RKI arbeitet an Corona-App - und bekommt Handydaten der Telekom
24.3.2020, 19:16 Uhr"Die gesamte deutsche Wissenschaftsgemeinde hat sich skeptisch zu dieser Entwicklung geäußert", sagt Dominik Herrmann. Der Informatiker leitet an der Uni Bamberg den Lehrstuhl für Privatsphäre und Sicherheit in Informationssystemen. "So etwas hat noch niemand gemacht", sagt er. Ziel ist es, anhand der Standortdaten nachzuvollziehen, welcher Infizierte sich wann und wo aufgehalten hat und dabei das Virus womöglich übertragen hat. "Das sind mit die sensibelsten Daten, die es überhaupt gibt", sagt Herrmann. "Das geht niemanden etwas an."
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Trotzdem beobachtet der Experte die Entwicklung "relativ entspannt", denn er glaubt nicht an den Erfolg des Projekts. "Die aktuell verfügbaren Daten sind viel zu ungenau." Mobilfunkanbieter wie die Telekom speichern nur, in welcher Funkzelle sich ein Smartphone eingewählt hat.
"Gerade auf dem Land haben diese Funkzellen einen Durchmesser von hunderten Metern bis zu mehreren Kilometern", erklärt Herrmann. "In dicht bevölkerten Städten ist der Durchmesser geringer, teilweise kann dort der Aufenthaltsort auf einzelne Straßenzüge genau bestimmt werden." Gerade Hochhäuser sorgen da für Probleme, denn die Standortbestimmung nutzt lediglich den Längen- und Breitengrad. "Wenn ich da im vierten Stock sitze und im Erdgeschoss halten sich viele Infizierte auf, lässt sich das nicht unterscheiden, da bleibt die Technik blind." Und das zurecht, findet der Informatiker. "Mit groben Positionsdaten lässt sich aber bestimmen, ob sich ein Smartphone zwischen Wohn- und Arbeitsort bewegt oder an anderen Orten befindet." Auch eine Analyse des gesamten Mobilitätsverhalten einer Gesellschaft ist möglich.
Telekom teilte Datenpaket mit Robert-Koch-Institut
Schon vergangene Woche hat die Telekom ein erstes Datenpaket mit dem Robert-Koch-Institut geteilt – freiwillig und kostenlos – und ohne ihre Kunden zu informieren. Dabei soll es sich um Informationen von rund 46 Millionen Handynutzern aus dem letzten Quartal 2019 gehandelt haben. Der Vergleich mit den aktuellen Daten soll laut RKI zeigen, ob die Menschen nun weniger unterwegs sind und Maßnahmen wie geschlossene Schulen und das Arbeiten von zu Hause ihre Wirkung zeigen.
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Die Telekom betont, dass sie keine individuellen Daten weitergebe. Bereits seit 2015 biete das Unternehmen anonymisierte Massenstatistiken an, mit einem Verfahren, das die Bundesdatenschutzbehörde geprüft und freigegeben habe. "Es handelt sich ausschließlich um Schwarmdaten, es ist kein Rückschluss auf Einzelne möglich", schreibt das Unternehmen auf Twitter. Herrmann kritisiert vor allem die mangelnde Transparenz.
"Wir müssen bis Ostern wachsam sein"
Auf einer Pressekonferenz teilte RKI-Chef Lothar Wieler lediglich mit, dass 25 Personen aus zwölf Institutionen seit drei Wochen täglich an der App arbeiten. Datenschutzbedenken habe er keine. "Wenn es sich wirklich nicht um sensible Daten handelt und angeblich niemand wirtschaftliche Interessen an dem Projekt hat, dann könnten sie ihre Überlegungen und Fortschritte auch teilen", sagt Herrmann. "Wichtig wären von Anfang an klare Regeln, was mit den Daten passiert und wann sie wieder gelöscht werden." In Bamberg arbeiten der Professor und sein Team daran, die Datenschutzregularien verschiedener Webseiten zu überprüfen. Zum Beispiel von Banken, Versicherungen, Unis, Schulen und Behörden. "Wir sind so etwas wie die Stiftung Warentest fürs Netz", sagt er.
Wer die Auflagen nicht einhält, bekommt einen Hinweis. Dann untersuchen die Forscher, ob die Verantwortlichen reagieren und wie lange es dauert bis sie den Fehler beheben. Natürlich gäbe es Möglichkeiten, die Position der Handys in Deutschland viel genauer zu bestimmen. Die meisten Smartphones und viele Apps haben die Berechtigung dazu von ihren Nutzern bekommen. "Die Daten gibt es, aber in Deutschland ist es zum Glück nicht erlaubt, sie so zu nutzen", sagt Herrmann. Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht auch nicht vor, das zu ändern. "Aber wir müssen bis Ostern wachsam sein, dass das nicht doch noch durch die Hintertür kommt." Der Informatiker befürchtet, dass die aktuelle Krisenstimmung ausgenutzt werden könnte, um die Privatsphäre zu lockern. "Am Freitag wissen wir mehr", sagt Herrmann. Dann soll es einen ersten Test der RKI-App mit 10.000 Nutzern geben. "Dann werden wir sehen, was passiert."
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