigt: "Herzlichen Glückwunsch - wenn das alles ist, dann sehe ich persönlich wirklich schwarz für die Kommunen." Laut Salimi wolle die neue GroKo, dass überschuldete Kommunen weniger Geld für immer mehr Aufgaben erhalten. Stattdessen brauche es aber "dringend eine Reform der kommunalen Finanzierung. Doch davon steht nichts im Sondierungspapier."
Was dem Grünen Politiker noch auffällt: "Es werden fast ausschließlich Absichtserklärungen abgegeben, ohne überhaupt konkret zu werden. Das Papier ist gespickt mit Konjunktiven, es enthält wenig Konkretes". Wirklich ausformuliert seien nur Wahlversprechen der Union, wie beispielsweise die Pendlerpauschale oder die Wiedereinführung der Dieselsubventionierung. Soziale Themen und Klimaschutz kommen nach Auffassung des Grünen-Politikers nur am Rande, wenn überhaupt vor. Zudem widersprechen sich die Absichtserklärungen, wenn sie "an Klimazielen festhalten" und gleichzeitig Gaskraftwerke und die Autoindustrie Verbrenner bauen lassen, zitiert Salimi das Papier.
Zum Schluss will der Fraktionsvorsitzende noch erwähnen, dass Landesvater und Ministerpräsident Markus Söder sich die im Positionspapier formulierte Absicht "die Polarisierung in unserem Land zurückdrängen" zu Herzen nehmen sollte. Besonders, da er "längst das Maß des Erträglichen verlassen" hat.
CSU-Stadtrat Ammon ist "vielleicht sogar ‚sehr zufrieden‘"
Entgegen seines Amtskollegen ist CSU-Fraktionsvorsitzender Max Ammon mit dem Ergebnis zufrieden; "Vielleicht sogar ‚sehr zufrieden‘, wenn jetzt noch weitere Details bekannt werden." Wie der Stadtrat erklärt, markiere das Papier eine wirkliche politische Wende, welche den Bedürfnissen des Landes und der Bevölkerung entspreche. Besonders erfreulich sei die Einigung bei den Sondervermögen, da besondere Situationen besondere Maßnahmen benötigen. Selber sei Ammon kein großer Fan "vom sturen Festhalten an der Schuldenbremse". "Das soll jedoch kein Freifahrtschein für künftige Regierungen sein, so seine Wahlversprechen durchzubringen."
Der CSU-Politiker betont, dass es zudem wichtig sei, Kommunen und Kreise bei infrastrukturellen Maßnahmen mehr zu unterstützen. Deswegen findet er es auch schade, dass nichts Näheres zu einer nötigen Krankenhausreform bekannt wurde. "Gerade die Defizite der Krankenhäuser und Kliniken machen den kommunalen Aufgabenträgern enorme Schwierigkeiten und verhindern Investitionen an anderer Stelle. Zu hoffen bleibt nur, dass die Grünen jetzt der Grundgesetzänderung zustimmen und der Weg dafür frei wird. Leider sind ja die Grünen in den vergangenen Wochen nicht gerade ‚pfleglich‘ seitens der Union behandelt worden..."
Im Gespräch betont der Stadtrat zudem, dass die einvernehmliche Antwort auf die Migrationssituation, Flüchtlingen weiterhelfe und zudem gezielter sondiere, "wer tatsächlich Hilfe benötige". Durch Hilfe und Integration sollten arbeitswillige Migrantinnen und Migranten schnell in Arbeit gebracht werden. So schaffe man Frieden und hilft beim Arbeitskräftemangel, erklärt Ammon. Wichtig sei nämlich auch die Stärkung des Industriestandorts Deutschlands, wodurch schlussendlich Sozialleistung und Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden.
Sozialer Sprengstoff, Irrweg und enttäuschend: Linke-Stadtrat Haupt zum Sondierungspapier
Niklas Haupt, Stadtrat und Gruppensprecher von "Die Linke", ist weniger optimistisch gestimmt. Er glaubt, dass das Sondierungspapier "sozialer Sprengstoff" sei und die dringendsten Probleme wie hohe Mieten und Grundnahrungsmittel nicht angehe. Einige Themen wie die Kindergrundsicherung würden zu keinem Wort erwähnt, andere wie das Deutschlandticket würden nicht einmal abgesichert.
Grundsätzlich begrüße der Stadtrat massive Investitionen, "doch für was das Geld verwendet werden soll, bleibt nebulös und bei den Ländern und Kommunen sollen nur 100 Milliarden - gestreckt auf 10 Jahre - ankommen." Haupt rechnet vor und erklärt, dass die 10 Milliarden Euro im Jahr für alle Bundesländer "absolut enttäuschend" für Fürth seien. Dass hunderte Milliarden Euro an Schulden für die Aufrüstung gemacht werden, findet der Linken-Politiker einen "fatalen Irrweg". Insgesamt würde das aktuelle Positionspapier mittlere und untere Einkommen weiter belasten, Millionäre und Milliardäre entlasten - und so eine soziale Spaltung weiter vorantreiben, sagt Haupt.
Heidi Lau, Freie Wähler:
Wenige lobende Worte findet Freie Wähler-Gruppensprecherin Heidi Lau. Sie ist von den Sondierungsgesprächen "sehr enttäuscht", da Union und insbesondere Friedrich Merz sich an Wahlversprechen nicht halten würden. Weiter bemühen sich möglichen Koalitionäre nicht um eine geregelte Migrationspolitik - es gibt nur ein "Weiter so", sagt die Freie Wähler-Politikerin. Auch die Lockerung der Schuldenbremse sei unverantwortlich gegenüber der künftigen Generation: "Nur was wir aktuell erwirtschaften können und sollten wir auch ausgeben."
"Ich sehe schwarz für die Zukunft unseres Landes", erklärt Lau im Gespräch. Ihrer Ansicht nach führe das aktuelle Positionspapier zu noch viel größeren Problemen und spaltete die Gesellschaft weiter. Zudem seien die Friedensbemühungen im Ukrainekonflikt zu wenig berücksichtigt: "Wenn Waffenlieferung die einzigen Friedensbemühungen sind, ist die Diplomatie gescheitert".
AfD-Fraktionssprecher Haas äußert Lob - und viel Kritik
Der Gruppensprecher der Fürther AfD-Fraktion, Andreas Haas bewertet die Senkung der Stromsteuer, der Umsatzsteuer für die Gastronomie und die Überarbeitung des Bürgergelds als positiven Entschluss. Negativ sei laut dem Gruppensprecher aber das Festhalten an Klimazielen sowie auch die Zurückweisung an den Landesgrenzen; letzteres, weil sie ihm "nicht weit genug gehen".
Auch kritisiert der AfD-Politiker die Mindestlohn-Erhöhung und schlägt stattdessen regionale Mindestlöhne nach Vorbild der USA vor, wonach Erhöhungen in speziellen Gebieten mit hohen Lebenshaltungskosten möglich wären. Als letzten Kritikpunkt nennt Haas den Umfang des Sondervermögens, da sich für ihn die Frage stellt, ob die Gelder durch Streichung anderer Haushaltspositionen "freigemacht werden können". Gleichzeitig betont der Politiker, dass es sich hier nur um eine Auswahl seiner Bewertung handele.
Bis zum Redaktionsschluss blieb eine Anfrage an die Fraktion der FDP unbeantwortet.
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