Pflegen statt adoptieren
Hundebesitzer auf Zeit: So wird man zur Pflegestelle für Vierbeiner
29.9.2021, 12:10 UhrEin Leben ohne Haustier ist möglich, aber sinnlos. Diesem Satz würden wohl viele Deutsche zustimmen. Etwa 47 Prozent der Bundesbürger, schätzt der Bundesverband Heimtierbedarf, besitzt zuhause Hund, Katze oder Kleintier. Nicht jeder aber kann sich jahrelang, vielleicht mehr als ein Jahrzehnt, an die Verantwortung binden. Und so werden manche lieber zur Pflegestelle auf Zeit für Haustiere auf der Suche nach einer neuen Familie.
Mehr als 30 Hunde betreut
Für diese Entscheidung gibt es die unterschiedlichsten Gründe weiß Carmen Baur von der Tierhilfe Franken e. V. Manche spielten schon mit dem Gedanken an einen eigenen Hund, wüssten aber noch nicht, „ob sie sich wirklich die nächsten zwölf oder 13 Jahre binden wollen“. Als Pflegestelle hingegen könne man unterbrechen, wenn die eigene Lebenssituation die Versorgung eines Haustieres nicht zulässt. „Aber wir haben auch ältere Leute, die nicht mehr dauerhaft die Verantwortung für einen Hund übernehmen wollen“, weiß die Vereinsvorsitzende.
Ähnlich ging es auch der Lauferin Maya Mekdade. Seit ihrer Kindheit hundeaffin, ist sie aber oft mit ihrem Ehemann unterwegs, der in der Musikbranche arbeitet. Mittlerweile hat sie mehr als 30 Hunde in ihrer Pflegestelle betreut. „Von Schäferhunden bis zu Chihuahuas war alles dabei“, erzählt Mekdade. Sie nimmt Pflegehunde sogar mit ins Büro nach Nürnberg, wo sie glücklicherweise viel Unterstützung von den Kollegen erhält. „Die Hunde gehen meinen ganzen Alltag mit“, erklärt sie.
Darin liegt für die Hundeliebhaberin auch der Vorteil des Konzeptes: „Der Pflegeplatz weiß am meisten über den Hund. Ich weiß, wie er im Straßenverkehr zurechtkommt, ob er ein Bürohund ist, wie er mit Kindern klarkommt oder ob er gerne Auto fährt.“ All dies könne dann helfen, das Tier dauerhaft an eine Familie zu vermitteln, zu der es gut passt.
Etwa 250 bis 300 Tiere vermittelt beispielsweise die Tierhilfe Franken jedes Jahr an Pflegestellen und von dort dauerhaft an Adoptivfamilien. Die meisten davon sind Hunde, gelegentlich aber auch Katzen und andere Kleintiere. „Wir sind grundsätzlich sehr achtsam, dass Mensch und Tier zusammenpassen“, erklärt Carmen Baur.
Strenge Regeln für Welpen
Dazu gibt es zunächst ein Erstgespräch mit Interessenten, bei denen alle wichtigen Informationen über die Pflegestelle abgefragt werden: Gibt es Kinder? Hat das Haus oder die Wohnung einen Garten? Sind Erfahrungen mit Haustieren vorhanden?
Anschließend wird die Pflegestelle zuhause besucht. So können sich die Vermittler des Vereins ein gutes Bild davon machen, welches Tier bei welcher Pflegestelle gut aufgehoben ist. Welpen würden beispielsweise nur an Familien vermittelt, die ein Grundstück mit Garten und Zaun haben, die Wert auf gute Ernährung legen, und die das Tier nicht tagsüber alleine lassen würden, erklärt Baur. Grundsätzlich gebe es aber keine festen Voraussetzungen: „Ein liebevoller Umgang mit Tieren und Zuverlässigkeit müssen da sein, alles andere kann man regeln“, sagt Carmen Baur.
Neben der Vermittlung übernimmt der Verein auch die Kosten für beispielsweise Arztbesuche, Futter und Ausrüstung. Zusätzlich unterstützen die Ehrenamtlichen die neuen Pflegestellen. „Der erste Hund ist sehr betreuungsintensiv“, weiß die Vereinsvorsitzende. Umso wichtiger ist es ihr, dass Interessenten bereit sind, sich wenigstens für ein Dreivierteljahr oder Jahr zu binden, damit sich der Aufwand lohnt.
„Es ist nicht nur eitel Sonnenschein, es ist auch viel Arbeit“, bestätigt auch Maya Mekdade. Die Hunde kommen aus ganz unterschiedlichen Situationen. Oft können sie nach Scheidung, Umzug oder Gang ins Pflegeheim nicht länger bei ihren Besitzern bleiben.
Hunde aus allen Lebenslagen
Daneben gibt es aber auch Fundtiere, Beschlagnahmungen durch das Veterinäramt und Hunde, die von einem Partner-Tierheim aus Kroatien kommen. „Über die Hunde aus dem Ausland weiß man vorher fast nichts. Am Anfang sind sie oft ganz schüchtern, aber nach ein paar Wochen freuen sie sich, ins Büro zu gehen, und rennen schon den Gang hinunter“, erzählt Mekdade.
Sie selbst versucht, ihre Schützlinge langsam an das neue Leben zu gewöhnen. Anfangs geht sie beispielsweise nur in ruhigen Gegenden mit ihnen Gassi, später dann auch mal in den belebten Straßen von Gostenhof. Auf einer guten Pflegestelle, glaubt sie, lernen Hunde sehr viel: „Jeder Hund nimmt etwas mit. Der eine bekommt mehr Selbstvertrauen, die andere lernt, wie schön spielen sein kann, oder wie viel Freude kuscheln macht.“ Früher oder später aber kommt der Abschied.
Von der Pflegestelle zur Adoption
Geht es schnell, ist ein Tier nach drei bis vier Wochen vermittelt, selten sind es mehr als drei oder vier Monate, schätzt Carmen Baur. Die neuen Besitzer kommen dann meist mehrfach vorbei, tauschen sich in Gesprächen mit der Pflegestelle über die Eigenheiten des Tieres aus und machen sich beim Spielen mit dem neuen Familienmitglied vertraut.
Dass ein Tier unter dem Wechsel leidet, glaubt Baur nicht: „Wenn Familien in den Urlaub fahren und ihren Hund solange zu Bekannten geben, ist das auch nichts anderes.“ Da könne man das Tier ja auch nicht vorwarnen, sondern müsse es eben bei der Umgewöhnung unterstützen.
„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Menschen mehr Gedanken machen als die Hunde“, sagt auch Maya Mekdade. Ihren Besitzern dagegen falle das Abgeben nicht immer leicht. „Natürlich trauert man. Es gibt immer wieder Seelenhunde, wo einem der Abschied sehr schwerfällt.“
Ihr hilft es dann, wenn sie von der neuen Familie Fotos ihrer glücklichen Pflegehunde bekommt. Insgesamt überwiegt für sie das Positive: „Es macht einfach Freude, den Hund dazuhaben, in ein neues Leben zu begleiten und dann zu sehen, wenn er in einer neuen Familie glücklich ist.“
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