Deutliche Worte in Sitzung

Söder schlägt Alarm: "Regierung ohne Union ist möglich"

19.8.2021, 17:03 Uhr
CSU-Chef Markus Söder sieht sich als Gefangener einer schlecht operierenden CDU. Die CSU, warnt er, hänge deutlich von den Ergebnissen der CDU ab. Die aber sackt immer tiefer ab.

© Peter Kneffel, dpa CSU-Chef Markus Söder sieht sich als Gefangener einer schlecht operierenden CDU. Die CSU, warnt er, hänge deutlich von den Ergebnissen der CDU ab. Die aber sackt immer tiefer ab.

Ein Prozentpunkt, mehr trennt Union und SPD nicht mehr in einer neuen Umfrage. "Dramatisch", sagt Markus Söder. Die CDU ist im freien Fall, und sie reißt die CSU mit. "Wir holen bei Bundestagswahlen maximal acht bis zehn Prozent mehr als die Union", erklärt der CSU-Chef. In Bayern stünde seine CSU damit bei einem Wert um die 30 Prozent, weil die CDU je nach Institut zwischen 22 und 27 Prozent liegt, Tendenz überall weiter fallend.

Söder hat das kommen gesehen. Seit Wochen mahnt er, der Wahlkampf der Union sei zu schlafmützig, zu wenig engagiert, zu unklar in den Positionen. Er nennt den Unionskandidaten Armin Laschet nie beim Namen. Muss er auch nicht. Jeder weiß, dass seine Kritik sich an den Nordrhein-Westfalen richtet. Und Söder macht bei jeder Gelegenheit vor, wie er sich einen engagierten Wahlkampf der Union vorstellt.

Eigene Ideen

Als die Union etwa ihr gemeinsames Wahlprogramm vorgelegt hatte, hatte Söder mit seinem eigenen Wahlprogramm einen oben drauf gesetzt. Das Papier ist milliardenschwer, voller Erleichterungen für so ziemlich jeden. Jetzt, da die westliche Welt in Afghanistan versagt hat, formuliert er seine Positionen dazu. Söder kritisiert das Vorgehen von Bundesregierung und Europäischer Union. Er fordert einen EU-Sicherheitsrat, eine EU-Armee, eine deutsche Bundeswehr, die aufgerüstet gehöre. Er verlangt eine tiefgehende Diskussion über die Versäumnisse und Pannen. Und eine darüber, wie solche Mandate künftig ausgestaltet sein sollten.

So tritt ein Parteivorsitzender auf, das ist Söders Subtext. Oder ein Kanzlerkandidat. Söder ist nur ersteres, Laschet ist beides. Doch zu hören ist von ihm in diesen Fragen bisher wenig bis nichts. Zu wenig, finden sie in der CSU, und wohl nicht nur dort. Von überall aus der Republik erreiche ihn der Wunsch, er müsse mehr tun, hat er seinen CSU-Präsidiumsmitgliedern berichtet. In der Pressekonferenz sagt er, auch aus der eigenen Partei komme "die Aufforderung, die persönliche Karte zu ziehen."

"Lage eindeutig"

Söder zieht sie nicht. "Wir haben ausführlich Armin Laschet plakatiert", sagt er statt dessen. "Da lassen wir uns nichts nachsagen." Er werde sich nach besten Kräften einbringen für einen Kandidaten Laschet. Alles andere schiebt er ins Reich des Wunschdenkens. Einen Kandidatenwechsel schließt Söder kategorisch aus. "Die Sachlage ist klar und eindeutig. Das ist alles entschieden."

Schuldige wird der CSU-Chef nach der Wahl suchen, auch wenn er erkennen lässt, dass er sie längst ausgemacht hat. Aktuell allerdings lässt er alle Nachfragen unbeantwortet, wenn auch mit dem vieldeutigen Hinweis, es habe "keinen Sinn, über die Vergangenheit zu reden, sondern darüber, was wir besser machen können und wo wir stärker werden müssen."

Frustriert

Die ihn im CSU-Präsidium erlebt haben, erzählen später, Söder habe frustriert gewirkt und erschöpft. Dass Laschet der "definitiv schwersten Herausforderung für die Union seit 1998" nicht gewachsen sei, lässt Söder allenfalls intern fallen. Nach außen verkündet er, er werde "versuchen, meinen Beitrag für den Erfolg zu erbringen".


Viele Unionswähler wollen lieber Söder als Laschet


Dass er noch an ihn glaubt, beteuert Söder nur auf Nachfrage. "Man kann es drehen, aber leicht wird es nicht", hatte er im Präsidium noch erklärt. Vor der Presse sinniert er darüber, dass es "ganz real die Möglichkeit gibt, ohne die Union zu regieren". Dass deshalb "alle in der Union an einem Strang ziehen" müssten. Und dass die Union jetzt "herausstellen muss, was die Unterschiede zu den anderen Konstellationen sind", etwa zu einer Ampel aus SPD, FDP und Grünen, vor allem aber zu einer rot-rot-grün-geführten Regierung.

"Tempo geben"

Was Armin Laschet dazu sagt _ ungewiss. Sicher dürfte allerdings sein, dass er am kommenden Samstag seine nächste Lehrstunde bekommt. Dann treten CSU und CDU, treten Angela Merkel, Armin Laschet und Markus Söder gemeinsam auf beim Wahlkampfauftakt im Berliner Tempodrom. Die Union, gibt CSU-Generalsekretär Markus Blume die Tonlage vor, müsse "ihr Potenzial noch deutlich besser ausschöpfen." Und das in "völliger Ent- aber auch Geschlossenheit. Wir müssen Gas geben", sagt er, "Tempo machen". Söder wird das am Samstag tun, er steht schon jetzt voll auf dem Pedal. Bei Laschet ist das nicht so sicher.

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