Erwerb von Todes wegen

Steuerklassen und Freibeträge: Wie wird das Erbe versteuert?

Elias Thiel

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Simone Madre

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30.8.2024, 07:19 Uhr
Wenn man erbt, fallen oftmals auch Steuern an.

© IMAGO/Zoonar Wenn man erbt, fallen oftmals auch Steuern an.

In diesem Artikel:

Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung werden jährlich bis zu 400 Milliarden Euro verschenkt oder vererbt. Obwohl der Staat grundsätzlich Erbschaftssteuern erhebt, betrugen die Einnahmen aus Erbschafts- und Schenkungssteuern im Jahr 2021 nur etwa 10 Milliarden Euro. Diese Einnahmen fließen ausschließlich in die Kassen der Bundesländer.

Aber wie sieht die Erbschaftssteuer für Kinder, Ehegatten oder Enkel aus? Wann fällt diese an? Was gilt es bei der Erbschaftssteuer für Geschwister und deren Kinder zu beachten? Und vor allem: Kann man die Erbschaftssteuer vermeiden?

In diesem Artikel gibt es alle Antworten und die besten Tipps. Denn frühzeitige Informationen sind gerade beim Thema Erbschaftssteuer entscheidend.

Der Begriff Erbe hat zwei Bedeutungen: Es gibt das Erbe, das jemand von einer Person (man spricht auch vom Erblasser) als Nachlass erhält. Der Erbe steht für die Person, die die Erbschaft erwartet oder bereits erhalten hat. Aber auch Vereine, Stiftungen und Organisationen können erben.

Vererbt werden kann nicht nur Geld, sondern auch Aktien, Immobilien, Hausrat und andere Besitztümer sowie Wohn- und Nutzungsrechte können Teil eines Erbes sein.

Eine Besonderheit besteht darin, dass ein ungeborenes Kind bereits ab der Zeugung Erbe werden kann, auch wenn es zur Zeit des Erbfalls noch nicht geboren war. Wenn ein solches Kind vom Erblasser im Testament übersehen wurde, kann es durch den gesetzlichen Vertreter die Anfechtung dieses Testaments beantragen. Dieser zugegebenermaßen seltene Fall zeigt bereits, dass es im Erbrecht viele Tücken gibt.

Einkommen werden vom Staat besteuert - und darunter zählt auch das Erbe. Es gibt aber verschiedene Freibeträge, die dafür sorgen können, dass das Erbe steuerfrei bleibt.

Die Höhe der Freibeträge hängt vom Verwandtschaftsgrad der verstorbenen Person ab. Besteuert wird nur der Betrag, der über diesen Freibeträgen liegt.

Wie hoch ist die Erbschaftssteuer?

Auch bei Erbschaften spielen Steuerklassen eine Rolle, von denen es hier drei Arten gibt.

Achtung: Diese haben keine Verbindung zu den Steuerklassen der Einkommensteuer.

Die entsprechenden Freibeträge und Steuerklassen sind im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) geregelt. Wichtig sind die Paragrafen 15 und 16.

Nun stellt sich die Frage: Wie kann man die Erbschaftssteuer berechnen? Um zuallererst den Freibetrag zu ermitteln, muss man prüfen, in welchem Verhältnis man zum Erblasser steht. In Verbindung damit gibt es auch verschiedene Steuerklassen.

Der höchste Freibetrag gilt für die Steuerklasse I. Dazu gehören die engsten Familienmitglieder:

  • Ehepartner beziehungsweise eingetragene Lebenspartner
  • Eltern und Großeltern
  • Kinder und Stiefkinder
  • Enkelkinder

Zur Steuerklasse II zählen bestimmte andere Familienmitglieder:

  • Geschwister
  • Nichten und Neffen
  • Stiefeltern und Schwiegerkinder
  • Geschiedene Ehegatten

Ein vergleichsweise niedriger Freibetrag gilt für die Steuerklasse III und umfasst alle übrigen Erben, beispielsweise Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins sowie Erben, die nicht mit dem oder der Verstorbenen verwandt sind.

Welche Erbschaftssteuer-Freibeträge gibt es?

Grundsätzlich gilt: Je enger eine Person mit dem Erblasser verwandt ist, desto höher sind auch die Freibeträge.

Der jeweilige Erbschaftssteuer-Freibetrag ist der folgenden Tabelle zu entnehmen.

Freibeträge und Steuerklasse

Verwandtschaftsgrad Freibetrag Steuerklasse
Ehegatten und eingetragene Lebenspartner 500.000 € I
Kinder und Stiefkinder 400.000 € I
Enkel mit bereits verstorbenen Eltern 400.000 € I
Enkel, deren Eltern noch leben 200.000 € I
Eltern, Großeltern und Urenkel 100.000 € I
Geschwister und deren Kinder 20.000 € II
Stiefeltern, Schwiegereltern und -kinder 20.000 € II
Getrennte Lebenspartner und geschiedene Ehegatten 20.000 € II
Alle anderen Erben 20.000 € III

Zur Steuerklasse I zählen Ehegatten, Lebenspartner und Verwandte in direkter Linie mit verschiedenen Freibeträgen zwischen 100.000 und 500.000 Euro.

Alle anderen Erben, unabhängig von der Verwandtschaft, haben einen Freibetrag von 20.000 Euro und werden entweder der Steuerklasse II oder III zugeordnet. Die Steuerklasse bringt Unterschiede beim Steuersatz mit sich.

Eine Besonderheit ergibt sich bei Neffen und Nichten. Sind sie blutsverwandt, gilt Steuerklasse II, bei angeheirateten Nichten und Neffen greift hingegen Steuerklasse III. Erben Onkel, Tanten, Cousins oder Cousinen, werden diese immer der Steuerklasse III zugeordnet.

Wenn der Wert der Erbschaft unter dem jeweiligen persönlichen Freibetrag liegt, muss man dementsprechend keine Erbschaftssteuer zahlen.

Weitere Freibeträge

Liegt das Erbe jedoch darüber, kann das Erbe trotzdem steuerfrei bleiben. Denn es gibt noch weitere Freibeträge, die im Folgenden vorgestellt werden:

Grundsätzlich gibt es noch vier weitere Pauschalen bei der Ermittlung der Höhe der Erbschaftssteuer, die allerdings nicht in allen Fällen angewendet werden.

1) Versorgungsfreibetrag

Der "besondere Versorgungsfreibetrag" gemäß § 17 ErbStG gilt nur für bestimmte Personengruppen (zum Beispiel überlebende Ehepartner und eingetragene Lebenspartner, Kinder, Stiefkinder und Enkelkinder, deren Eltern bereits verstorben sind).

Ehegatten und Lebenspartner haben einen Freibetrag von 256.000 Euro. Bei den Kindern variiert der Freibetrag abhängig vom Alter:

  • Kinder bis 5 Jahre: 52.000 €
  • Kinder von 6 bis 10 Jahre: 41.000 €
  • Kinder von 11 bis 15 Jahre: 30.700 €
  • Kinder von 16 bis 20 Jahre: 20.500 €
  • Kinder von 21 bis 27 Jahre: 10.300 €

Vorsicht: Der Freibetrag kann nur dann vollständig in Anspruch genommen werden, wenn man als Erbe keine zusätzlichen steuerfreien Versorgungsbezüge hat (zum Beispiel Witwer-, Witwen- oder Waisenrente). Wenn dies der Fall ist, muss man den jeweiligen Kapitalwert der Rente vom Freibetrag abziehen.

2) Pflegefreibetrag

Den Pflegefreibetrag kann man in einer Höhe von bis zu 20.000 Euro nur dann beantragen, wenn man als Erbe der verstorbenen Person vor ihrem Tod unentgeltlich (oder gegen unzureichendes Entgelt) Pflege oder Unterhalt gewährt hat. Gleichzeitig muss die Zuwendung als angemessenes Entgelt angesehen werden (§ 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG). Den Pflegefreibetrag können neben hinterbliebenen Ehegatten und Lebenspartner auch Kinder beantragen.

Allerdings müssen die Unterstützungsleistungen gut dokumentiert sein. Der Aufwand kann sich lohnen, da man dadurch bis zu 20.000 Euro zusätzlichen Freibetrag erhalten und somit mehrere tausend Euro an Erbschaftsteuer sparen kann. Liegt man jedoch bereits unter dem persönlichen Freibetrag von beispielsweise 500.000 Euro als Ehepartner, kann man sich diesen Aufwand sparen. Denn das Erbe ist ja bereits steuerfrei.

3) Nachlassverbindlichkeiten

Beim Tod einer Person entstehen den Hinterbliebenen verschiedene Kosten, die als Nachlassverbindlichkeiten gelten. Dazu gehören Ausgaben für die Beerdigung, zum Beispiel für den Grabstein, die zukünftige Grabpflege oder Gebühren für die Testamentseröffnung und den Erbschein. Man kann diese Kosten erfassen und geltend machen. Das Finanzamt erkennt jedoch auch pauschal 10.300 Euro an, ohne dass man Nachweise erbringen muss (§ 10 ErbStG).

4) Steuerbefreiungen

Gemäß § 13 ErbStG gibt es noch weitere Steuerbefreiungen. In diesem Kontext wird auch von "sachlichen Steuerbefreiungen" gesprochen. Die beiden wichtigsten Steuerbefreiungen sind der Hausrat und das Familienheim.

Hausrat

Für Erben der Steuerklasse I sind bis zu 41.000 Euro für den Hausrat wie beispielsweise Möbel, Bücher, Elektrogeräte, Wäsche und Kleidung steuerfrei. Zusätzlich sind für diese Erben andere bewegliche körperliche Gegenstände (wie beispielsweise ein Fahrzeug) noch einmalig bis zu 12.000 Euro steuerfrei. Die Erben in Steuerklassen II und III können maximal 12.000 Euro steuerfrei erhalten.

Vorsicht: Wertpapiere, Zahlungsmittel, Münzen, Edelmetalle, Edelsteine und Perlen gehören nicht zum Hausrat.

Familienheim

Wer als überlebender Ehegatte oder Lebenspartner das Familienheim wie ein Haus oder eine Eigentumswohnung selbst nutzt, muss nicht mit Steuern rechnen. Jedoch muss man mindestens zehn Jahre weiter in diesem Haus wohnen, sofern kein zwingender Grund dies verhindert (zum Beispiel Pflegebedürftigkeit).

Achtung: Erbt man das Familienheim von einem Elternteil oder als Enkel, wenn die eigenen Eltern bereits verstorben sind, gilt die komplette Steuerbefreiung nur, wenn die Wohnfläche maximal 200 Quadratmeter beträgt. Auch in diesem Fall greift die 10-Jahres-Frist.

Um die Erbschaftssteuer (Höhe der Steuer) selbst zu berechnen, braucht man die Steuerklasse und den Wert des Erbes in Euro (§19 ErbStG).

Die Erbschaftssteuer-Tabelle zeigt die Steuersätze für das Erbe abzüglich des Freibetrags oder der Freibeträge an. Dabei handelt es sich also um die Summe, die man tatsächlich am Ende versteuern muss.

Der Erbschaftssteuersatz ist der Prozentsatz, der auf den Wert des geerbten Vermögens angewendet wird, um die Erbschaftssteuer zu berechnen. Dieser Steuersatz variiert je nach dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Erben sowie nach der Höhe des ererbten Vermögens. In Deutschland liegen die Erbschaftssteuersätze effektiv zwischen 7 Prozent und 50 Prozent.

Je höher der Wert des Erbes und je entfernter das Verwandtschaftsverhältnis, desto höher ist in der Regel der Steuersatz (siehe Tabelle).

Erbschaftsteuer Steuersatz

Wert des Erbes Steuerklasse I Steuerklasse II Steuerklasse III
Bis 75.000 € 7 % 15 % 30 %
Bis 300.000 € 11 % 20 % 30 %
Bis 600.000 € 15 % 25 % 30 %
Bis 6 Millionen € 19 % 30 % 30 %
Bis 13 Millionen € 23 % 35 % 50 %
Bis 26 Millionen € 27 % 40 % 50 %
Mehr als 26 Millionen € 30 % 43 % 50 %

Allerdings gibt es Ausnahmen bei der Besteuerung von Betriebsvermögen im Rahmen eines Erbfalls. In solchen Fällen gelten mitunter abweichende Regeln für die Erbschaftsteuer, insbesondere bei Erbengemeinschaften oder anderen besonderen Umständen. Man sollte sich daher aufgrund der Komplexität bei Erbe oder Schenkung von Betriebsvermögen lieber an einen spezialisierten Steuerberater oder Fachanwalt für Erbrecht wenden.

Nicht immer handelt es sich bei einem geerbten Vermögen um Geld, sondern häufig auch um Depots mit Aktien und ETFs. Bei der Vererbung eines Aktiendepots ist der Wert am Todestag des Erblassers entscheidend für die Berechnung der Erbschaftssteuer, nicht der Wert zum Zeitpunkt des Erbantritts. Selbst wenn der Wert des Depots nach dem Todestag sinkt, wird die Steuer auf den höheren Wert am Todestag berechnet. Das kann zu einer höheren Erbschaftsteuer führen als ursprünglich erwartet. Um dies zu vermeiden, kann der Erblasser zu Lebzeiten bereits Zugriff auf das Depot gewähren oder eine Schenkung vornehmen.

Um die Erbschaftssteuer zu vermeiden oder zu verringern, gibt es ebenfalls einige Möglichkeiten. Wenn man seinen Nachlass frühzeitig regeln möchte, kann man beispielsweise Schenkungen an nahe Verwandte noch zu Lebzeiten durchführen. Durch diese Maßnahmen kann man unter Umständen eine hohe steuerliche Belastung der Erben vermeiden. Allerdings sollte man dabei auch die Schenkungssteuer berücksichtigen.

Erbschafts- und Schenkungsteuer werden im deutschen Steuerrecht durch das gleiche Gesetz geregelt (§ 16 ErbStG). Mit Ausnahme der Versorgungsfreibeträge gelten bei Schenkungen in der Regel die gleichen Freibeträge wie im Erbfall. Diese können aber alle zehn Jahre in voller Höhe neu genutzt werden. Wer also alle zehn Jahre maximal den Wert des Freibetrags verschenkt, kann mit der Zeit sehr viel steuerfrei an andere übertragen.

Schenkungssteuer

Auch bei der Schenkungssteuer kommt es auf den Verwandtschaftsgrad an, wie hoch der Freibetrag ausfällt. Solange der Wert der Schenkung unterhalb des jeweiligen Freibetrags bleibt, ist diese für den oder die Beschenkte steuerfrei.

Die Freibeträge bei der Schenkungssteuer sind in der folgenden Tabelle abgebildet und orientieren sich an § 16 ErbStG:

Verwandtschaftsgrad des oder der Beschenkten Freibetrag
Verheiratete oder Verpartnerte 500.000 €
Kinder, Stiefkinder und Enkelkinder, deren Eltern schon gestorben sind 400.000 €
Enkelkinder, deren Eltern noch leben 200.000 €
Urenkel 100.000 €
Eltern, Großeltern, Geschwister, Nichten, Neffen, Stiefeltern, Schwiegerkinder, Schwiegereltern, Geschiedene und Getrennte 20.000 €
Alle anderen 20.000 €

Möglich sind auch Kettenschenkungen. Wenn man beispielsweise etwas an die Schwiegertochter verschenken will, ist nur ein Wert von 20.000 Euro steuerfrei. Richtet man das Geschenk allerdings an den Sohn und der schenkt es seiner Frau weiter, kann man einen Freibetrag von 400.000 Euro ausnutzen. Legal ist eine solche Kettenschenkung aber nur, wenn die zuerst beschenkte Person frei darin ist, was sie mit dem Geschenk macht. Legt man vorab fest, dass sie das Geschenk weiterreichen muss, ist die Steuerersparnis dahin. Denn dann sieht das Finanzamt das als Geschenk von der ersten an die dritte Person und legt die Schenkungssteuer entsprechend fest.

Achtung: Um die steuerliche Belastung für die Erben zu verringern, sollte die Schenkung mindestens zehn Jahre vor dem Tod erfolgen. Diese Planung ist jedoch selten verlässlich möglich.

Stirbt die Person früher, wird die Schenkung dem Nachlasswert angerechnet. Schenkungen aus den letzten zwölf Monaten gelten in voller Höhe als Teil des Erbes. Mit jedem Jahr Abstand zum Erbfall sinkt der angerechnete Teil um ein Zehntel. Stirbt man also acht Jahre nach der Schenkung, werden 20 Prozent der Summe beim Erbe mit angerechnet.

Leider beinhaltet ein Erbe nicht immer nur Vermögenswerte, sondern kann auch Schulden umfassen. Daher ist es ratsam, das Erbe schnell und gründlich zu prüfen. Innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls besteht die Möglichkeit, das Erbe beim Nachlassgericht auszuschlagen und die Schulden somit zu vermeiden.

Grundsätzlich muss man dann aber das Erbe als Ganzes ausschlagen. Man verzichtet also auf möglicherweise vorhandene Wertgegenstände und auch auf persönliche Stücke wie Fotoalben oder Möbel. Das ist also vor allem dann sinnvoll, wenn das Erbe nur als Schulden besteht.

Alternativ kann man auch das Erbe annehmen und ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnen. Das begrenzt die Haftung der Erben.

Tatsächlich ist man dazu verpflichtet, eine Erbschaft dem Finanzamt zu melden. In vielen Fällen muss zudem eine Erbschaftssteuererklärung abgegeben werden. Bei Unklarheiten sollte man sich an einen spezialisierten Steuerberater oder Fachanwalt für Erbrecht wenden.