Digitalisierung kann Gesellschaft zerbrechen lassen
27.2.2021, 06:00 UhrAnna-Lena Hosenfeld (28) ist in Sorge: Kann nicht jeder an der digitalen Entwicklungen teilhaben, zerbricht die Gesellschaft. Hosenfeld ist Geschäftsführerin bei der DFA (Digital für alle). Für diese Initiative haben sich 27 Spitzenverbände aus Gesellschaft, Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlicher Hand zusammengeschlossen.
Viele Senioren tun sich schwer, online einen Corona-Impftermin auszumachen.
Dieses Beispiel zeigt, dass es bei der Nutzung von digitalen Lösungen Hürden gibt. Wir müssen erstens bereits in der Entwicklung von digitalen Angeboten unterschiedliche Zielgruppen ins Boot holen, damit sich die Lösungen an den tatsächlichen Nutzern orientieren. Der Online-Impftermin ist ein Beispiel dafür, wo man im Nachhinein merkt, dass das Angebot gerade von älteren Menschen, an die man sich ja richtet, nicht in Anspruch genommen werden kann. Weil es zum Beispiel weder intuitiv noch niedrigschwellig gestaltet ist. Zweitens: Es muss Hilfestellung oder Assistenz geben. Menschen, die anderen dabei helfen, sich in der digitalen Welt zurechtzufinden.
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Was bedeutet es, wenn man im Internet nicht mitmachen kann? (Hier erfahren Sie, wie die Internet-Qualität in Ihrer Straße ist)
Wir haben im Zuge der Corona-Pandemie einen Digitalisierungs-Schub erlebt. Jetzt ist es umso wichtiger, dass davon niemand ausgeschlossen bleibt. Es gibt viele, die noch gar nicht online sind, sei es, weil sie nicht wollen oder nicht können. Die also mit den Entwicklungen der Digitalisierung nur schwer Schritt halten können, die manchmal vielleicht noch gar keine Berührungspunkte mit dem Internet hatten. Es gilt, diesen Menschen zu ermöglichen, digitale Angebote in Anspruch zu nehmen und sie an digitale Themen heranzuführen.
Es sind ja nicht nur Senioren. Es gibt viele Menschen, die sich mit Prepaid-Karten von Telefongespräch zu Telefongespräch hangeln. Für mobile Daten haben die kein Geld.
Nach aktuellen Umfragen nutzen mehr als 90 Prozent das Internet. Aber es gibt immer noch viele Menschen in Deutschland, die digital abgehängt sind. Da spielt die Infrastruktur mit den eventuellen Funklöchern keine so große Rolle, wie man denkt. Insbesondere die hohe Komplexität kann Menschen davon abhalten, online zu gehen. Gründe sind außerdem, dass der Nutzen nicht genau gesehen wird oder ein grundsätzliches Misstrauen bezüglich Datenschutz und Datensicherheit. Das möchten wir mit der Initiative "Digital für alle" ändern. Da haben sich 27 Organisationen zusammengeschlossen, ein breites gesellschaftliches Bündnis. Wir versuchen, genau darauf aufmerksam zu machen: dass man Menschen an Digitalisierung heranführen muss. Wir wollen Digitalisierung erlebbar machen, digitale Teilhabe für alle fördern.
Digitalisierung mit Hindernissen
Welche Gruppen sind das, die ins Hintertreffen geraten?
Zum einen sind das ältere Menschen, die im Durchschnitt weniger online sind und digitalen Technologien kritischer gegenüberstehen. Je jünger die Menschen sind, desto positiver sehen sie die Digitalisierung. Teilweise spielt auch das formale Bildungslevel eine Rolle. Die Diakonie, einer unserer Partner, hat zuletzt auch auf Menschen, die in Armut leben, hingewiesen. Beim Thema Armut müssen wir ganz besonders darauf achten, dass der Digitalisierungs-Schub Effekte sozialer Ungleichheiten nicht verstärkt. Es ist wichtig, digitale Angebote barrierefrei zu gestalten, damit zum Beispiel Menschen mit Behinderung der Zugang zur digitalen Welt ermöglicht wird.
Ist es zu viel verlangt, dass Eltern sich ein Laptop leisten, damit ihre Kinder beim monatelangen Distanzunterricht mitmachen können?
Menschen, die in Armut leben, die vielleicht auch obdachlos sind – auch denen muss der Zugang doch ermöglicht werden! Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir müssen digitale Teilhabe als Grundrecht begreifen. Die Pandemie hat verdeutlicht, dass digitale Teilhabe zunehmend auch eine Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe ist. Wer keinen digitalen Zugang hat, dem wird es erschwert, Kontakte aufrechtzuerhalten, an Infos zu gelangen, digitale Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Auch kulturelle und politische Teilhabe verlagert sich in den Online-Raum und da muss man darauf achten, dass Menschen nicht außen vor bleiben.
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Was müssen wir anpacken?
Zum einen können wir konkrete Hilfestellung leisten. Wir können etwa Betroffenen helfen, solche Termine wie den zum Impfen zu vereinbaren. Allgemein ist es eine wichtige Aufgabe, Menschen zu befähigen, sich souverän, sicher, selbstbewusst und selbstbestimmt in der digitalen Welt zu bewegen. Wir haben eine Umfrage gemacht zur digitalen Kompetenz. Frage war, wie Menschen in Deutschland ihre eigene digitale Kompetenz einschätzen. Im Durchschnitt gab es nur befriedigende Schulnoten: eine 3,3. Selbst junge Leute im Alter von 16 bis 29 haben sich nur eine 2,7 gegeben. Es sind also nicht nur Senioren, die unsicher sind.
Wie soll das gehen: eine ganze Gesellschaft fördern?
Wir sollten das Bewusstsein dafür schärfen, dass Digitalisierung verständlich und erlebbar gemacht werden muss. Das ist eine Aufgabe für Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft. Wir haben dazu den "Digitaltag" ins Leben gerufen, einen Aktionstag, der einmal im Jahr stattfindet und an dem sich alles um digitale Themen dreht. Der ist in diesem Jahr am 18. Juni. Es gibt ja schon sehr viele Angebote und Initiativen, die digitale Kompetenzen vermitteln. Das sind aber Einzelprojekte und da bedarf es noch viel mehr gemeinsamer Arbeit. Das fängt wirklich vor Ort an.
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Die Krise ist noch nicht zu Ende. Wie geht es weiter?
Die Pandemie hat gezeigt, wie viel Aufholbedarf wir noch haben. Sie hat uns zugleich vor Augen geführt, wie Digitalisierung zum Wohle aller genutzt werden kann. Digitalisierung spielt in allen Lebensbereichen eine Rolle. Die Chancen nutzbar zu machen, so dass jeder gleichermaßen daran teilhaben kann, das wird die weitere Entwicklung auf jeden Fall maßgeblich beeinflussen.