Sondersitzung im Landtag: Söder redet schon von dritter Welle

Ralf Müller

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8.1.2021, 17:06 Uhr
Sondersitzung im Landtag: Söder redet schon von dritter Welle

Trotz teilweiser massiver Kritik der Opposition im Detail waren sich fast alle Fraktionen des bayerischen Landtags im Grundsatz einig: Die Verlängerung und Vertiefung des Lockdowns bis Ende Januar muss sein. "Jetzt ganz oder gar nicht", sagte Ministerpräsident Markus Söder am Freitag in einer Sondersitzung des Parlaments: "Halbe Sachen führen uns nicht zur Lösung".

Nicht mittragen wollte die Opposition allerdings die Beschränkung des Bewegungsradius auf 15 Kilometer für Bewohner von Infektions-Hotspots. Beschlossen wurde sie mit den Stimmen der aus CSU und Freien Wählern bestehenden Regierungskoalition dennoch.

Vor der Regierungserklärung Söders wurde der bisherige Staatssekretär Klaus Holetschek (CSU) ebenfalls mit den Stimmen der Regierungskoalition als neuer Gesundheitsminister bestätigt und anschließend vereidigt. Die bisherige Amtsinhaberin Melanie Huml (CSU) bleibt Ministerin, wechselt aber mit der Zuständigkeit für Europa und internationale Angelegenheiten in die Staatskanzlei. Das sei "keine Reaktion auf Pannen oder bestimmtes politisches Fehlverhalten", sagte CSU-Fraktionsvorsitzender Thomas Kreuzer. Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann sah das anders. Vieles im Gesundheitsministerium sei nicht richtig gelaufen, woran aber bei weitem nicht nur Huml, sondern auch Söder schuld sei.

Söder sah einen Zusammenhang zwischen den Vorgängen in der US-Hauptstadt Washington und der deutschen Querdenker-Bewegung und griff dabei auch die AfD scharf an. "Was in den USA stattfand, ist nicht weit weg", sagte der Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende. "Hetze und Lügen" führe zu "sektenähnlichen" Bewegungen. Man dürfe eine solche "geistige Vergiftung der Demokratie" nicht zulassen. Die Querdenker-Anhänger und Corona-Leugner stünden "unter besonderer Beobachtung des Staates und des Verfassungsschutzes", warnte Söder.

Zu Sitzungsbeginn war auch Landtagspräsidentin Ilse Aigner auf die Ereignisse in den USA eingegangen und hatte sie als "Schande" bezeichnet: "Es sollte uns eine Mahnung sein".

"Darüber kann man streiten"

Mit Blick auf die anhaltende Corona-Pandemie stimmte Söder erneut eher pessimistische Töne an. Wegen der geringeren Testaktivität während der Feiertage sei er skeptisch, ob man zu den gegenwärtig gemeldeten Infektionszahlen nicht noch eine erhebliche Dunkelziffer hinzurechnen müsse. "Es kann durchaus eine dritte Welle passieren", sagte Söder. Derzeit sei das Maß an Kontakten und Mobilität nach wie vor höher als im Frühjahr. Söder verteidigte die ab kommenden Montag geltende Begrenzung des Aktionsradius von Bewohnern aus Corona-Hotspots auf 15 Kilometer. In Bayern können außerdem Kreise mit einer Inzidenz von mehr als 200 auch Tagesreisen in ihr Gebiet untersagen.

Die 15-Kilometer-Regelung sei "nicht nachvollziehbar", sagte Grünen-Fraktionsvorsitzender Hartmann. Über die 15-Kilometer-Regel könne man streiten, räumte Freie Wähler-Fraktionsvorsitzender Florian Streibl ein. Aber es handele sich immer noch um die vergleichsweise liberalste Regelung. SPD-Fraktionschef warnte davor, die Akzeptanz der Bevölkerung zu verlieren. Das drohe, weil zwei Drittel der Menschen keinen Überblick über die zur Zeit geltenden Regeln mehr hätten. "Das dürfen wir nicht weiter kultivieren", so Arnold.

Mit einem letztlich abgelehnten Antrag versuchte die SPD, die 15-Kilometer-Regelung zu kippen. Damit sei nichts gewonnen und kontrollierbar sei diese Vorschrift schon gar nicht.

Söder kündigt "entscheidende Dinge" in der Digitalisierung an

Oppositionsführer Hartmann sah einen Widerspruch zwischen der Behandlung des privaten Bereichs sowie Schulen und Kindergärten einerseits und der Arbeitswelt andererseits. Im privaten Bereich könne man nach Überzeugung Hartmanns nicht weiter einschränken, andererseits gebe es große berufsbedingte Pendlerbewegungen und in vielen Unternehmen säßen die Beschäftigten nach wie vor in Großraumbüros zusammen.

Die Arbeitgeber machten vom Instrument des Home Office längst nicht in dem Ausmaß Gebrauch wie im Frühjahr. Deshalb sollte die Politik verbindlich vorgeben, dass Home Office die Regel und die Präsenz im Büro die Ausnahme sei und der Arbeitgeber die Ablehnung von Home Office begründen müsse, forderte der Grünen-Politiker: "Appelle allein reichen nicht". Die jetzt für jeden offen stehende Notbetreuungen in Schulen und Kindergärten dürfe kein Freibrief für die Unternehmen sein, "Business as usual" zu betreiben, so Hartmann.

Schon für die kommende Woche kündigte Söder an, "entscheidende Dinge" in Frage der Digitalisierung aufzusetzen. In der Hightech-Digitalisierung sei Bayern gut, bei der Alltags-Digitalisierung "haben wir echt noch Nachholbedarf", so der Ministerpräsident mit Blick auf den am Montag an allen bayerischen Schulen startenden Distanzunterricht. Die Bequemlichkeit, in der sich mancher eingerichtet habe, müsse ein Ende haben, sagte Söder, ohne konkreter zu werden.

Gleichzeitig nahm der Regierungschef Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) wegen der Pannen der Lernplattform "Mebis" in Schutz. "Mebis" sei nicht für den Distanzunterricht entwickelt worden.


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"Die Streichung der Faschingsferien ist nichts weiter als eine Bankrotterklärung der bayerischen Bildungs- und Digitalisierungspolitik", sagte SPD-Fraktionschef Arnold. Außer AfD-Fraktionschef Ingo Hahn äußerte FDP-Fraktionsvorsitzender Martin Hagen die schärfste Kritik an den neuen Regelungen.

Sie würden nicht die Pandemie dämpfen, sondern nur die Akzeptanz. Die Kontaktbeschränkungen seien familien- und kinderfeindlich und würden den Praxistest nicht bestehen. Es wäre besser, die beschlossenen Maßnahmen endlich einmal konsequent durchzusetzen als sich ständig Neues auszudenken.

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