Bürgermeister Vogel: "Einen Frankenschnellweg light gibt es nicht"
9.12.2020, 06:01 UhrHerr Vogel, Ihre Gegner sprechen von einem Dinosaurierprojekt, das nicht mehr zeitgemäß ist, wenn wir in frühestens 13 Jahren durch den zwei Kilometer langen Tunnel rauschen oder über das oberirdische Verteilersystem in die Stadt einbiegen wollen. Ist der kreuzungsfreie Ausbau des Frankenschnellwegs nicht längst überholt?
Christian Vogel: Wir haben unsere Verkehrsprognosen auf 30 Jahre ausgerichtet. Klar ist, der Verkehr wird weniger. Aber es wird nicht so sein, dass niemand mehr auf dem Frankenschnellweg fährt. Die E-Mobilität schreitet voran, und auch E-Autos brauchen Straßen. Außerdem ist es ein Irrglaube, dass künftig Güter vermehrt mit dem Schiff oder dem Zug transportiert werden. Die Straße wird gebraucht, deswegen ist der Ausbau sinnvoll und richtig.
Die Regierung hat den Ausbau genehmigt
Neben dem Bund Naturschutz, der nach seiner Mitgliederbefragung womöglich seine Klage zurückzieht, sind ein Privatmann und jüngst der Verkehrsclub Deutschland vor den Kadi gezogen, um die Pläne zu vereiteln. Haben Sie denn überhaupt noch Hoffnung, dass man eines Tages den Spatenstich setzen kann?
Vogel: Unsere Juristen sagen uns, dass eine Entscheidung in der Sache herbeigeführt wird. Die Kläger wissen, dass sie den Bau nicht verhindern, sondern nur verzögern können. Ich bin wirklich dankbar, dass der Bund Naturschutz jetzt zu einem Kompromiss bereit zu sein scheint. Ich habe über Monate mit dem BN verhandelt und vieles hat man mir aus den Rippen geleiert. Aber ich war immer derjenige, der gesagt hat, machen wir weiter.
Die Naturschützer haben durchgesetzt, dass ein striktes Tempolimit von 60 km/h sowie ein Durchfahrtverbot für schwere Lkw über 7,5 Tonnen gilt und mehr Geld für Lärmschutzmaßnahmen aufgewendet werden. Müssten Sie aus heutiger Sicht den Frankenschnellweg nicht mindestens eine Nummer kleiner konzipieren?
Vogel: Wir machen ja eh nur einen Minimal-Ausbau! Es gibt in diesem Fall nur "hopp" oder "topp". Denn die Masse der Autofahrer im jetzigen Staubereich fährt durch Nürnberg. Die wollen wir separieren und gezielt auf der Verteilerebene über dem Tunnel leiten. Der Tunnel-Deckel ist wirklich ein Riesending. Wenn wir den nicht bauen würden, hätten wir weniger Kosten. Aber wir haben das den Menschen, die dort wohnen, versprochen. Darauf kommt viel Grün, es entsteht ein neuer Park, das ist das Positive. Auf Straßen kann man keine Bäume pflanzen.
Das heißt, Sie sehen keine Alternative zur Tunnel-Version?
Vogel: Die gibt es schon: Das wäre die reine Sanierung des Frankenschnellwegs für 100 Millionen Euro, die wir aber ganz alleine zu stemmen hätten. Dann hätten wir ihn aber nur ertüchtigt und keine Verbesserung der Situation. Denn finanzielle Förderung von Bund und Land gibt es nach der Gesetzeslage nur, wenn wir im Straßenbau auch eine verkehrliche Verbesserung erzielen. Beim aktuellen 660-Millionen-Ausbau erhalten wir Fördergelder und müssen davon rund 20 Prozent selbst tragen. Die genaue Bezuschussung klären wir mit dem Freistaat, wenn wir wissen, wenn es wirklich losgehen kann. Dafür bekommen wir eine neue und zukunftsfähige Lösung und ein großes Stück Stadtreparatur.
Also weichen Sie nicht vom Konzept des großen Ausbaus ab?
Vogel: Wir hatten auch verschiedene andere Optionen durchgeplant, sie alle hätten eine Verschlechterung für die Bürger bedeutet, mehr Belastung für die Menschen durch Lärm.
Wie geht es denn jetzt weiter? Vor dem Verwaltungsgericht in München ruht die Klage von Privatmann und Ex-Anwohner Harald Wilde, der zusammen mit dem BN eine Klägergemeinschaft gebildet hatte. Doch beim Bund Naturschutz vollzieht sich ja vielleicht eine Wende.
Vogel: Wir wollen, dass der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren wieder aufnimmt. Denn es ist ja nur noch ein Punkt offen: Wir haben die bemängelte Umweltverträglichkeitsprüfung inzwischen nachgeholt, obwohl das bayerische Gesetz dies damals gar nicht vorgesehen hatte.
Es liegt aber am Verwaltungsgericht in Ansbach auch die Klage des Verkehrsclubs Deutschland.
Vogel: Das Verwaltungsgericht wird sich sicher an den Münchner Richtern orientieren und deren Beschlüsse abwarten, dann erwarten wir aber dort eine schnelle Entscheidung. Denn der VCD begründet seinen juristischen Schritt mit Verfahrensfehlern, die die Stadt gemacht haben soll. Der Club sagt, unsere Annahmen, auf denen wir die Planungen aufgebaut haben, seien falsch. Die Verfahrensschritte gibt aber der Gesetzgeber vor, wir haben nicht dagegen verstoßen.
Vermuten Sie dahinter eine Verzögerungstaktik?
Vogel: Ja. Es gibt derzeit keinen direkten Austausch mit dem VCD. Aber ich bin immer gesprächsbereit.
Sie sind sich sicher, dass irgendwann, vielleicht in fünf Jahren, alle Gerichtsverfahren beendet sind und die Stadt mit dem Ausbau beginnen kann. Fürchten Sie nicht, dass das Projekt doch noch gekippt wird?
Vogel: Wir haben vom Stadtrat den Auftrag, das Verfahren durchzukämpfen. Einen "Frankenschnellweg light" wird es nicht geben. Es gibt keine Zwischenstufe. Wenn wir nicht ausbauen, müssen wir die Straße sanieren, wir hätten es eigentlich schon längst machen müssen, denn sie ist technisch am Ende. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, mit dem Ausbau beginnen zu können. Die Straße gibt es, und sie muss nun auf den neuesten Stand gebracht werden!
Was halten denn die Bürger von den Plänen?
Vogel: Es liegen mir zwei repräsentative Umfragen dazu vor. Im Vergleich zur ersten Umfrage 2017 ist die Zustimmung 2019 leicht zurückgegangen. Aber mehr als Zwei-Drittel der Bevölkerung sagt, der Ausbau ist notwendig. Und was den Tunnel angeht: Die Bürger hätten ihn sogar noch länger gewollt.
Horch amol: "Söder müsste eigentlich erröten"
Sie sind am 2. Mai 2014, als sie das Amt des Bürgermeisters angetreten haben, praktisch über Nacht zum "Mister Frankenschnellweg" avanciert. Der Straßenausbau gehört zu Ihrem Geschäftsbereich als Erster Werkleiter des Servicebetriebes Öffentlicher Raum, einem Eigenbetrieb der Stadt. Können Sie überhaupt noch den Begriff "kreuzungsfreier Ausbau" hören?
Vogel: Ich habe die ganze Last des Themas vom ersten Tag meiner Amtszeit an von meinem Vorgänger Horst Förther übernommen. Ich gebe zu, manchmal geht mir die Diskussion schon tierisch auf den Wecker. Denn viele reiben sich an unseren Argumenten. Das ist ein Spiel, das wohl nie aufhören wird. Deshalb wird es Zeit, dass es losgeht.
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