"Ultra Fast Fashion"

Zehn Euro Strafe pro Kauf: Deutsches Nachbarland will gegen Temu, Shein und Co. vorgehen

sde

22.3.2024, 09:50 Uhr
Shein bietet Kleidung zu extrem günstigen Preisen. Künftig könnten aber Strafgebühren die Kosten ausgleichen.

© imago images/Hans Lucas/Antoine Wdo, Shein bietet Kleidung zu extrem günstigen Preisen. Künftig könnten aber Strafgebühren die Kosten ausgleichen.

T-Shirts für 3,99 Euro, Schuhe für unter 15 Euro: Anbieter wie Shein, Temu oder Primark überschwemmen den Textilmarkt mit extrem günstiger Massenmode. Bei der sogenannten "Ultra Fast Fashion" verkaufen überwiegend Online-Plattformen Produkte mit minderer Qualität und extrem schnellen Produktionszyklen, welche oftmals aus klimaschädlichem Polyester bestehen, zu Hungerlöhnen produziert werden und mit Schadstoffen belastet sind. Dieses umweltschädliche Geschäftsmodell möchte Frankreich nun eindämmen und ausbremsen.

Das Land der Luxusmarken will als erste Nation mit einem Gesetz gegen das Umwelt- und Sozialdumping des Ultra-Fast-Fashion-Sektors vorgehen. Die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung haben vergangene Woche einstimmig einem Gesetz zugestimmt, welches als Nächstes dem Senat vorgelegt wird. Umweltminister Christophe Béchu erklärt, Frankreich werde damit "das erste Land, das die Exzesse der Ultra Fast Fashion bekämpft".

Im Schnitt 48 neue Kleidungsstücke im Jahr

"Die Textilindustrie gehört zu den größten Verschmutzern und ist für zehn Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich", konstatierte die Abgeordnete Anne-Cécile Violland von der konservativen Regierungspartei "Horizons" im Rahmen der Debatte vor der Nationalversammlung. Wenn nichts geschehe, steige dieser Anteil bis 2050 auf 26 Prozent.

Einem parlamentarischen Bericht zufolge werden in Frankreich jährlich 3,3 Milliarden Kleidungsstücke verkauft. Jeder Einwohner kauft demzufolge im Durchschnitt 48 neue Kleidungsstücke im Jahr. Mit dem Aufkommen von Fast Fashion steige auch der Konsum von Kleidung, heißt es von der Europäischen Umweltagentur. Jeder Europäer kauft im Schnitt knapp 26 Kilogramm Textilien pro Jahr und wirft etwa elf Kilogramm davon weg. Zwei Drittel der weggeworfenen Kleidung, die letztlich beispielsweise auf riesigen Müllbergen in Bangladesch landen, wären noch brauchbar.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und gegen umweltschädliche Billigmode vorzugehen, sieht das Gesetz mehrere Wege vor: Für Umweltsünder soll ein Werbeverbot gelten. Darüber berichtete unter anderem die "taz". Den betroffenen Online-Textilunternehmen wäre es – sofern das Gesetz in Kraft tritt – demnach untersagt, außerhalb ihrer eigenen Seite zu werben. Diese Regelung würde auch die Möglichkeiten der Anbieter, über Influencer-Kampagnen Kundschaft zu werben, eliminieren. Bislang genießen Temu, Shein oder Primark aufgrund aggressiver Marketing-Methoden eine hohe Sichtbarkeit und Präsenz für ihre preislichen Tiefstangebote im Internet, was den Zugang zu einer breiten Zielgruppe ermöglicht.

Zuschläge für Shein- und Temu-Kleidung

Den Kernpunkt des Gesetzes stellt allerdings eine Strafgebühr dar: Die Zuschläge sollen die niedrigen Preise ausgleichen und die Umwelt- sowie Sozialstandards berücksichtigen. Diese "Ökobuße", wie die "Bild"-Zeitung es formuliert, beläuft sich dem Boulevard-Blatt zufolge zunächst auf rund fünf Euro pro Kleidungsstück und soll ab dem Jahr 2030 auf zehn Euro ansteigen. Zugleich sollte die Gebühr, so hatte es die Regierung in der Debatte eingebracht, maximal 50 Prozent des Verkaufspreises betragen. Genaue Zahlen und Konditionen rund um die Strafkosten werden in den Ausführungsbestimmungen des Gesetzes stehen, sofern dieses in Kraft tritt.

Die Einnahmen sollen Angaben der "Wirtschaftswoche" zufolge an Unternehmen verteilt werden, welche defekte Kleidung reparieren, die Abfallwirtschaft finanzieren oder öffentliche Aufklärungskampagnen schalten. Zudem sieht das Gesetz vor, dass Konsumenten besser darüber informiert werden müssen, wie sich Dumpingpreise auf die Umwelt und auf Arbeitsbedingungen auswirken.

Konkret von dem Gesetz betroffen wären insbesondere die Ultra-Fast-Fashion-Anbieter Temu und Shein. Umweltorganisationen wie "Amis de la Terre" und "Stop Fast Fashion" fordern indes auch die Fast-Fashion-Plattformen Zara und H&M sowie Primark und Amazon ins Visier zu nehmen.

Kritik von Branchenkennern und Shein

Die Kritik am Gesetz, welches nicht nur in Frankreich polarisiert, bezieht sich nicht nur auf die betroffenen und nicht betroffenen Modeunternehmen. Deutsche Branchenkenner verurteilen den Vorstoß Frankreichs laut einem Bericht der "Wirtschaftswoche" als erneuten Alleingang. Das Gesetz widerspreche der EU-Binnenmarkt-Gesetzgebung und der Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation, so der Vorwurf.

Freilich verurteilt auch Shein, welches gemeinsam mit Temu besonders im Fokus des Gesetzes steht, speziell die geplante Strafgebühr: "Dieser Gesetzesentwurf wird lediglich die Kaufkraft der Franzosen verschlechtern, nachdem sie ohnehin schon von steigenden Lebenshaltungskosten betroffen sind", schreibt Shein in einem Statement.