Nach der ersten Runde

Triell: Warum sich alle als Sieger sehen

Alexander Jungkunz

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29.8.2021, 22:45 Uhr
Wer liegt vorn? Wer leistet sich Patzer? Das erste von drei "Triellen" liegt hinter uns - Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz wurden bei RTL und ntv befragt.

© Imago/Frank Hoermann/SVEN SIMON Wer liegt vorn? Wer leistet sich Patzer? Das erste von drei "Triellen" liegt hinter uns - Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz wurden bei RTL und ntv befragt.

Es komme nun sehr viel auf die Trielle an, hieß es vor dem ersten dieser neuen Formate: Wie präsentieren sich Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz? Vor allem Laschet stand und steht gewaltig unter Druck - auch und gerade aus seiner eigenen Partei wie der CSU: Nun seien starke Auftritte gefragt, um die für die Union unerlässliche Trendwende einzuleiten.

SPD erstmals vor der Union

Die Umfragen kurz vor der TV-Debatte erhöhten den Druck auf Laschet: Ein Institut sah die SPD deutlich vor der Union, die dort auf den bisher schlechtesten Stand überhaupt kam. Und Laschet bleibt überall deutlich hinter den Werten seiner Partei zurück.

Dafür schlug sich der CDU-Chef nun besser als erwartet - oder, von seinen Anhängern, befürchtet: Keine Patzer, keine Pannen. Laschet gab den Angreifer, der teils den Job der Moderatoren (Pinar Atalay und Peter Kloeppel) übernahm. Das wirkte teils einstudiert, teils ging es in die Richtung, auf die man bei der Union hofft.

Laschet klang wie Adenauer 1957: "Keine Experimente"

Laschet mühte sich, den sanften Bewahrer zu geben. Erneuerung ja - aber bitte behutsam. Und zitierte am Ende, als alle ein Schlusswort halten durften, die lange Reihe der CDU-Kanzler: Adenauer, Kohl, Merkel. In dieser Tradition sieht er sich - und seine Antworten klangen denn auch wie jenes Motto, mit dem Adenauer 1957 seinen größten Erfolg erzielte: "Keine Experimente".

Annalena Baerbock hatte unüberhörbar ebenfalls vor allem ein Ziel: bloß nicht den Eindruck bestätigen, ihre Grünen seien tatsächlich die Verbotspartei, als die sie die Union gern im Wahlkampf präsentiert. Inlandsflüge? Gendersprache? Corona-Lockdown? Von der Kanzlerkandidatin war für keine dieser Forderungen ein Ja zu hören, sondern klare Nein-Positionen, die hinter manchen Aussagen aus dem Wahlkampf zurückblieben. Nur schön vorsichtig bleiben, war offenbar auch die Vorgabe für die durch ihre eigenen Fehler deutlich zurückgefallene Grüne, die sich dadurch allerdings keine Unsicherheit anmerken ließ.

Scholz kapert Merkels Raute

Während Laschet und Baerbock sich um Emotionalität bemühten, blieb Olaf Scholz am zurückhaltendsten. Nüchtern und buchhalterisch - diese Rolle scheint anzukommen bei vielen. Dass der Sozialdemokrat nun sogar scherzhaft die Merkelsche Raute gekapert hat und in Anzeigen verkündet, er könne Kanzlerin - das empört die Union (und auch Laschet) gerade deshalb, weil es Wirkung zeigt.

Auffällig: Laschet versuchte ebenso wie Scholz, davon abzulenken, dass es ihre Parteien waren, die das Land zuletzt (SPD) oder sehr lange (CDU) regierten. Dass sie also auch für all die "fetten Probleme", die Baerbock mehrfach ansprach, verantwortlich sind. Beide mahnten etwa Planungsbeschleunigung an - und klangen sehr wenig ambitioniert beim Thema Klimaschutz.

Wieder der alte Lager-Wahlkampf

Da blieb für Baerbock die Rolle, sich als einzige Kraft des Aufbruchs zu präsentieren. Mit klarer Präferenz für ein Bündnis mit der Scholz-SPD. Auch das eine Erkenntnis des Abends: Nun beginnt jener Lager-Wahlkampf der klassischen, teils auch ermüdenden Art, den das Land schon x-mal erlebt hat und den vor dem Triell etwa Markus Söder beschworen hat. Die Union (und, deutlich leiser, die FDP) attackiert den angeblich drohenden Linksruck, wenn sie nicht mehr die Regierung stellt.

Auch mit der Linken in einer Koalition? Da lavierte Scholz: Eine klare Absage an die Linke kam von ihm nicht - auch wenn er Voraussetzungen an einen Koalitionspartner aufzählte, die von den Linken mit ihren aktuellen Positionen nie und nimmer erfüllt werden. Dieses Nicht-Festlegen bietet der Union noch viel Munition - das zeigte Laschets Nachhaken.

Unterschiede bei der Steuerpolitik

Dass SPD und Grüne eine andere Steuer- und Sozialpolitik wollen als die Union, auch das wurde dank einer bei diesem Thema etwas lebendigeren, sonst sehr zivilisierten bis zurückhaltenden Debatte schon deutlich: Die Pläne der Union bedeuten eine Entlastung der Besserverdienenden und kaum Verbesserungen für Niedrigverdiener, SPD und Grüne peilen Belastungen für Spitzenverdiener an.

Erschreckend; Über den in der Ära Merkel gewachsenen Rückstand Deutschlands in Sachen Modernisierung und Digitalisierung wurde überhaupt nicht gesprochen. Da gelingt es der Scholz-SPD und der Laschet-Union bisher zu gut, ihre Verantwortung auszublenden. Wenn die beiden nach einer Modernisierungsoffensive rufen, muss man sie schon fragen: Wer hat denn dieses Land zuletzt regiert?

Fazit: Laschet schlug sich besser als erwartet, das gilt auch für Baerbock. Scholz blieb am zurückhaltendsten und konnte offenbar damit punkten. Daher ist es nur logisch, dass ihre jeweiligen Anhänger sie jeweils auch als Sieger sehen. Nur: Wer Wahlen gewinnen will, muss Stimmen aus anderen Lagern holen. Und da wird es nun spannend im Endspurt des Wahlkampfs.

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