Warum das Verbot von Gottesdiensten an Ostern richtig ist

Alexander Jungkunz

Chefpublizist

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09.04.2020, 07:02 Uhr

Doch, es ginge wohl schon: In der Regel sind unsere Kirchen schwach besucht, ein Abstand von zwei Metern ist bei einem normalen Gottesdienst (und gerade in Franken, wo ein Wirtshaus schon voll ist, wenn an jedem Tisch ein einzige Gast sitzt...) locker einzuhalten. Denn meistens sind die Kirchen längst viel zu groß.


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Meistens. Es ist aber Ostern, dieses doppelgesichtige Fest. Erst die Trauer am Karfreitag, dann die Freude der Osternacht. Da sind die Kirchen deutlich voller, zu normalen Zeiten.
Und sie wären es in diesen nicht normalen Tagen noch mehr: Not lehrt, das zeigt sich immer wieder, beten: In Krisenzeiten rücken Menschen zusammen, sie suchen Halt in Ritualen, wie sie der Glaube bietet, an den sich nun auch manche wieder erinnern, die
normalerweise wenig mit Religion verbinden.

Es ist nachzuvollziehen, dass sich da viele nach Gottesdiensten sehnen: Gemeinschaft gibt Geborgenheit, ebenso die vertrauten Abläufe der Liturgie: Lieder singen, Abendmahl, an Ostern das Feuer in aller Frühe – große Gefühle kann das wecken.

Trotzdem: Es ist zu hoffen, dass diejenigen, die nun gegen das Gottesdienst-Verbot geklagt haben, vor Gericht scheitern. Denn es gibt viele gute Gründe gegen normale Gottesdienste an diesem nicht normalen Ostern 2020: Es kämen aller Voraussicht nach mehr Besucher als sonst, aus den genannten Gründen. Die sind in aller Regel eher älter, gehören nicht selten zu Risikogruppen. Alle Vernunft spricht dagegen, da ein auf auch körperlicher Nähe (Handschlag durch den Pfarrer, Abendmahl etc.) basierendes Ritual abzuhalten.


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Die Kläger sagen: Warum sind Getränkemärkte geöffnet, Kirchen aber nicht? Für sie sei auch der Gottesdienst „systemrelevant“. Zum einen: Ohne Lebensmittel lässt sich nicht überleben. Zum anderen: Glaubensgemeinschaften dürfen sich nicht über weltliche Vorschriften stellen. Das gilt in diesen Tagen auch für die Juden, die zeitgleich mit Ostern ihr Pessach-Fest feiern, und für Muslime, bei denen am 23. April der Fastenmonat Ramadan beginnt: keine größeren Versammlungen, keine herkömmlichen Gottesdienste.

Das für Gläubige wichtigste Argument gegen einen klassischen Gottesdienst in diesen Zeiten aber steckt im Glauben selbst: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“, soll Jesus gesagt haben. Christen glauben und leben das schon oft. Mit Internet- oder Rundfunk-Gottesdiensten zum Beispiel. Corona hat viele Gemeinden zu erfreulicher Kreativität gezwungen. Sie machen aus der Not eine Tugend. Die Kirche lernt, wie andere Institutionen auch, was digital alles geht; sie erfindet neue Möglichkeiten, Menschen aus der Ferne zu erreichen. Das zeigt: Glauben überwindet Grenzen – und steckt vielleicht sogar manchen an.

Aber bitte nicht mit einem Virus!

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