Ministerium in Erklärungsnot
Wahllos eingekauft: 600 Millionen Masken blieben in Deutschland ungenutzt
4.2.2022, 15:40 UhrAls sich die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 ausbreitete, wurden die dringend benötigten Masken schnell knapp. Bund und Länder mussten schnell handeln und haben eingekauft. Doch wirklich glatt lief die Beschaffung nicht. In Bayern befasst sich unlängst ein Untersuchungsausschuss mit dem Thema und auch bundesweit wird über Millionendeals, überteuerte oder minderwertige Masken kontrovers diskutiert.
Jetzt muss das Gesundheitsministerium einen weiteren Fauxpas zugeben. Hier bleiben die Verantwortlichen aktuell auf rund 600 Millionen ungenutzten Atemschutz-Masken sitzen, wie ein Sprecher gegenüber der BILD-Zeitung bestätigte. Wie lange die Masken haltbar sind, konnte das Ministerium nicht sagen. Zu Beginn der Pandemie hatte der Staat in einem sogenannten Open-House-Verfahren Masken für 4,50 Euro pro Stück geordert.
Viel mehr Masken geliefert als geplant
Das Ausschreibungsvolumen war allerdings nach oben nicht gedeckelt. Die Folge: Der Bund bekam viel mehr Ware als gedacht. Das Ausmaß war enorm. Der Krisenstab des Ministeriums rechnete mit einem Sechs-Monats-Bedarf für Ärzte und Bundesbehörden von 241 Millionen FFP2-Masken und 261 Millionen OP-Masken. Tatsächlich beschaffte das Ministerium von Jens Spahn dann aber die siebenfache Menge an FFP2-Masken und die 16-fache Menge an OP-Masken. Kostenpunkt: Insgesamt 6,4 Milliarden Euro.
Seitdem kam es immer wieder zu Streitigkeiten mit den Herstellern. In vielen Fällen verweigerte das Ministerium die Bezahlung und berief sich auf Qualitätsmängel, die es nach Darstellung zahlreicher Händler aber gar nicht gegeben hatte. Vor einer Kammer des Bonner Landgerichts sind inzwischen 113 Klagen von Händlern gegen den Bund anhängig, bei denen es um insgesamt gut 206 Millionen Euro geht. Vor einer anderen Kammer des Landgerichts war der Sachverhalt anders: Hier forderte der Bund Geld zurück.
Nachdem der TÜV Nord im Jahr 2020 bei den Masken Qualitätsmängel festgestellt hatte, bezahlte der Staat nur 4,3 Millionen Euro, den restlichen Rechnungsbetrag von 2,1 Millionen Euro ließ er offen. Einerseits wollte der Bund nun sein Geld zurück und andererseits der Lieferant den Restbetrag haben. In beiden Punkten scheiterte der Bund: Seine Rückzahlungsklage wurde abgewiesen und der sogenannten Widerklage des Lieferanten auf Zahlung der 2,1 Millionen Euro wurde stattgegeben. Der Rechtsstreit ist noch nicht abgeschlossen, das unterlegene Ministerium kann beim Oberlandesgericht Köln in Berufung gehen.
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