Forscher nennen Folgen für Kinder

Studie warnt: Ist Paracetamol gefährlich für Schwangere?

Christina Merkel

Hochschule & Wissenschaft

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Elias Thiel

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26.6.2024, 13:42 Uhr

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Paracetamol zählt zu den wichtigsten Arzneien zur Behandlung von Schmerzen oder Fieber. Den Wirkstoff gibt es als Tablette, Zäpfchen, Sirup, Saft, Granulat und Infusionslösung. Wie die allermeisten Arzneimittel kann Paracetamol die Plazentaschranke passieren, also über die Plazenta von der Mutter auf das ungeborene Kind übergehen. Trotzdem wird das Mittel in der Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt. Man sollte es aber nicht leichtfertig einnehmen.

Schmerz entsteht, sobald spezielle Nervenenden (die sogenannten „Schmerzrezeptoren“) Reize wie Druck, Entzündungen oder Verletzungen wahrnehmen. Bestimmte Gewebshormone machen diese Rezeptoren empfindlicher für solche Reize und fördern zudem Entzündungen. Sie werden durch Enzyme namens Cyclooxygenasen (COX) gebildet. Wenn ein Reiz erkannt wird, senden die Nerven Signale zum Gehirn, wo der Schmerz wahrgenommen wird.

Paracetamol gelangt ins Gehirn, indem es die Blut-Hirn-Schranke überwindet. Dort blockiert es die Produktion der Gewebshormone durch Hemmung der COX-Enzyme. Dadurch wird der Schmerz reduziert. An den Stellen von Entzündungen (zum Beispiel in Gelenken) wird die Produktion jedoch nicht stark gehemmt, weshalb Paracetamol weniger entzündungshemmend wirkt als andere Mittel.

Die Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft kann zu Schlafstörungen und Aufmerksamkeitsproblemen bei kleinen Kindern führen, besagt eine Studie der Pennsylvania State University aus dem Jahr 2022.

Die US-Wissenschaftler haben dafür die Daten von insgesamt 2422 Mutter-Kind-Paaren untersucht. Wenn die Frauen das Schmerzmittel während der Schwangerschaft eingenommen hatten, war die Chance für das Auftreten der Probleme bei ihren dann dreijährigen Kindern überdurchschnittlich erhöht. Die Forscher testeten körperliche Beschwerden, Aufmerksamkeit, emotionale Reaktionen, aggressives Verhalten und Schlafprobleme.

Überraschend sind die Ergebnisse, weil Paracetamol in Deutschland als sicheres Schmerzmittel für werdende Mütter gilt - anders als etwa Aspirin. Vor allem im letzten Drittel der Schwangerschaft wird von Acetylsalicylsäure, dem Wirkstoff des Schmerzmittels, abgeraten, da es den Geburtsverlauf verlängern kann und die Blutgerinnung hemmt.

Doch auch bei Paracetamol wird die Eignung bei Schwangeren immer wieder infrage gestellt. Verschiedene frühere Studien beschreiben erhöhte Risiken für das Auftreten von Asthma, Aufmerksamkeitsproblemen und Sprachentwicklungsstörungen bei Kindern.

Kritiker bemängeln hingegen die Aussagekraft solcher Untersuchungen. So werde beispielsweise nicht berücksichtigt, warum die Mütter zu den Medikamenten griffen. In der vorliegenden Studie wird zwar pränataler Stress als Störfaktor mit eingerechnet, die Forscher selbst weisen aber auf die Grenzen ihrer Analyse hin.

Die Daten beruhen lediglich auf einem Telefoninterview in der 35. Schwangerschaftswoche. Sie berücksichtigen weder Dosis, Häufigkeit noch den Zeitpunkt der Einnahme des Schmerzmittels während der Schwangerschaft. Ebenso wurde das Verhalten der Kinder nicht von Lehrern oder Ärztinnen beurteilt, sondern von den Müttern selbst.

"Möglicherweise unterscheiden sich Mütter, die während der Schwangerschaft häufiger zu Paracetamol greifen, in ihrem Verhalten bei der Erziehung auch von Schwangeren, die bewusst auf die Medikamenteneinnahme verzichten", kritisierte Wolfgang Paulus von der Universitätsfrauenklinik in Ulm die Studie. "Die Kinder befinden sich in einer familiären Umgebung, die als gravierende Einflussgröße zu betrachten ist."

Er warnte davor, Schwangere zu verunsichern. "Paracetamol ist nach wie vor ein gut dokumentiertes, sicheres Analgetikum während der Schwangerschaft", sagte Paulus. Trotzdem: "Der Einsatz von Paracetamol sollte in der Schwangerschaft so kurz und moderat dosiert wie möglich erfolgen."

Als nicht-opioides Schmerzmittel zeigt Paracetamol bei ordnungsgemäßer Anwendung eine gute Verträglichkeit. Im Unterschied zu anderen Schmerzmitteln wie Ibuprofen, Diclofenac oder Acetylsalicylsäure (ASS) bewirkt Paracetamol nur geringfügige Auswirkungen auf die Blutgerinnung und verursacht selten Probleme im Magen-Darm-Trakt. Allerdings können in seltenen Fällen schwere allergische Reaktionen auftreten.

Eine übermäßige Einnahme von Paracetamol kann die Leber schädigen, insbesondere bei Vorliegen von Lebererkrankungen oder der Verwendung von Medikamenten, die den Abbau von Paracetamol beeinträchtigen (zum Beispiel Epilepsie-Medikamente oder Metoclopramid gegen Übelkeit). Außerdem kann chronischer Alkoholkonsum die negativen Auswirkungen von Paracetamol auf die Leber verstärken.

Paracetamol ist ein bewährtes und gut verträgliches Schmerzmittel sowie ein fiebersenkendes Medikament. Allerdings stellen sich viele schwangere Fragen die Frage: Darf ich auch in der Schwangerschaft Paracetamol einnehmen? Dazu hat das Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Berliner Charité verschiedenste Studien analysiert. Das sind die Ergebnisse:

Paracetamol im 1. Trimester

Laut Charité zeigen verschiedene Fall-Kontroll-Studien kein erhöhtes Gesamt-Fehlbildungsrisiko nach Paracetamol-Einnahme während der Schwangerschaft. Eine Studie aus dem Jahr 2002 deutet allerdings auf ein leicht erhöhtes Risiko für Gastroschisis (angeborene Fehlbildung des Darms) hin, besonders bei Verwendung von Kombinationspräparaten mit Pseudoephedrin. Andere Studien zeigten jedoch keinen Zusammenhang zwischen Paracetamol und Gastroschisis.

Gleichzeitig haben einige Studien untersucht, ob die Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft den Abstand zwischen dem Anus und den äußeren Genitalien (anogenitaler Abstand) bei männlichen Neugeborenen verringern könnte. Hier gibt es keine endgültige Antwort darauf, ob Paracetamol in der Frühschwangerschaft den anogenitalen Abstand bei männlichen Neugeborenen tatsächlich beeinflusst.

Paracetamol im 2. Trimester

In verschiedenen wissenschaftlichen Studien wird diskutiert, ob die Einnahme von Paracetamol durch die Mutter während der Schwangerschaft mit mentalen, Verhaltens- und Sprachentwicklungsauffälligkeiten beim Kind in Verbindung steht. Hier geht es dann primär um das 2. Trimester.

Allerdings gibt es einige Kritikpunkte an diesen Studien. Zum Beispiel könnten andere Auslöser wie genetische Faktoren, das familiäre Umfeld und weitere Einflüsse auf die Mutter zu den Ergebnissen geführt haben. Zudem gibt es keine einheitlichen diagnostischen Kriterien und eine geringe Vergleichbarkeit. Außerdem ist die statistische Signifikanz der beobachteten Zusammenhänge zwischen Paracetamol und den Entwicklungsauffälligkeiten in vielen Fällen nicht eindeutig. Auch ist der genaue Mechanismus, durch den diese Auffälligkeiten verursacht werden sollen, nicht bekannt. Einige Studien haben sogar gezeigt, dass auch die Einnahme von Paracetamol durch den Vater ähnliche Risiken für Verhaltensauffälligkeiten beim Kind mit sich bringt, was dann eher auf familiäre Faktoren hinweist.

Gleichzeitig wird über asthmatische Probleme bei Kindern oder ein leicht erhöhtes Risiko für Hodenhochstand (Kryptorchismus) bei Jungen diskutiert, die mit der Einnahme von Paracetamol durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung stehen könnten. Allerdings sind die Ergebnisse dieser Studien teilweise widersprüchlich und die beobachteten Effekte oftmals nur gering.

Paracetamol im 3. Trimester

Gegen Ende der Schwangerschaft gab es immer wieder einige Berichte über einen vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus Botalli beim Fetus in Verbindung mit Paracetamol-Exposition. Allerdings zeigte eine Beobachtungsstudie mit 604 exponierten Schwangerschaften im dritten Trimenon kein solches Ereignis. Diese und andere Forschungen legen nahe, dass das Risiko sehr gering ist.

Fazit: Paracetamol sollte nicht leichtfertig eingenommen werden, genauso wie jedes andere wirksame Medikament. Wenn jedoch eine klare medizinische Notwendigkeit besteht, bleibt Paracetamol weiterhin eine beliebte Behandlungsoption

Wer Paracetamol nehmen und stillen möchte, kann beruhigt sein. Studien haben gezeigt, dass Paracetamol nur in minimalen Mengen in die Muttermilch übergeht. In der klinischen Praxis gibt es keine nennenswerten Hinweise auf Unverträglichkeiten beim gestillten Säugling in Zusammenhang mit der Einnahme von Paracetamol. Tatsächlich wird Paracetamol bereits bei Früh- und Neugeborenen therapeutisch eingesetzt. Aufgrund dieser Erkenntnisse wird Paracetamol neben Ibuprofen als Analgetikum der Wahl in der Stillzeit empfohlen.

Paracetamol ist auch während der Schwangerschaft ein sicheres Analgetikum und Antipyretikum, vor allem bei hohem Fieber und Schmerzen. Dabei kann das Medikament innerhalb der grundsätzlich empfohlenen Dosis und Behandlungsdauer verwendet werden, jedoch nicht über einen längeren Zeitraum ohne ärztliche Rücksprache. Im 1. und 2. Trimester kann laut Charité Ibuprofen besser geeignet sein, jedoch nicht im 3. Trimester. Hier gebe es bei hohem Fieber und Schmerzen keine bessere Alternative.

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