US-Wahlkrimi: Trump plant den Putsch gegen die Demokratie

4.11.2020, 17:52 Uhr
Wer wird die USA regieren? Blick auf eine amerikanische Ikone: das Empire State Buildung in New York, angestrahlt in den Nationalfarben.

© John Angelillo/www.imago-images.de/UPI Photo Wer wird die USA regieren? Blick auf eine amerikanische Ikone: das Empire State Buildung in New York, angestrahlt in den Nationalfarben.

Schminken wir es uns einfach ab: Dass eine möglicherweise klare Mehrheit in den USA Trump aus dem Weißen Haus jagt, weil dieser Mann doch aus unfassbar vielen Gründen untragbar sei – das ist eine vor allem deutsche Wunschvorstellung. Mit der amerikanischen Wirklichkeit deckt sie sich nicht.
Anders lässt sich das Ergebnis dieser Wahl nicht deuten: Es gibt jede Menge Amerikaner, die genau diesen Präsidenten wollen. Die es "great" finden, wie er mit anderen Staaten und deren Lenkern umgeht, wie er Verträge in die Tonne tritt, wie er es "denen da oben" mal so richtig zeigt.

Dass er selbst einer von ganz "da oben" ist – geschenkt: Zu erleben ist der Triumph einer Parallel-Welt, die Trump etabliert hat: Er kann behaupten, was er will – seine oft fanatischen Anhänger glauben es ihm. Egal, ob es den Tatsachen entspricht (eher selten) oder nicht (fast immer).

Da zeigten Trumps permanente Attacken gegen die klassischen Medien Wirkung: Seine Wähler vertrauen ihnen nicht mehr, wohl aber Trumps Twitter-Tiraden. Die Polarisierung der USA spiegelt sich in ihren Medien wider: Fox News ist der Trump-Sender, CNN steht für die Gegenseite, polemisch sind beide. Gründliche Informationen der New York Times oder der Washington Post erreichen nur eine Minderheit – die ohnehin gegen Trump ist. Jene "alternativen Fakten", die Trump ins Weiße Haus gebracht hat – er hat sie für sehr viele Amerikaner etabliert und an die Stelle echter Nachrichten gesetzt. Ein bedrohlicher Zustand für eine Demokratie, die vom Austausch, vom Diskurs lebt.

Trump hat in der Wahlnacht genau dort weitergemacht, wo er im Wahlkampf aufhörte: mit massiven Drohungen, mit Lügen und einer unverschämten Kampfansage an die Regeln der Demokratie. Wer sich zum Sieger ausruft, bevor alle Stimmen ausgezählt sind, zettelt einen Putsch an – noch dazu zu einem Zeitpunkt, an dem Trump ja selbst noch gute Chancen hat, legaler Sieger zu werden.

Für seine Behauptung, die Demokraten würden versuchen, ihm den Sieg zu rauben, liefert er keine Belege. Er will, ohne Begründung, die Stimmauszählung im vielleicht entscheidenden Bundesstaat Pennsylvania stoppen lassen und peilt eine gerichtliche Auseinandersetzung an. Bei der letzten Instanz – das wäre dann genau jener Supreme Court, bei dem Trump mit Brachialgewalt kurz vor der Wahl eine ihm genehme Richterin installiert hat, um dort eine bequeme Mehrheit zu haben. Seine Anhänger glauben an seine Behauptung vom gestohlenen Sieg. Kein Wunder: Trump hat sie darauf eingeschworen, seit Wochen. "Nur durch Betrug können wir diese Wahl verlieren", sagte er. Kurz vor der Abstimmung prognostizierte er "Chaos in unserem Land". Es könnten "sehr schlimme Dinge" passieren. So redet kein Demokrat, für den Machtwechsel selbstverständlich sein müssen. So redet einer, der dauerhaft an der Macht bleiben will um jeden Preis. Dabei hat Trump ein Ergebnis erzielt, das wenige erwartet hatten. Und es scheint sich vor allem ein Spruch zu bewahrheiten, mit dem Bill Clinton 1992 in die Wahl zog: "It‘s the economy, stupid!" - übersetzt: es kommt auf die Wirtschaft an, Dummkopf!


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Auf die ökonomischen Daten hob Trump im Wahlkampf ab, während Joe Biden vor allem dessen miserable Corona-Strategie kritisierte. Für die meisten Wähler – übrigens auch viele Hispanics und Farbige, die Trump ungeachtet dessen rassistischer Ausfälle sogar verstärkt wählten – zählt die Wirtschaft mehr als die Pandemie, die Trump womöglich erfolgreich kleinredete: Sorgen um den Arbeitsplatz, Abstiegsängste – das ist entscheidender als der Umgang mit Corona. Und da hat Trump (bzw. die US-Wirtschaft) in den ersten drei Jahren seiner Amtszeit durchaus sehr ordentliche Zahlen geliefert, die erst in Folge von Corona einbrachen.

Biden war ein schwacher Kandidat, mit wenig Konturen und ohne Strahlkraft. Er präsentierte sich als einer, der die tief gespaltenen, alles andere als Vereinigten Staaten wieder zusammenführen kann. Das Wahlergebnis deutet nun eher auf eine Vertiefung und Verfestigung der Polarisierung hin. Die wieder aufzulösen, das wäre eine Herkulesaufgabe für einen möglichen Sieger Biden.

Unser Albtraum ist für viele ein Traum

Trump wiederum wird das gar nicht erst versuchen. Er lebt von der Spaltung, er reitet auf der Welle des Hasses. Der Erfolg gibt ihm recht – und falls ihm der Wahlsieg nicht ohnehin zufällt, so will er ihn an sich reißen mit Hilfe der Justiz.


Fassungslosigkeit und Entsetzen: Reaktionen der Deutschen Politik zur US-Wahl


Da wird das System der "checks and balances", das bisher oft leidlich, aber stets funktioniert hat in den USA, vor seine größte Bewährungsprobe gestellt: Sollte Trump wirklich bei der letzten Instanz die Auszählung von Stimmen stoppen wollen, wird das eine Zerreißprobe für das Oberste Gericht.
Was die Wahlen erneut und besonders drastisch zeigten: Das Wahlsystem mag historisch gewachsen sein – es ist inzwischen nicht mehr zeitgemäß, es ist durch Manipulationen undemokratischer geworden, es hat eine Reform verdient.

Ob sich die völlig ineinander verkämpften Parteien auf so etwas einigen? Sehr fraglich. Zu hoffen ist, dass jenes von Trump fast schon herbeigeredete Chaos nicht eintritt. Und am Ende eine bange Frage: Wie wird dieser Mann auftreten, wenn er tatsächlich vier weitere Jahre regiert? Noch enthemmter, mit Strafaktionen gegen all jene, die ihn ablehnen? Der Albtraum, der Trump für die meisten Deutschen ist, könnte weitergehen. Für viele Amerikaner wäre das: ein Traum.

Verfolgen wir also weiter den US-Wahlkrimi. Und hoffen auf ein happy end - das auch für den Rest der Welt von elementarer Bedeutung ist.

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