Beziehungen

Co-Abhängigkeit in Beziehungen: Was bedeutet das?

Simone Madre

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13.10.2022, 08:30 Uhr
Die Angehörigen von Suchtkranken verfallen oftmals in eine Co-Abhängigkeit, sodass sie die Sucht eines geliebten Menschen unbewusst unterstützen.

© Takmeomeo, Pixabay, LizenzCC Die Angehörigen von Suchtkranken verfallen oftmals in eine Co-Abhängigkeit, sodass sie die Sucht eines geliebten Menschen unbewusst unterstützen.

Co-Abhängigkeit in einer Beziehung kann große Gefahren bergen. Was es mit dem Phänomen auf sich hat und wie man sich daraus lösen kann, gibt es im folgenden Artikel.

Was bedeutet Co-Abhängigkeit?

Als co-abhängig werden Menschen bezeichnet, die eine Beziehung mit einem suchtkranken Angehörigen führen und dessen Sucht bewusst oder unbewusst fördern. Diese Co-Abhängigkeit bedeutet, dass Angehörige oder Partner in das Leid des Süchtigen einbezogen werden und abhängig von dessen Hilfebedürftigkeit sind.

Allerdings findet man den Begriff der Co-Abhängigkeit auch in Beziehungen ohne Süchtigen. Dabei wird der Begriff aber nicht immer gleich definiert - denn eine offizielle Definition gibt es in der Psychologie nicht. In jedem Fall geht es darum, unausgeglichene Beziehungen zu beschreiben.

Laut der amerikanischen Professorin Sandra C. Anderson gibt es in einer co-abhängigen Beziehung einen Partner, der dem anderen dabei hilft, ein negatives Verhaltensmuster aufrechtzuerhalten. Das könne sowohl eine Sucht, ein psychisches Problem, Verantwortungslosigkeit oder unreifes Verhalten sein.

Die Familientherapeutin Darnele Lancer sieht Co-Abhängigkeit als angelerntes Verhalten, bei man Schwierigkeiten hat, sich selbst zu akzeptieren, und daher mit allen Mitteln nach der Akzeptanz eines anderen sucht. Deshalb ist das Denken und Handeln darauf ausgerichtet, einer anderen Person zu gefallen und ihre Bedürfnisse zu stillen. Eigene Bedürfnisse werden dabei zurückgesetzt.

Co-Abhängigkeit bei Suchtkranken

Die Angehörigen von Suchtkranken verfallen oftmals in eine Co-Abhängigkeit, sodass sie die Sucht eines geliebten Menschen unbewusst unterstützen. Suchtkranke kommen alleine nicht mehr zurecht, sodass sie Angehörige manipulieren, um der Sucht weiter nachgehen zu können. Auf Dauer dreht sich alles nur noch um die suchtkranke Person, während die Bedürfnisse des Partners vollkommen vernachlässigt werden. Oftmals kann die Co-Abhängigkeit erst dann gelöst werden, wenn die Person begreift, dass sie dem Suchtkranken oder der Suchtkranken so nicht helfen kann.

Beispiel 1: Ein Mann händigt seiner Partnerin Geld für Drogen oder Alkohol aus, holt sie von der Kneipe ab, schützt sie vor anderen und meldet sie bei der Arbeit krank.

Beispiel 2: Eine Frau lebt mit einem depressiven Partner zusammen. Sie redet nie über sich selbst, sondern nur über ihn. Ihre Lebensgestaltung richtet sich ausschließlich um ihren Partner. Vor anderen Leuten nimmt sie ihn in Schutz, zudem hat sie starke Schuld- und Schamgefühle.

Co-Abhängigkeit in der Beziehung

Einige Menschen sind süchtig nach Beziehungen oder nach Liebe. Diese Sehnsucht resultiert oftmals aus einem niedrigen Selbstwertgefühl und der Schwierigkeit, sich selbst zu akzeptieren. Wenn eine Co-Abhängigkeit in einer Partnerschaft besteht, kann die betroffene Person sich nicht vorstellen, ohne ihren Partner oder ihre Partnerin zu leben und möchte die Beziehung unter keinen Umständen verlieren. Der Co-Abhängige in der Beziehung ist derjenige, der Bestätigung sucht und den Partner kontrollieren möchte. Co-Abhängige befassen sich fast ausschließlich mit den Gedanken und Taten des Partners. Das Ungleichgewicht in der Beziehung sorgt dafür, dass sich die Betroffenen selbst hinten anstellen. Der Betroffene übernimmt für alles die Verantwortung und auch die "Schuld", wenn in der Beziehung etwas schiefgeht.

Wie entsteht eine Co-Abhängigkeit in der Beziehung?

Eine gewisse emotionale Abhängigkeit in der Beziehung ist vollkommen normal. Wenn daraus allerdings eine krankhafte Co-Abhängigkeit resultiert, sollten die Alarmglocken schellen. Die Ursachen für eine Co-Abhängigkeit können vielfältig sein. In einigen Fällen haben Betroffene nie gelernt, sich selbst zu lieben. Möglicherweise wurden sie nur dann geliebt, wenn sie die Bedürfnisse von anderen Menschen erfüllt haben. Die ursächlichen Situationen können sowohl aus der Kindheit als auch aus Beziehungen im jungen Erwachsenenalter resultieren und die zukünftigen Verhaltensmuster prägen.

Wann wird die Co-Abhängigkeit in einer Beziehung gefährlich?

Wenn die Partner die Hörigkeit der co-abhängigen Person ausnutzen, kann es gefährlich werden. Vor allem bei gewalttätigen oder narzisstischen Personen sowie Menschen mit einer Borderline-Erkrankung ist diese Gefahr groß. In einigen Missbrauchsbeziehungen finden Co-Abhängige nicht die Kraft, sich aus der Beziehung zu lösen. Diese Belastung wirkt sich auf die co-abhängige Person aus und kann psychosomatische Beschwerden, Angststörungen oder Panikattacken verursachen.

Welche Anzeichen gibt es für eine Co-Abhängigkeit in der Beziehung?

An diesen 15 Anzeichen merkt man, dass man sich in einer Co-Abhängigkeit befindet:

  1. Extreme Angst vor dem Verlassenwerden
  2. Das Gefühl, nicht ohne den Partner leben zu können
  3. Alles dreht sich um den Partner und wird ihm recht gemacht
  4. Streitigkeiten werden vermieden
  5. Eigene Bedürfnisse werden zurückgestellt
  6. Keine eigenen Hobbys oder Interessen
  7. Starke Eifersucht
  8. Ängste, Niedergeschlagenheit und Panikattacken seit der Beziehung
  9. Freunde und Familie machen sich Sorgen, dass man nur noch Zeit mit dem Partner verbringt und sich isoliert
  10. Ständiges Bedürfnis nach Bestätigung vom Partner
  11. Der Versuch, immer zuhause zu sein, wenn der Partner nach Hause kommt
  12. Ohne den Partner fühlt man sich unwichtig, unsicher und wertlos
  13. Das Gefühl, mehr Liebe zu empfinden als der Partner
  14. Alle Aufgaben des Partners werden übernommen
  15. Man fühlt sich in der Partnerschaft gefangen

Wie kann man sich aus einer Co-Abhängigkeit in der Beziehung lösen?

Abhängigkeit in der Beziehung - sich daraus zu lösen, ist gar nicht so einfach. Menschen, die sich in einer Co-Abhängigkeit befinden, müssen sich Folgendes bewusst machen:

  • Sie sind auch dann liebenswert, wenn sie sich nicht vollkommen zurücknehmen
  • Glück und Liebe kann man auch erfahren, ohne sich an einschränkende Bedingungen zu knüpfen
  • Jeder Mensch sollte in seiner Beziehung eigene Fehler, Makel und Charakterzüge haben dürfen
  • Niemand sollte sich in seiner Beziehung verstellen, um dem Partner zu gefallen
  • Es ist nicht die Aufgabe des einen Partners, den anderen zu retten
  • Man muss nicht in einer Abhängigkeit leben, um sich von jemandem gebraucht und geliebt zu fühlen
  • Niemand sollte sich ausnutzen lassen
  • Übergriffe sollten niemals toleriert werden

    Co-Abhängigkeit verlassen: Fünf Schritte

    1) Erkenntnis

    Der erste große Schritt ist die eigene Erkenntnis über die Co-Abhängigkeit. Darauf kann man stolz sein, denn Erkenntnis ist stets der Weg zur Heilung. Wer sich eingesteht, süchtig nach Anerkennung und Akzeptanz in einer Beziehung zu sein, benötigt eine Menge Mut.

    2) Gespräche

    Der Austausch mit der Familie oder Freunden kann sehr hilfreich sein. Daher sollten sich Betroffene nicht von Freunden oder der Familie isolieren, sondern sich Unterstützung suchen. Gespräche mit Ärzten, Therapeuten oder Sozialarbeitern können ebenfalls maßgeblich zur Heilung beitragen. Hauptsache, es gibt jemanden, mit dem man reden und bei dem man sich öffnen kann. So kann man sich aus der Opferrolle befreien.

    3) Reflektion der eigenen Verhaltensmuster

    Um die Co-Abhängigkeit aufzulösen, sollte man sich zunächst selbst im Alltag beobachten und das eigene Verhalten reflektieren. Was tut man selbst für den Partner und andersherum? Nach und nach sollte man sich selbst priorisieren und lernen, die eigenen Bedürfnisse besser wahrzunehmen. Mit neuem Selbstbewusstsein und einem gesteigerten Selbstwertgefühl kommt auch die Lebensfreude wieder zurück.

    4) Trennung

    Wenn die Beziehung mehr negative als positive Seiten beinhaltet, Missbrauch oder Ausnutzen vorliegt oder man sich selbst in eine Opferrolle begibt, sollte man sich von seinem Partner trennen. Dies gilt erst recht, wenn sich die eigene psychische Gesundheit seit Beginn der Beziehung maßgeblich verschlechtert hat.

    5) Aufarbeitung

    Der letzte Schritt ist die Aufarbeitung der Beziehung und damit einhergehenden (teilweise auch traumatischen) Erfahrungen. Wenn die Abhängigkeitsbeziehung beendet wurde, sollte man sich fragen, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Woran liegt es, dass man selbst in eine Co-Abhängigkeit verfallen ist? Mit einer Therapie kann die Beziehungssucht beleuchtet werden. Der Weg ist nicht einfach. Allerdings lernt man auf dem Weg viel über sich selbst, das eigene Verhalten und wie man sich selbst wieder lieben kann. Dabei können auch Bücher Hilfe geben, wie zum Beispiel das Buch von Sigmund Ambrosius "Co-Abhängigkeit in Beziehungen – Selbsthilfe für Betroffene".

    Wenn der Partner körperlich, emotional oder psychisch gewalttätig wird, sollte unbedingt Schutz und Hilfe gesucht werden. Auch eigene Schuldzuweisungen sind hier fehl am Platz. Schuld und Verantwortung liegen nie beim Opfer, das körperlich, emotional oder physisch verletzt wird, sondern immer beim Täter.

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