Work-Life-Balance

"Wir müssen wieder mehr arbeiten": Söder liebäugelt mit Sechs-Tage-Woche

Benjamin Jungblut

Redakteur

E-Mail zur Autorenseite

dpa

26.6.2024, 11:28 Uhr
In einem aktuellen Interview äußert der bayerische Ministerpräsident Markus Söder Sympathie für eine Sechs-Tage-Woche.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler In einem aktuellen Interview äußert der bayerische Ministerpräsident Markus Söder Sympathie für eine Sechs-Tage-Woche.

Mehr Zeit für Freizeit und Familie – das wünschen sich offenbar viele. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem letzten Jahr zeigte, dass sich die meisten deutschen Erwerbstätigen eine Vier-Tage-Woche wünschen, ganze 81 Prozent der Befragten. Bereits zwei Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten bereits in dem Modell mit niedrigerer Wochenarbeitszeit. „Das Ziel ist es, den Menschen und Unternehmen mehr Freiheit bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit zu geben“, erklärte der belgische Premierminister Alexander de Croo zur Einführung im November 2022.

Ein Modell, das beim bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder auf wenig Gegenliebe stößt. Der erklärt der "BILD"-Zeitung in einem aktuellen Interview: „In Griechenland gibt es jetzt zum Beispiel eine Sechs-Tage-Woche, bei uns wird über eine Vier-Tage-Woche diskutiert. So werden wir den Rückstand nicht aufholen. Wir müssen wieder mehr arbeiten, aber mehr Arbeit muss sich dann auch lohnen.“

Ganz richtig ist die Aussage nicht – der Startschuss für das Projekt in Griechenland fällt erst noch – am 1. Juli. Dann können Arbeitgeber in Griechenland ihren Angestellten den Vorschlag unterbreiten, sechs anstatt bisher fünf Tage die Woche zu arbeiten. Das Angebot könnte sich für die Beschäftigten lohnen: Für den sechsten Arbeitstag erhalten sie qua Gesetz einen Aufschlag von 40 Prozent mehr Gehalt, handelt es sich dabei um Sonn- und Feiertage, gibt es sogar 115 Prozent zusätzlich.

Damit könnten die Griechen künftig mehr arbeiten als ohnehin schon: Laut Statistikbehörde Eurostat führen die Griechen mit 39,8 Stunden die europäische Rangliste der Wochenarbeitsstunden an. Für Deutschland verzeichnet die Auflistung im Schnitt 34 Wochenstunden. Über Gebühr sollen jedoch auch die Griechen nicht arbeiten, wie das neue Gesetz aus Athen festlegt: 48 Stunden pro Woche sind demnach das Maximum.

Fachkräftemangel nach Finanzkrise

Gewerkschaften kritisieren das Gesetz trotz der geplanten Zusatzzahlungen als Ausbeutung, doch Arbeitsminister Adonis Georgiadis lässt sich nicht beirren: «Da vor allem in der Industrie ein großer Mangel an Arbeitskräften herrscht, werden Überstunden geleistet - und die werden oft schwarz gezahlt», argumentierte er bei der Debatte zum Gesetz im Parlament. Mit der neuen Regelung hingegen erhielte jeder das Recht auf extra bezahlten Sondereinsatz und Schwarzarbeit werde der Riegel vorgeschoben.

Der Fachkräftemangel in Griechenland ist vor allem auf die schwere Finanzkrise des Landes von 2010 bis 2018 zurückzuführen. Damals stand das Land kurz vor der Pleite und Hunderttausende gut ausgebildete junge Leute wanderten ab, um ihr Glück im Ausland zu suchen. Von diesem Brain-Drain hat sich Griechenland bis heute nicht erholt, auch wenn es mit der Wirtschaft aufwärts geht.

Söder macht sich Sorgen

Die Lage auf dem griechischen Arbeitsmarkt lässt sich kaum mit dem in Deutschland vergleichen. Trotzdem schlägt Söder gegenüber der "BILD" Alarm: „Deutschland spielt ökonomisch inzwischen leider in der Abstiegszone. Andere Länder sind wirtschaftlich wesentlich erfolgreicher.“ Er bezieht sich dabei auf ein Ranking der privaten Schweizer Wirtschaftshochschule IMD in Lausanne, im Vergleich zum Vorjahr musste Deutschland zwei Plätze einbüßen und liegt nur noch auf Platz 24. 2022 lag Deutschland „immerhin“ noch auf dem 15. Söder hofft nun auf ein „Wirtschaftswunder“ für das Land, einen „wirtschaftspolitischen Befreiungsschlag“ und bemüht einen Fußball-Vergleich: „Über den Kampf zum Spiel finden“, so der Ministerpräsident zu "BILD".

Verwandte Themen