Syrien-Konflikt: Türkei droht Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen

28.2.2020, 10:40 Uhr
Idlib ist das letzte große Rebellengebiet in dem Bürgerkriegsland. Die Situation dort war jüngst eskaliert. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt islamistische Rebellen.

© BAKR ALKASEM, AFP Idlib ist das letzte große Rebellengebiet in dem Bürgerkriegsland. Die Situation dort war jüngst eskaliert. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt islamistische Rebellen.

Als Vergeltung griff die Türkei in der Nacht zu Freitag Stellungen der syrischen Regierungstruppen an, wie der türkische Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun in einer Stellungnahme mitteilte. "Wir rufen die gesamte internationale Gesellschaft dazu auf, ihre Pflichten zu erfüllen", hieß es darin.

Der Sprecher der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, Ömer Celik, forderte, die Nato müsse an der Seite der Türkei stehen. Gleichzeitig drohte er kaum verhohlen damit, syrischen Flüchtlingen im Land die Grenzen in Richtung Europa zu öffnen: "Unsere Flüchtlingspolitik bleibt dieselbe, aber hier haben wir eine Situation. Wir können die Flüchtlinge nicht mehr halten", sagte er.

Am Donnerstagabend waren bei einem Luftangriff in Idlib mindestens 33 türkische Soldaten getötet und 36 weitere verletzt worden. Ankara machte die syrische Regierung verantwortlich und startete Vergeltungsangriffe. Altun teilte mit, die Türkei greife als Reaktion mit Boden- und Luftkräften "alle bekannten Ziele des Regimes" an. Auf einem Sicherheitsgipfel am späten Donnerstagabend unter der Führung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sei beschlossen worden, dass "das illegitime Regime, das die Waffenläufe" auf die Soldaten gerichtet habe, auf "gleiche Weise" angegriffen werde, teilte Altun mit.

Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu telefonierte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Dieser habe die Luftangriffe verurteilt, hieß es. Der einflussreiche US-Senator Lindsey Graham forderte angesichts der Eskalation eine Flugverbotszone in Idlib. Graham richtete seinen Aufruf am Donnerstag an die Adresse von US-Präsident Donald Trump: "Es ist jetzt an der Zeit, dass die Internationale Gemeinschaft eine Flugverbotszone einrichtet, um Tausende unschuldige Männer, Frauen und Kinder vor einem schrecklichen Tod zu retten."


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Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte, man stehe zum Nato-Verbündeten Türkei und fordere einen sofortigen Stopp der verabscheuungswürdigen Offensive des Assad-Regimes, Russlands und der vom Iran unterstützten Streitkräfte. Es würden Optionen geprüft, wie der Türkei am besten geholfen werden könne.

Eigentlich gilt Waffenruhe

Der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, forderte einen sofortigen Waffenstillstand. "Ohne dringendes Handeln wächst die Gefahr einer noch größeren Eskalation von Stunde zu Stunde." Es gebe keine militärische Lösung. Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay sagte laut Anadolu, der syrische Präsident Baschar al-Assad werde für den Luftangriff einen hohen Preis bezahlen. Assad werde als Kriegsverbrecher in die Geschichte eingehen.

Idlib ist das letzte große Rebellengebiet in dem Bürgerkriegsland. Die Situation dort war jüngst eskaliert. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt islamistische Rebellen. Mit Russland als Schutzmacht der syrischen Regierung hatte sie ein Abkommen getroffen, um in Idlib eine Deeskalationszone einzurichten und hatte dort Beobachtungsposten eingerichtet. Eigentlich gilt auch eine Waffenruhe. In den vergangenen Wochen war das syrische Militär mit russischer Unterstützung aber weiter in dem Gebiet vorgerückt.

Erdogan hat wiederholt mit einem Militäreinsatz gedroht, sollte sich das syrische Militär in Idlib nicht bis Ende Februar zurückziehen. Hunderttausende sind vor der Gewalt auf der Flucht.

Nach UN-Angaben sind seit Anfang Dezember fast 950.000 Menschen vor der Gewalt geflohen, auch in Richtung türkischer Grenze. Helfer beklagen eine katastrophale humanitäre Lage. Es fehlt an Unterkünften, Lebensmitteln, Heizmaterial und medizinischer Versorgung. Hilfsorganisation sprechen vom schlimmsten Flüchtlingsdrama seit Ausbruch des Bürgerkriegs vor fast neun Jahren.


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Die Türkei hat bereits mehr als 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen und betont immer wieder, dass sie eine neue Migrationswelle nicht hinnehmen werde.

Bei Zusammenstößen zwischen syrischem und türkischem Militär waren bis zum Donnerstagmorgen in rund einem Monat bereits rund 20 türkische Soldaten in der Region getötet worden.

Angesichts der Eskalation hatte Bundesaußenminister Heiko Maas zuvor das Vorgehen der syrischen Armee und Russlands als Kriegsverbrechen gebrandmarkt. "Als Konfliktparteien stehen sie in der Pflicht, die Zivilbevölkerung zu schützen. Stattdessen bombardieren sie zivile Infrastruktur wie Krankenhäuser und Schulen", sagte Maas am Donnerstag vor dem UN-Sicherheitsrat. "Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus sprechen niemanden von der Einhaltung des humanitären Völkerrechts frei." Vor der Sitzung hatte der SPD-Politiker im ARD-"Mittagsmagazin" erneut eine sofortige Waffenruhe gefordert.

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