Abschaffung wurde schon 2018 versprochen
Sommerzeit ab dem 27. März: Darum gibt es die Zeitumstellung immer noch
21.3.2022, 17:36 UhrMit derselben Regelmäßigkeit, mit der die Uhr tickt, muss der Sprecher der EU-Kommission zweimal jährlich die immer gleiche Frage beantworten: Warum ist die Zeitumstellung auch fast vier Jahre nach der Ankündigung des Vorhabens immer noch nicht abgeschafft? "Ich wiederhole, was ich vor einem halben Jahr darauf geantwortet habe und das war das, was ich sechs Monate zuvor sagte", so die launige Antwort von Stefan de Keersmaecker gegenüber der Tagesschau: "Die Kommission hat im September 2018 vorgeschlagen, die Zeitumstellung zu beenden. Das Europäische Parlament hat das 2019 bekräftigt. Jetzt liegt der Ball im Feld der Mitgliedsstaaten."
Dass die EU-Staaten sich nicht auf eine Umsetzung der Reform einigen können, hat ebenso praktische wie bürokratische Gründe. Zum Teil liegt es daran, dass das Ende der Zeitumstellung nicht in allen Ländern gleich populär ist. So wollen beispielsweise Portugal, Griechenland und Zypern sie am liebsten beibehalten. Andere Staaten sind zwar grundsätzlich mit der Abschaffung einverstanden, können sich aber nicht darauf einigen, ob für sie dann die Sommerzeit oder Winterzeit (entspricht der normalen Mitteleuropäischen Zeit MEZ) gelten soll.
Uneinigkeit unter EU-Staaten
Diese Uneinigkeit hat viel mit Geografie zu tun: Käme die dauerhafte Sommerzeit, würde die Sonne im Winter in Spanien erst gegen 10 Uhr aufgehen. Würde die EU hingegen die dauerhafte Winterzeit festlegen, würde es im Osten Polens und der Slowakei im Sommer schon gegen 3 Uhr morgens wieder dämmern. Die skandinavischen Länder wiederum brauchen die Winterzeit, damit es an den dort ohnehin schon kurzen Wintertagen überhaupt morgens hell wird.
Die EU-Kommission hatte die Reform 2018 zwar ins Rollen gebracht, nachdem bei einer nicht repräsentativen Umfrage mit etwa 4,6 Millionen Teilnehmenden rund 84 Prozent der Befragten für die Abschaffung der Zeitumstellung gestimmt hatte. Sie kann aber keine bestimmte Umsetzung erzwingen, weil die Entscheidung über Zeitzone und Standardzeit Teil der Souveränität der Nationalstaaten ist. Somit droht der EU im schlimmsten Fall ein Flickenteppich, bei dem jedes Land sich für eine andere Standardzeit entscheidet. Für den europäischen Binnenmarkt sowie Bahn- und Flugverkehr wäre das ein großes Problem.
Ursprünglich sollte bis zum Frühling 2021 eine Entscheidung getroffen werden. Die Frist wurde jedoch gerissen, weil die Regierungen in Berlin und mehreren anderen EU-Ländern darauf bestanden, dass die Kommission erst eine sogenannte Folgeabschätzung vorlegen solle. Die von Ursula von der Leyen geleitete Behörde lehnte ab.
Man habe bereits ausreichende Analysen für einen Beschluss geliefert, sagte ein Kommissions-Beamter gegenüber der Berliner Morgenpost. Die Mitgliedsländer müssten sich nun im Europäischen Rat auf eine gemeinsame Position einigen. Ohne ein Gutachten wollen die Mitgliedsländer die Diskussion im Rat aber nicht einmal beginnen. So stockt das ganze Vorhaben.
Wie die Berliner Morgenpost berichtete, hat die Vize-Fraktionschefin der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Biljana Borzan, der EU-Kommission und dem Rat der Mitgliedstaaten nun einen Kompromissvorschlag vorgelegt: die halbe Sommerzeit. Demnach sollen die Uhren im Frühjahr einmalig um 30 Minuten vorgestellt werden und die Standardzeit dann so bleiben.
Stand bislang die Sonne im Winter um 12 Uhr am höchsten und im Sommer um 13 Uhr, wäre dies dann immer um 12.30 Uhr der Fall - zumindest am 15. Längengrad, an dem sich die MEZ orientiert. Damit sollten die Vorteile von Sommer- und Winterzeit verbunden und die Extreme am östlichen und westlichen Rand der Mitteleuropäischen Zeitzone abgemildert werden. Ein Haken wäre, dass der international übliche Abstand von je einer Stunde zwischen allen Zeitzonen weltweit dadurch verloren ginge. In einzelnen Staaten wie Indien oder Australien wird dieser allerdings ebenfalls nicht eingehalten.
Auch für den Kompromissvorschlag stehen die Chancen aber nicht gut: Die EU-Kommission hat sich für nicht zuständig erklärt, und der Rat der Mitgliedsstaaten bislang überhaupt nicht Stellung genommen. Unterdessen sind die Termine für die halbjährliche Zeitumstellung inzwischen bis 2026 amtlich festgeschrieben worden.
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