Russlands Impfstoff Sputnik V: Wunderwaffe oder Falle?
8.4.2021, 18:40 UhrManche regen sich über den neuesten Coup der Bayern auf. Dietmar Bartsch zum Beispiel, Chef der Linken im Bundestag. "Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung beim Impfen, keine bayerische Kraftmeierei", schimpft Bartsch. Berlin müsse Bayern an die Leine legen. Damit steht er allerdings ziemlich allein. Selbst in der bayerischen Opposition stößt die Idee weitgehend auf Zustimmung. "Alles, was der Bekämpfung der Pandemie und dem Wohl der Bevölkerung dient, wird unterstützt", sagt etwa SPD-Fraktionschef Horst Arnold. "Wenn es nicht anders klappt, müssen wir es eben so machen. Wieso sollten wir als sozialdemokratische Partei das kritisieren?", fragt der Fürther.
Es geht um Sputnik V, den russischen Impfstoff gegen das Corona-Virus. Bayern hat mit einem Vorvertrag zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Bekommt das Präparat die Zulassung, wird eine Firma in Illertissen das Vakzin in großen Mengen herstellen. Vor allem aber hat sich Bayern die Zusage geholt, dass es "zeitnah" 2,5 Millionen Dosen des Impfstoffes bekommt. Mehr sei derzeit nicht geplant, sagt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.
Ganz neu sei das Thema nicht, sagt Karl Freller, CSU-Landtagsabgeordneter aus Nürnberg–Süd und Mitglied im Gesundheitsausschuss des Landtags. "Das hat sich schon angedeutet." Kritik an der Idee kann er nicht nachvollziehen. "Es ist eine Chance mehr für uns." So hat es auch das Ministerium gesehen. Angesichts der Lieferschwierigkeiten anderer Unternehmen habe man "aktiv nach Lösungen und Perspektiven gesucht". Sputnik V ist das Ergebnis.
Bislang ist der Impfstoff der russischen Firma Biocad allerdings weder in der EU noch in Deutschland zugelassen. Wissenschaftler kritisieren vor allem die mangelnde Transparenz im russischen Zulassungsverfahren. Relevante Daten sind bis heute nicht veröffentlicht. Andere bescheinigen dem Vakzin einen Wirkungsgrad von 91,4 Prozent nach der zweiten Impfung. Es ist ein Wert, den manche Fachleute bezweifeln, weil das vergleichbare Produkt von Astrazeneca nur auf 62 Prozent kommt.
Ungarn prescht vor
Weltweit haben derzeit 68 Länder das Präparat zugelassen, darunter Ungarn als einziges EU-Mitglied. Deutschland könnte folgen, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn andeutet. Er will mit Russland bilateral über Lieferungen verhandeln, wenn das Präparat zugelassen ist.
Das V in Sputnik V steht nicht für die römische Zahl fünf, sondern für das englische Wort Victory, für Sieg. Der Name soll zwar auf den Sieg über das Virus anspielen; Kritiker der russischen Politik allerdings interpretieren ihn anders und erinnern daran, dass auch Sputnik als Name nicht zufällig gewählt ist. 1957 hatte die Sowjetunion mit Sputnik 1 den ersten Satelliten weltweit ins All geschickt und den Westen erschüttert, der im kalten Krieg um seine technologische Überlegenheit fürchtete.
Politiker wie der Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann sehen im Impfstoff deshalb vor allem eine taktische Waffe des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Söder lasse sich "von Russland in einen vermeintlichen Deal einspannen", sagt Hartmann, "obwohl längst bekannt ist, dass Putin die Welt aus geostrategischem Kalkül mit Impfstoff versorgen will, während seine Landsleute ungeimpft bleiben." Es könne noch Monate dauern, bis Sputnik V bei uns zugelassen ist. Und in Illertissen herrsche derzeit Baustopp, wegen fehlender Genehmigungen.
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Hartmann fragt sich, wieso Bayern ausgerechnet bei Sputnik V aktiv wird. Ernsthafte Gespräche mit anderen Impfstoffherstellern über neue Produktionsstätten im Freistaat seien unterblieben. "Da war Söder wohl seine mediale Omnipräsenz wichtiger", vermutet Hartmann.
Unklar ist ohnehin, welche Rolle Sputnik V in der deutschen Impfstrategie spielen kann. Biontech baut seine Produktion hierzulande gerade massiv aus; ab Mitte April liefert der Hersteller Johnson & Johnson seinen Impfstoff Ad26.Cov2.S auch nach Deutschland. Bis Sputnik V auf dem Markt ist, könnte sich die Lage bereits grundlegend geändert haben.