Die Klimakrise ist dabei ein zentraler Faktor. Ersatzprodukte, vor allem in veganer Form, belasten die Umwelt weitaus weniger als echtes Fleisch. Die Studie des Bundesumweltamts aus dem Jahr 2020 macht dies deutlich: Die Produktion eines Kilos Fleischersatz auf Pflanzenbasis verursacht etwa 2,8 Kilogramm Treibhausgase. Bei Rindfleisch liegt dieser Wert bei 30,5 Kilogramm. Vegetarische Ersatzprodukte, die oft auf Ei-Basis beruhen, schneiden in der Öko-Bilanz allerdings schlechter ab als rein pflanzliche und standen deshalb erst kürzlich stark in der Kritik.
Konsum ist auch eine Frage der Gewohnheit
Aus der Studie des Umweltamtes geht außerdem hervor, dass die meisten Hersteller von Sojaprodukten für den deutschen Markt ihr nicht gentechnisch modifiziertes Soja aktuell überwiegend aus EU-Ländern beziehen. Somit würden die Treibhausgasemissionen des Transports "weniger ins Gewicht" fallen. Das Soja, für das der Regenwald in Südamerika abgeholzt wird, geht laut einstimmiger Quellen zu etwa 80 Prozent in die Tierfutterproduktion, aus dem Rest wird zum Beispiel Bio-Diesel oder Öl hergestellt. Nur gut zwei Prozent des dort produzierten Sojas wird zu Sojawürstchen verarbeitet.
Dem Klimaargument liegt dabei ein grundlegendes Paradoxon zu Grunde: Ein Schwein benötigt etwa 250 Kilo Tierfutter bis es ein Schlachtgewicht von 95 Kilo erreicht hat. Von diesen 95 Kilo kann der Mensch am Ende etwa 59 Kilo Fleisch verzehren - ein Umweg, der einen Kalorienverlust bedeutet.
Doch nicht alle, die wenig oder kein Fleisch mehr essen, geht es ums Klima. Die Ethik und Moral spielen ebenso eine Rolle wie die Umgewöhnung von Fleisch zu mehr pflanzlicher Kost. Fleisch in allen Facetten, Geschmäckern und Varianten vom Speiseplan streichen oder minimieren? Ein schwieriger Schritt. Das weiß auch Ewald David Edelberg. Er ist der Inhaber des Restaurants "Veganel" im Nürnberger Stadtteil Gostenhof, wo ausschließlich Veganes angeboten wird. "Fleischersatz ist für uns eine Art Brücke. Die Menschen wollen das essen, was sie gewohnt sind", erklärt der Gastronom. Der Fleischersatz aus dem Supermarkt würde dabei nicht als Konkurrenz angesehen. "Wir begrüßen diesen Trend."
Seitan statt Steak - die gesündere Wahl?
Neben der Moral- oder Klimafrage, greifen einige Menschen aus gesundheitlichen gründen lieber zur Seitan-Wurst als zum Nackensteak. Fleischalternativen sollen für den Körper besser sein. Ob das tatsächlich so ist, ist nicht einheitlich zu beantworten. Die Vielfalt an Fleischalternativen unterscheiden sich in Fett-, Kalorien- und Eiweißgehalt enorm stark voneinander. Die meisten Fleischalternativen bestehen aus Erbsen-, Soja- oder Weizenprotein, Hülsenfrüchten, Tofu, Linsen oder Nüssen.
Professor Alexander Dechêne ist Ärztlicher Leiter der Inneren Medizin am Klinikum Nürnberg mit Schwerpunkt Gastroenterologie. "Fleischersatzprodukte sind oft hoch verarbeitet und wenig naturnah. Als Einstieg in eine fleischreduzierte Ernährung kann ein solches Produkt aber schon geeignet sein – solange das dann nicht das Ende der persönlichen Beschäftigung mit einer wertvollen Ernährung darstellt," sagt der Experte. Und tatsächlich: Fleischalternativen sollen dem Original in Geschmack, Konsistenz und Aussehen möglichst nahe kommen.
Wenig Fleisch(ersatz), viel Gemüse
Damit Weizenprotein nach Wiener Schnitzel schmeckt, ist einiges notwendig. Deshalb kommen bei einigen Herstellern viel Salz, Farbstoffe und Emulgatore zum Einsatz. Im Ökotest fielen bei einigen veganen Burger-Patties Mineralöle, Gentechnik und Aromen negativ auf. Wichtiger sei es, sich mehr auf die "Beilagen" zu fokussieren, sprich viel Gemüse zu essen, erklärt Prof. Dechêne. Da ist sich die Wissenschaft tatsächlich großteils einig: Wenig Fleisch und viel Gemüse sind gut für den Körper. Doch trotz dessen bedeutet Fleischersatz nicht immer auch Zusatzstoffe.
Das weiß auch Georg Meyer. Er ist der Geschäftsführer der Metzgerei Meyer in Nürnberg. Zusammen mit seinem Team entwickelt er vegetarische und vegane Bratwürste, Burger-Patties und Gyros, die in Zukunft im Laden verkauft werden sollen. "Das Ganze soll aber ohne Verdickungsmittel und die Chemie-Keule geschehen. Daher dauert es etwas länger," so der Inhaber. Auch die Firma Wolf aus Nürnberg hat Produkte entwickelt, die unter der Marke "Wolf Echt Veggie" auf den Markt kommen.
"Wir erleben Fleischalternativen als einen Trend, der an Fahrt aufnimmt, gerade auch beim Grillen," heißt es von einer Sprecherin. Trotzdem sei es "von entscheidender Bedeutung, die eigenen Traditionen zu bewahren."
Beides, also echte und nachgemachte Wurst entwickeln und anbieten? Daran haben längst nicht alle Metzger Interesse. Viele wollen beim Fleisch und nur beim Fleisch bleiben.
Noch wiegt das Geschäft mit Fleisch schwerer
Das Schlachterei- und Fleischverarbeitungsgewerbe ist derzeit zahlenmäßig übermächtig. Das zeigt dieser Vergleich des Fleischatlas 2021: Während das Fleischgewerbe 2019 Umsätze in Höhe von über 40 Milliarden Euro generiert hat, sind es bei Fleischersatzprodukten gerade einmal 273 Millionen Euro. Der Fleischverarbeiter Tönnies alleine brachte es im Jahr 2020 auf einen Gesamtumsatz von etwas mehr als sieben Milliarden Euro – trotz Corona-Skandal.
Vegane und vegetarische Ernährung: Expertinnen beantworten Ihre Fragen
Anne Canepa glaubt, dass sich das in Zukunft ändert. Sie führt die Webseite "Veganguide Nürnberg und Mittelfranken", wo sie mit regionalem Schwerpunkt über alles zur pflanzlichen Ernährung informiert. Für Canepa ist klar: "Es wächst das Bewusstsein dafür, dass wir die Zukunft auf diesem Planeten nur sichern können, wenn wir neue Wege in unserem Lebensstil gehen. Fleischprodukte aus dem 3D-Drucker und köstliche Gerichte aus regional angebauten Zutaten wie Erbsen oder Lupinen werden die herkömmliche Fleischindustrie in den kommenden Jahrzehnten ablösen."
Außerdem seien Ersatzprodukte für eine rein pflanzliche Ernährung ohnehin nicht notwendig, so die Bloggerin. Im Internet findet man heutzutage tatsächlich viele Rezepte für "Lachs" aus Karotte, "Burger" aus Bohnen oder "Chicken Wings" aus Blumenkohl.
Eins ist bei alledem sicher: Was nun letztendlich auf den Teller kommt, ist nicht nur eine Frage des Geschmacks.
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