Beziehung

Streit in der Beziehung: Droht die Trennung?

Simone Madre

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17.11.2022, 08:24 Uhr
In unserem Beitrag erfahren Sie, wie Sie die verschiedene Streittypen identifizieren.

© IMAGO / YAY Images In unserem Beitrag erfahren Sie, wie Sie die verschiedene Streittypen identifizieren.

In diesem Artikel:

Einige Pärchen streiten sich darüber, was sie essen oder im Supermarkt kaufen wollen. Andere Paare werfen sich gegenseitig Schimpfwörter an den Kopf oder reden tagelang nicht miteinander. Die Formen, Konflikte auszutragen, sind so vielfältig wie die Beziehungen. Aber ist Streiten in einer Beziehung normal und wann wird Streit zum Trennungsgrund?

Ein Streit ist grundsätzlich die hitzige Austragung von Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei oder mehreren Personen. Es wird also emotional, der Streit muss aber nicht zwangsläufig feindselig sein. Ein Streit unterscheidet sich auch von einem Konflikt: Nach einem Streit ist das Thema bestenfalls erledigt. Von einem Konflikt spricht man, wenn ein Problem immer wieder kehrt und sich augenscheinlich nicht lösen lässt.

In Streitsituationen zeigen sich Menschen oftmals von ihrer schlechtesten Seite. Manchmal schreien sie sich an, beleidigen sich oder holen längst ausgetragene Konflikte wieder hervor.

Aber ist Streit immer negativ? Nein, Streit kann auch positiv sein und konstruktiv ausgetragen werden. Wenn sich zwei Menschen streiten, bedeutet dies, dass es ihnen um etwas geht, das ihnen besonders wichtig ist. Streit ist eine wesentliche Form des Kontakts und der Kommunikation zwischen Beziehungspartnern. Sinn des Streits ist die Bewältigung von Unterschieden, sodass sich jeder Streit auch (theoretisch) durch eine gemeinsame Lösungsfindung überwinden lässt.

Streit in der Beziehung ist etwas ganz Normales. Selbst bei den glücklichsten Paaren fliegen ab und zu die Fetzen. Auseinandersetzungen in emotionalen Beziehungen sind daher unvermeidlich. Indem man streitet, beweist man sich gegenseitig zugleich Vertrauen. Außerdem zeigt man dem Partner, dass man sich verzeihen und auch wieder versöhnen kann. Somit ist Streit auch in einer liebevollen Partnerschaft kein Grund zur Sorge.

Wenn nur noch Streit in der Beziehung herrscht, kann dies aber auch ein Hinweis darauf sein, dass in der Beziehung etwas Grundlegendes nicht stimmt. Sobald Beziehungen toxisch werden, sich Menschen emotional oder körperlich verletzen und sehr stark unter Streitigkeiten leiden, kann man nicht mehr von einer gesunden Beziehung sprechen.

Auch Kritik unter der Gürtellinie, Verachtung und Gegenangriffe machen es schwer, einen gesunden Streit auszutragen, um eine langfristige Beziehung zu führen. In einigen Beziehungen kommt es sogar vor, dass einer der Partner im Streit die Beziehung beendet.

Welche Gründe gibt es für Streitereien in der Beziehung? Unangefochten ist einer der größten "Streitfaktoren” weiterhin der Haushalt. Insbesondere in der Corona-Pandemie wurde die Aufgabenverteilung bei vielen Pärchen durcheinandergeworfen. Gestritten wird aber nicht nur über die Aufgabenverteilung, sondern auch über verschiedene Auffassungen von Sauberkeit und Ordnung.

Weitere Streitgründe sind:

  • Freizeitgestaltung
  • Gemeinsame Zeit
  • Geldfragen
  • Kindererziehung
  • Zeit am Handy
  • Eifersucht
  • Sex- und Liebesleben
  • Schwiegereltern und andere Familienmitglieder

In einigen Fällen gibt es aber auch keinen speziellen Auslöser oder Grund für einen Streit – ursächlich ist dann einfach die schlechte Laune. In der Regel lassen sich diese Themen schnell lösen, sobald Betroffene angemessen und konstruktiv miteinander streiten.

Problematisch wird es, wenn ein Paar über tiefgreifende Themen streitet wie beispielsweise:

  • Aktuelle Lebenssituation
  • Zukünftige Lebensvorstellungen (zum Beispiel Heirat oder Kinder)
  • Charaktereigenschaften des Partners
  • Gewohnheiten des Partners
  • Dinge aus der Vergangenheit, die sich nicht rückgängig machen lassen

Laut dem Psychologen Philipp Yorck Herzberg gibt es drei verschiedene Streittypen:

Der dominant-aggressive Streittyp:

Dieser Typ versucht seinen Willen durchzusetzen, schreckt nicht vor Beleidigungen zurück und nutzt die wunden Punkte seines Partners/seiner Partnerin aus, um den anderen zu provozieren.

Der nachgebende Streittyp:

Der nachgebende Streittyp lenkt schnell ein und gibt Fehler zu, auch wenn der andere Partner Fehler begangen hat. Diese Form von Streit ist zwar für den Partner angenehm, oftmals bleibt jedoch Frustration zurück und staut sich über die Zeit an. Dann kann es später zu einem heftigen Streit kommen.

Menschen, die im Streit rasch nachgeben, leiden oftmals unter einem niedrigen Selbstwertgefühl. Ihr Rückzug ist eine Art Selbstschutz und resultiert aus der eigenen Unsicherheit.

Der kompromissbereite Streittyp:

Der kompromissbereite Streittyp sucht vor allem nach einer gemeinsamen Lösung. Oftmals sind kompromissbereite Paare langfristig besonders glücklich in der Beziehung. Die Betroffenen beleidigen sich nicht, sondern versuchen sich auch beim Streiten mit Respekt zu behandeln. Beide Partner suchen gemeinsam nach einer Lösung und entschuldigen sich, wenn es nötig ist. Dabei kommt es nicht darauf an, wie laut oder wie oft sie streiten – entscheidend ist die Art und Weise.

Leider gehören nur wenige Paare zum kompromissbereiten Typ. Aber auch richtiges Streiten lässt sich erlernen.

Der Streittrainer Karlheinz Moosig beschreibt in seinem Buch "Streiten, aber fair" vier destruktive Streittypen - und damit Verhaltensmuster, die man vermeiden sollte:

  • Mit dem Anpasser kann man eigentlich gar nicht streiten. Er will Harmonie und macht es lieber den anderen recht, als es zu einem Streit kommen zu lassen. Äußerlich freundlich und zuvorkommend, ist er innerlich ängstlich oder verärgert über den Streit. Der Anpasser ärgert sich eventuell im Stillen darüber, dass es zu keiner zufriedenstellenden Konfliktlösung kam, und zahlt es dem anderen heimlich heim. Seine Stärke: Er kann gut zuhören und ist kompromissbereit.
  • Mit dem Motzer gerät man leicht in einen Streit, und er hat immer etwas zu sagen. Meist kann er sogar stundenlang motzen. Dafür tut er sich schwer mit dem Zuhören - und damit, die andere Seite zu sehen. Statt sich für eine Aussage zu entschuldigen, streitet er sie lieber ab oder sagt, man habe ihn falsch verstanden. Seine Stärke: Er spricht Probleme offen an und bleibt an ihnen dran.
  • Der Nichtstuer gibt sich ruhig und gelassen und findet Streit unnötig - er will auf der sachlichen Ebene bleiben. Allerdings hat er Schwierigkeiten damit, die eigenen Gefühle wahrzunehmen. Intensive Gefühle unterdrückt er meist. Dadurch hat er auch Probleme damit, die Gefühle anderer zu berücksichtigen, und wirkt oft kalt. Seine Stärke: Er ist gut in der sachlichen Problemanalyse.
  • Der Verletzer kennt beim Streit keine Schuldgefühle und keine Scham. Fühlt er Angst oder Wut, wird er seinem Umfeld gegenüber aggressiv und will andere verletzen - seelisch oder körperlich. Sein Ziel ist es zu gewinnen. Im Alltag können Verletzer freundlich sein, bei Spannungen schalten sie aber in den Angriffsmodus. Ihre Stärke: Sie können sich gut durchsetzen.

Wer ständig Streit in der Beziehung hat, fragt sich "Wie soll ich mich beim Streiten am besten verhalten?" Im Folgenden gibt es die besten Tipps, um sich auch während eines Streits richtig zu verhalten beziehungsweise gesund zu streiten – denn dann steht der Streit einer glücklichen Beziehung nicht mehr im Weg:

1) Sachlich kritisieren

Aussagen wie "Wie sieht denn die Küche schon wieder aus?" oder "Nie machst du das, was du sagst" sind nicht sachlich. Vorwürfe, Unterstellungen und Generalisierungen sind in einem konstruktiven Gespräch fehl am Platz. Sachliche Kritik bezieht sich immer auf ein konkretes, aktuelles Verhalten. Zudem sollten nicht nur das konkrete Verhalten kritisiert, sondern auch die eigene Wahrnehmung und die Folgen beschrieben werden. Gleichzeitig sollten niemals vergangene Probleme oder Auseinandersetzungen im Streit thematisiert werden.

2) Keine "Du-Botschaften", sondern "Ich-Botschaften"

Anstelle von "Du" sollte man in Streitsituationen lieber die eigene Sichtweise benutzen und dem Gegenüber den eigenen Standpunkt erklären. "Du-Botschaften" können schnell verletzen und dazu führen, dass der Gegenüber "dicht macht". Mit dem Satzanfang "Ich fühle mich" oder "Ich habe das Gefühl, dass" fühlt sich der Partner nicht direkt angegriffen, kann die Gefühlslage besser verstehen und dementsprechend verständnisvoller reagieren.

3) Kritik annehmen

Die Schuld dem anderen zuzuweisen oder Fehler zu leugnen, ist bei einem gesunden Streit fehl am Platz. Partner auf Augenhöhe sollten lernen, Kritik anzunehmen. Damit signalisiert man dem Partner Verständnis. Ziel ist es, einen Konflikt zu lösen und bestenfalls einen Kompromiss zu finden.

4) Respekt

Gegenseitiger Respekt ist die wichtigste Voraussetzung für einen gesunden Streit und die Basis einer glücklichen Beziehung. Somit sind Beleidigungen und Spott tabu. Auch wenn die Emotionen mal wieder hoch kochen und man am liebsten die Tür zuschmeißen würde, ist dies verboten. Respekt sollte auch im Streit immer oberstes Gebot sein.

5) Ausreden lassen

In einem Streit sollten beide Beziehungspartner zu Wort kommen. Daher sollte man unbedingt darauf achten, dem anderen ausreichend Gesprächszeit zuzugestehen.

6) Situation berücksichtigen

Nicht jede Situation eignet sich zum Streiten. In der Öffentlichkeit, vor Freunden oder den eigenen Kindern sollten Auseinandersetzungen nicht ausgetragen werden. Wenn es unter ungünstigen Umständen zu einem Konflikt kommt, sollten sich die Partner darauf einigen, später darüber zu reden.

7) Aktives Zuhören

Wenn sich der Partner nicht streiten will, weil er es allen recht machen will, sollte man ihm möglichst viel Sicherheit und Ermutigung geben und gezielt seine Meinung erfragen, bevor man seine eigene Position auf den Tisch legt. Hat er stattdessen Probleme, auf emotionaler Ebene zu streiten, sollte man, falls möglich, laute und emotionale Ausbrüche vermeiden. Hilfreich ist es hier, Probleme frühzeitig anzusprechen oder sich selbst Zeit zum Abkühlen zu geben, wenn die Emotionen hoch kochen. Anschließend kann man seine Emotionen im besten Fall sachlich kommunizieren ("Ich war sehr aufgebracht, als.."). Ewigen Motzern hilft es, wenn sie sich gehört wissen. Gleichzeitig sollte man das Gespräch aber auch auf die konkreten Probleme, Gefühle und Verbesserungsideen lenken. Hält man das Verhalten seines Partners beim Streiten nicht aus, muss man sehr klare Grenzen setzen und diese auch einhalten.

8) Gemeinsames Ziel im Auge behalten

Ein Streit in einer Partnerschaft heißt nicht, dass wir beide gegeneinander kämpfen, sondern dass wir beide gegen das Problem kämpfen und es lösen wollen.

Nach einem Streit sind Menschen oftmals verletzt. Folgende Verhaltensweisen können nach einem Streit auftreten:

  • Vermeidung (aus dem Weg gehen, nicht mehr darüber sprechen oder kompletter Rückzug)
  • Aktive Wiedergutmachung (um Entschuldigung / Vergebung bitten, Kompromisse finden oder Zärtlichkeiten austauschen)
  • Loslassen (akzeptieren, dass es unterschiedliche Meinungen gibt)
  • Neue Perspektive einnehmen (bewusst in die Lage des Partners hineinversetzen)

Die wohl erfolgreichste Strategie, Konflikte in Beziehungen zu lösen, ist die aktive Wiedergutmachung. Dahingegen ist die Methode der "Vermeidung" besonders destruktiv. Man muss aber auch verstehen, wenn der Partner direkt nach dem Streit keine Zärtlichkeiten will. Auch hier hilft der Austausch: Wie kann man es denn wieder gut machen und was braucht der Partner gerade?

Weitere hilfreiche Informationen und Tipps zum Thema "Streit in einer Beziehung" können Bücher, wie etwa "Die 7 Techniken der Konfliktlösung" von Gerard Shaw oder "No More Drama in deinen Beziehungen" von Steffen Raebricht anbieten.

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