"Zero Covid": Kann diese Strategie Deutschland aus der Corona-Krise befreien?
19.1.2021, 13:19 UhrAm Montag stellten Wissenschaftler den Ministerpräsidenten und dem Kanzleramt ihre Null-Fälle-Strategie vor. Das erklärte Ziel ist es, eine Sieben-Tage-Inzidenz von Null zu erreichen und diese zu halten.
"NO-COVID führt uns heraus aus den Zyklen der (Wieder)einführung und Aufhebung von Verboten und Grundrechtseinschränkungen", erklärt die Autoren-Gruppe bestehend aus renommierten Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen in ihrem Positionspapier.
Die Strategie soll den Bürgern ein gemeinsames Ziel und eine Perspektive aufzeigen. Dies verringere Unsicherheiten sowie den damit verbundenen psychischen und wirtschaftlichen Druck, der auf den Familien laste, so die Autoren. Der Plan basiert auf dem "Grüne-Zone-Modell", welches bereits in mehreren Ländern, darunter Australien, Neuseeland und Taiwan, erfolgreich angewendet wurde.
Corona-Gipfel mit Ministerpräsidenten und Kanzlerin
Am Dienstag beraten die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundeskanzlerin das weitere Vorgehen in der Corona-Krise. Im Raum stehen Verschärfungen der Maßnahmen. Eine Verlängerung des Lockdowns bis Mitte Februar gilt als sicher.
Die Autoren-Gruppe, bestehend aus führenden Wissenschaftlern der Medizin, Virologie, Soziologie, Jura, Physik, Wirtschafts- und Politikwissenschaft, hatte den Ministerpräsidenten und dem Kanzleramt im Vorfeld des Corona-Gipfels ihr Strategiepapier vorgestellt.
Proaktives Handeln statt nur Reagieren
Die Autoren fordern, proaktiv zu handeln, um die Pandemie unter Kontrolle zu bekommen, statt nur auf die Entwicklung der Pandemie zu reagieren. In ihrer No-Covid-Strategie wäre ein Lockdown darauf ausgerichtet, die Inzidenz-Zahlen möglichst schnell zu senken und würde erst dann aufgehoben werden, wenn dieses Ziel erreicht werde. "Die Dauer des Lockdowns [wird] nicht auf ein bestimmtes Datum terminiert, was willkürlich erscheint und frustrierende Verlängerungen nach sich zieht, sondern sie endet mit dem Erreichen der Ziele, also möglicherweise auch früher als geschätzt, wenn die Region erfolgreich agiert" erklären die Wissenschaftler.
Wie funktioniert das Grüne-Zonen-Konzept?
In einem ersten Schritt sollen die Inzidenzen mithilfe eines strikten Lockdowns schnell auf null gesenkt werden. Zonen, in denen dies erreicht wurde, sollen zu "Grünen Zonen" erklärt werden. Innerhalb dieser Zonen können die Menschen schrittweise zur Normalität zurückkehren. "Das Ziel für alle ist es, eine Grüne Zone zu bleiben und diese Grüne Zone sukzessive über Deutschland und Europa auszuweiten" schreiben die Autoren in ihrem Strategiepapier. Um dieses Ziel zu erreichen, soll es außerhalb der Grünen Zonen strikte Kontakt- und Mobilitätsbeschränkungen geben. Quarantäne-Regeln sowie effizient durchgeführte Teststrategien sollen das Vorgehen unterstützen.
Die Wissenschaftler beziehen sich auf Australiens Erfahrung mit der Strategie. "Wichtig für die Moral und den Zusammenhalt der Bürger in Australien war die Existenz eines klaren Wiederöffnungsplans. Sie konnten die Wirksamkeit ihrer eigenen Anstrengungen so in Zahlen und v.a. schließlich in Form von Lockerungen wahrnehmen."
Das Positionspapier beinhaltet auch einige konkrete Vorschläge. Beispielsweise solle "möglichst umfassend und flächendeckend auf Homeoffice gesetzt werden". Weiter fordert die Autoren-Gruppe, dass Hygiene- und Testkonzepte in Pflegeeinrichtungen verpflichtend umgesetzt und dies unangekündigt kontrolliert werden müsse. Beides sei aktuell nicht der Fall.
Mobilitäteinschränkungen im Schengen-Raum?
Eine essentielle Frage, die sich in der Europäischen Union in Bezug auf Mobilitätseinschränkungen stellt, ist, wie diese mit dem Prinzip der Freizügigkeit im Schengen-Raum vereinbar sind. "Für das Gelingen des Grüne Zonen-Konzepts ist ein Schließen der innereuropäischen Grenzen nicht zwingend notwendig" konstatieren die Wissenschaftler. Es müsse jedoch weiterhin europaweit für geringe Reiseaktivität appelliert werden. Die No-Covid-Strategie wäre als gemeinsame europäische Strategie effektiver und leichter umsetzbar, betont die Autoren-Gruppe. Die deutsche Politik müsse außerdem festlegen, wie im Fall einer Inzidenz von null mit europäischen Nachbarn mit weiterhin hoher Inzidenz umgegangen werden soll.
Aktuelle Maßnahmen seien nicht verhältnismäßig
Die aktuell angewendeten Maßnahmen seien nicht verhältnismäßig, da sie keine ausreichende Wirksamkeit zeigen. "Im Gegensatz dazu ermöglicht das NO-COVID-Konzept bei Einforderung zeitlich sehr begrenzter, aber erheblicher grundrechtlicher Einschränkungen einen zügigen Interessenausgleich zwischen allen betroffenen Grundrechten", heißt es im Positionspapier. Der Erfolg der Strategie erfordere jedoch die Unterstützung der gesamten Bevölkerung und aller gesellschaftlichen Akteure, so die Autoren.
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Nun heißt es abwarten, ob die Ministerpräsidenten die Vorschläge der Experten im Corona-Gipfel aufnehmen und umsetzen. Alle Entwicklungen erfahren sie auf nordbayern.de.
Das Strategiepapier wurde von Zeit Online veröffentlicht und kann hier nachgelesen werden.