Hundeführerschein

Erziehung für Tier und Halter: "Kein Hund kommt aggressiv auf die Welt"

Franziska Holzschuh

Leitung Lokalredaktion Nürnberg und Stadtanzeiger

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12.5.2021, 05:35 Uhr

Es gibt Welpen, die schon den zweiten Besitzer haben. Der erste war überfordert, sich nicht bewusst, dass so ein kleiner Hund nachts ein paar Mal raus muss oder eben keine acht Stunden allein sein kann. Dann wird das Tier zur Last, die vermeintliche nette Abwechslung im Corona-Grau abgeschoben. Oder - und vielleicht ist das schlimmer - sie läuft nur noch nebenher. Erziehung? Beschäftigung mit den Bedürfnissen des Tieres? Pustekuchen.

"Die landen irgendwann im Tierheim"

"Das ist im Moment ein Hype, Wahnsinn", sagt Angela Koch von der Hundeschule Advo-Canis. Die Tiere, die jetzt überstürzt angeschafft wurden, landen alle irgendwann in den Tierheimen." Corona hat hier, wie bei vielen gesellschaftlichen Entwicklungen, grundlegende Probleme aufgezeigt: Halter sind überfordert, die Tiere leiden. Und oft auch die Umgebung.

Denn ein so genannter "Problemhund" kommt nicht von ungefähr. "Meistens sind die Hunde aggressiv, weil die Halter sich falsch verhalten", sagt Koch. "Hunde kommen nicht auf die Welt und sind aggressiv. Es kommt immer darauf an, wer hängt da hinten an der Leine dran und was macht er mit dem Hund."


Kommentar: Warum ein Hundeführerschein richtig wäre


Doch das ist vielen Halter eben nicht bewusst. Daher glaubt Koch: Ein verpflichtender Hundeführerschein, mit den richtigen Lehrinhalten ausgestattet, würde helfen (bisher gibt es ihn nur auf freiwilliger Basis). Natürlich müsse es um Verhaltensregeln für den Hund gehen, aber primär um die für den Menschen: Was sind die gesetzlichen Regelung für die Hundehaltung? Wo darf man das Tier von der Leine lassen und wo nicht? Was kann ein Hund lernen? Und wie kann man ihn erziehen?

Es gehe um ganz simple Dinge, sagt Koch: Wenn man mit seinem Vierbeiner unterwegs ist und es kommt ein angeleinter Hund entgegen, dann nimmt man auch das eigene Tier an die Leine. Auch zum Schutz des eigenen Hundes. Denn es gibt Tiere, die Artgenossen nicht mögen - sind sie aber an der Leine und ein aufdringlicher anderer Hund kommt ihnen zu nahe und kann nicht zurückgezogen werden, kann das böse enden.

"Das Problem ist am anderen Ende der Leine"

Das sieht die Leiterin des Nürnberger Tierheims, Tanja Schnabel, ganz ähnlich: "Das Problem ist nicht der Hund, es ist am anderen Ende der Leine", sagt sie. "Wir wären sehr für einen Hundeführerschein." Zumal, auch das betont sie, Tiere, die wegen Beißvorfällen im Tierheim landen, in der Regel keine Kampfhunde sind - die man allgemein damit ja in Verbindung bringt. Im Gegenteil, es seien eher "normale" Hunde: Labradormix, Pinscher, querbeet durch die Rassen. "Ich kann aus jedem Hund völligen Quatsch machen und aus jedem netten Hund einen gefährlichen", sagt Schnabel.

Daher mache es auch keinen Sinne, wie bisher nur Kampfhunde einem Wesenstest zu unterziehen. Vielmehr würde ein solcher für alle Halter und Hunde Sinn machen - etwa als verpflichtender Hundeführerschein.

Und auch der stellvertretende Leiter des Nürnberger Ordnungsamts kann dem nur zustimmen: "Von Seiten der Sicherheitsbewertung sind wir mit unseren Tierärzten einig, dass ein Hundeführerschein sinnvoll wäre", sagt Robert Pollack. Denn Vorfälle gibt es viele: "Jeden zweiten Tag bekommen wir eine Mitteilung, dass ein Hund sich aggressiv gezeigt hat." Das kann vom aggressiven Anbellen oder -springen bis zu einem Beißangriff reichen. In diesen Fällen holt das Amt - wenn der Halter bekannt ist - eine Stellungnahme ein und kann je nach Schwere des Vorfalls eine Schulung anordnen, die Haltung kontrollieren oder sogar den Hund dem Halter wegnehmen.


Leserforum: Brauchen wir einen Hundeführerschein?


Die Idee des Hundeführerscheins ist nicht neu: Als erstes deutsches Bundesland hat Niedersachsen zum 1. Juli 2013 die Pflicht eingeführt, dass Hundehalter einen Hundeführerschein besitzen. In Hamburg und Berlin gibt es ihn ebenfalls, nun möchte auch noch Baden-Württemberg nachziehen. Bayern indes sträubt sich noch.

Ministerium befürchtet mehr Bürokratie

"Der Aufwand für die Einführung eines generellen verpflichtenden Hundeführerscheins steht aus unserer Sicht in keinem Verhältnis zum Nutzen", erklärt Michael Siefener, Sprecher des bayerischen Innenministeriums. Der Hundeführerschein biete keine Gewähr, dass sich Halter an Regelungen wie Hundeverbot an Spielplätzen oder Anleinpflicht in bestimmten Parks halten. Oftmals sei bei Beißvorfällen weniger die Unwissenheit des Halters das Problem, sondern das bewusste Missachten. Im Gegenzug würde ein verpflichtender Hundeführerschein deutlich mehr Bürokratie für Hundebesitzer und Verwaltung bedeuten. Außerdem müssten Detailfragen geklärt werden: Ob beispielsweise die Enkelin ohne Hundeführerschein noch mit dem Dackel ihrer Oma Gassigehen dürfte.

In manchen Bundesländern gibt es einen verpflichtenden Hundeführerschein - in Bayern bisher nicht. 

In manchen Bundesländern gibt es einen verpflichtenden Hundeführerschein - in Bayern bisher nicht.  © Daniel Naupold/dpa, NNZ

Siefener betont aber gleichzeitig: "Auch wenn wir gegen eine Hundeführerscheinverpflichtung sind: Wir können jedem Hundebesitzer nur raten, auf freiwilliger Basis das vielfältige Angebot an Hundeschulen und Co. zu nutzen. Das trainiert nicht nur den Vierbeiner, sondern auch Herrchen und Frauchen im richtigen Umgang."

Das jedoch ist im Moment gar nicht so einfach. In Nürnberg dürfen Hundeschulen seit Wochen nicht öffnen. Erst wenn die 7-Tage-Inzidenz wieder unter 165 liegt, können Hund und Herrchen hier wieder trainieren.


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