Feuer auf der Zunge
Schärfe: Gut gewürztes Essen soll gesund sein - wenn man es nicht übertreibt
13.9.2023, 06:00 UhrVorsicht, scharf! Manche Gerichte haben es in sich. Spaghetti all'arrabbiata etwa, in deren Soße Chili steckt. Oder Sushi mit Wasabi, der Senföl enthält. Oder eine Hühnersuppe mit Ingwer, dessen Gingerole ordentlich auf der Zunge prickeln.
Wer diese Gerichte auf dem Teller hat und Schärfe nicht gewohnt ist, gerät bei den ersten Bissen vielleicht ins Stocken. Es brennt förmlich im Mund, manchmal sogar schmerzhaft. Aber warum überhaupt?
Milch statt Wasser
Für das feurige Gefühl in der Mundhöhle sorgen bestimmte Stoffe. "In Chilischoten ist Capsaicin der Scharfmacher", sagt Karolin Höhl, Diplom-Ökotrophologin von der Dr. Rainer Wild-Stiftung. In Pfeffer ist es Piperin, in Knoblauch Allicin. Der jeweilige Stoff aktiviert Rezeptoren im Mund, die eigentlich Hitze über 42 Grad erkennen. So entsteht das Gefühl von Hitze im Mund, auch wenn die Speise selbst kalt ist.
Wird es zu feurig im Mund, haben viele den Impuls, mit einem Glas Wasser zu löschen. "Das ist aber keine gute Idee", sagt Karolin Höhl. Besser ist es, als Ausgleich einen Schluck Milch zu trinken. Eine weitere Möglichkeit ist, etwas Joghurt oder Käse zu essen. Denn fett- und eiweißhaltige Nahrungsmittel lindern die Schärfe besser. Das liegt unter anderem daran, dass Capsaicin fettlöslich ist. Heißt: Ist Fett im Spiel, kann sich der Stoff nicht mehr so gut an die Rezeptoren binden – die Schärfe quält uns weniger.
In einem Fall schiebt man den Teller mit dem scharfen Essen aber besser direkt beiseite: "Sind starke Schmerzen die unmittelbare Folge von scharfem Essen, sollte man das als Alarmzeichen des Körpers sehen", rät der Internist Prof. Johannes Georg Wechsler, Präsident des Bundesverbands Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM).
Kleine Kinder sollten nicht scharf essen
Und: Wer einen empfindlichen Magen oder Darm hat, lässt am besten die Finger von besonders scharf gewürzten Speisen. Sie können die Magen- und Darmschleimhäute reizen. Die Folgen: Magenschmerzen oder Durchfall. Auch kleine Kinder sollten nicht scharf essen. Denn ihr Verdauungstrakt muss sich nach und nach an scharfe Speisen gewöhnen.
Doch scharfen Gerichten eilt auch der Ruf voraus, positiv auf den Körper zu wirken. "Scharfes Essen regt die Durchblutung und den Herzschlag an, die Gefäße erweitern sich", sagt Karolin Höhl.
Es heißt zudem, dass scharfes Essen im geringen Umfang Endorphine, also Glückshormone freisetzt, was uns entspannter machen soll. "Wissenschaftlich erwiesen ist das alles allerdings nicht", sagt Johannes Georg Wechsler. Gleiches gilt ihm zufolge etwa für die Aussage, scharfes Essen könne das Leben verlängern.
Ähnlich sieht es bei einer Reihe weiterer positiver Wirkungen aus, die Capsaicin zugeschrieben werden. Es soll angeblich den Energieverbrauch und die Fettverbrennung steigern, den Appetit etwa im Zuge einer Diät mindern, für eine gesunde Darmflora sorgen und bei der Regulierung des Blutzuckerspiegels hilfreich sein. "Ob dem wirklich so ist, ist auch hier nicht zweifelsfrei erwiesen, die Studienlage ist uneindeutig", sagt Karolin Höhl. Hinzu komme, dass in einigen Studien sehr hohe Dosen Capsaicin in Pillenform verabreicht wurden. Diese Mengen lassen sich kaum über den Speiseplan im Alltag erreichen.
Was allerdings für scharfe Stoffe wie etwa Capsaicin in Chilischoten spricht: Sie wirken antibakteriell. Doch auch wenn das sicher ist, ist für die Wissenschaft noch unklar, welcher Vorteil genau sich daraus für den Konsumenten ergibt.
Bei der Frage, wie Schärfe auf Körper und Gesundheit einwirkt, kommt es aber vor allem auf eines an: die Dosis. Der Logik "Viel hilft viel" folgt man bei scharfem Essen besser nicht. "Schärfe in niedriger Dosis führt meist zu keinerlei Problemen", sagt Johannes Georg Wechsler. Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sind bis zu fünf Milligramm Capsaicin pro Kilogramm Körpergewicht pro Mahlzeit unproblematisch. Liegt die Konzentration höher, kann das zu Übelkeit und Erbrechen, im Extremfall sogar zu Vergiftungserscheinungen führen.
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