Azubi in Corona-Zeiten: Kollegen kennt man nur mit Maske
1.5.2021, 06:00 UhrJulian Herzer, 28, ist im Betriebsrat bei Siemens Erlangen G für Jugend und Ausbildung zuständig und vertritt unter anderem die Jugend im DGB Kreisvorstand Erlangen/Erlangen-Höchstadt:
"Meine Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung habe ich 2019 gerade noch vor Beginn der Corona-Pandemie beendet, war also da nicht von den Einschränkungen betroffen. Aber die Auszubildenden leiden unter der Pandemie, doch wird darüber weniger berichtet als über die Folgen für Schüler und Studenten. Das liegt sicher auch mit daran, dass Azubis eine sehr heterogene Gruppe sind in unterschiedlichsten Berufen.
Auswahlverfahren läuft digital
Aber eines ist allen gemein: Ihre Situation hat sich in der Pandemie gravierend verändert. Das fängt schon beim Auswahlverfahren an, das digital abläuft, auch die Begrüßung der Neuen fällt weg. In der Ausbildung selbst gibt es ebenfalls große Veränderungen, der Unterricht findet online statt.
Für unsere Auszubildenden ist das nicht so ein Problem, weil sie bei uns mit den Geräten schnell von Präsenz- auf Digitalunterricht umschalten können, in kleineren Betrieben ist das nicht immer so möglich. Für die Berufsschullehrer bedeutet das, dass sie auch bei Gruppen- oder Projektarbeit den Auszubildenden nicht über die Schulter schauen und ihnen einmal kurz helfen können. Das fehlt. Außerdem ist es anstrengender, über den Homeschooling-Unterricht den Stoff zu lernen, weil man den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitzt. Das sagen auch Azubis: Sie tun sich schwer, zu folgen.
Es fehlt einfach das Soziale. Gerade wenn man neu in einen Beruf einsteigt, ist es wichtig, seine Kollegen kennenzulernen und den Ablauf mitzubekommen.
Auch die Projektarbeit in den Abteilungen, wo man sich direkt miteinander austauscht, gibt es so derzeit nicht, alles geht nur online. Es ist aber nicht einfach, auf diese Weise ein Projekt so zu stemmen. Das Persönliche fällt weg, es ist auch schwieriger als Betriebsrat, den Kontakt zu den Azubis zu halten und sie nach Problemen zu fragen, weil sie ja nicht vor Ort sind.
Wir versuchen, über Microsoft Teams Kontakt zu halten, aber es ist um einiges schwieriger als wenn man sie einfach mal in den Gebäuden aufsucht oder sie in die Sprechstunde einlädt. Das ist das Schwierigste dabei: Es fallen halt einfach die sozialen Kontakte weg.
Notebooks für die Lehrlinge
Bei anderen Betrieben, die vielleicht nicht so die Möglichkeit haben, ihren Lehrlingen Notebooks und technisches Equipment bereitzustellen wie wir, kann es auch schon mal sein, dass die Wissensvermittlung schlechter wird. Und bei Betrieben, in denen die Digitalisierung noch nicht so vorangeschritten ist, wie bei uns, kann es schon sein, dass dann jemand die IHK-Prüfung mal nicht besteht.
Für uns junge Arbeitnehmer hat der 1. Mai klar noch eine Bedeutung: Der Tag für Arbeit steht für Solidarität und für Arbeitskampf, gerade die Pandemie hat uns als Jugend und junge Arbeitnehmer besonders getroffen. Wir brauchen weiterhin viele Ausbildungsplätze. Wir dürfen es nicht zulassen, dass diese Krise jetzt dazu führt, dass Azubis nicht mehr unbefristet übernommen werden. Wir müssen auch darauf aufmerksam machen, dass die Auszubildenden im Home Office nicht permanenten erreichbar sind und sie ihre Arbeitszeiten einhalten.
Und: Wir spüren jetzt bei den Azubis, aber auch bei jüngeren Kollegen, dass sie durch die wirtschaftliche Lage Angst davor haben, nicht übernommen zu werden oder auch ihre Stelle zu verlieren. Die Ängste sind schon so groß, dass ein Kollege, der jetzt zu Siemens Energy gehört, zögert, umzuziehen. Er fragt:Kann ich meine Firma überhaupt im Mietvertrag noch als sicheren Arbeitgeber angeben?"
Lara Gügel, 18, ist beim Malteser Waldkrankenhaus St. Marien in Erlangen im zweiten Ausbildungsjahr als Kauffrau für Büromanagement:
"Es hat sich schon einiges geändert: Man trägt jetzt den ganzen Tag FFP2-Masken, bekommt Corona-Schnelltests und versucht, Abstand zu den Kollegen zu halten, aber arbeitstechnisch ist es gleich geblieben. Natürlich war es schön, wenn man mit den anderen mal zum Mittagessen gegangen ist, aber das geht jetzt halt nicht. Ich habe sogar noch Glück: Ich habe in meinem Bereich, in der Buchhaltung, auch eine Auszubildende, wir halten zwar Abstand, sind aber in der Abteilung zusammen und können uns persönlich austauschen.
Mit einer anderen Auszubildenden bin ich in einer Whats-App-Gruppe verbunden. Wir haben, je nach Inzidenz, Online- und Wechselunterricht in der Berufsschule, das ist natürlich anders als Präsenzunterricht. Man muss schon schauen, dass man im Digital-Unterricht dranbleibt. Natürlich hat man da Angst, dass man in der Schule nicht richtig mitkommt, aber beruflich gesehen hat sich nicht viel geändert, die Arbeit selbst ist ja gleich geblieben.
Spannende Gesundheitsbranche
Und das ist das Wichtigste: Ich fand es nämlich schon immer spannend, über Krank- und Gesundheit mehr zu erfahren, auch über den eigenen Körper, deshalb wollte ich auch im Krankenhaus arbeiten. Apropos arbeiten. Ich weiß, dass der Tag der Arbeit einen politischen Hintergrund hat und man frei hat."
Laura Unsleber, 21, hat bereits eine Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte und ist im zweiten Jahr des dualen Studiums zur Diplom-Verwaltungswirtin bei der Stadt Erlangen:
"Ich bin ja im zweiten Jahr und kenne schon andere Auszubildende von der Online-Lehre und auch aus den Ämtern. Man muss sich aber um Kontakt sehr bemühen, was sonst einfach von selbst gelaufen ist. Untereinander bleiben wir vor allem über WhatsApp im Austausch. Aber die Vorstellungsrunde, die es sonst bei der Stadt für die Auszubildenden gibt, fällt natürlich weg.
Man sieht die Kollegen jetzt vielleicht mal auf dem Flur, und dann auch nur mit Maske. Ganz viele sind auch im Home Office, das wird uns auch angeboten, es ist also sehr schwierig, vom regulären Geschehen außen herum irgendetwas mitzubekommen.
Schwere Wissensvermittlung
Die Wissensvermittlung wird schon enorm erschwert, wir haben fast alles digital, bei unserer Doppel-Ausbildung muss man sich ja ohnehin schon viel selbst beibringen, das ist jetzt noch mehr. Man muss jetzt selbst viel aktiver sein. In der vergangenen Woche waren wir noch im Amt eingesetzt, ab Montag lernen wir das, was wir sonst an der Hochschule in Hof gelernt hätten, wieder von zuhause aus auf Bildschirmen. Angst, dass wir nicht übernommen werden oder keine Stelle kriegen, haben wir eigentlich nicht.
Im Öffentlichen Dienst werden ja meist Kräfte gesucht, für mich war bei der Berufswahl ausschlaggebend, dass es bei einer Kommune so vielfältig ist, es gibt so viele verschiedene Ämter und Dienststellen, man macht eine Ausbildung und die ist so generalistisch aufgebaut, dass man danach fast überall hin und auch nach Jahren noch wechseln kann, die Sicherheit war eher ein Nebenaspekt.
Den ersten Mai kennt man natürlich als Feiertag, ich stamme aus einem unterfränkischen Dorf, wo an dem Tag der Maibaum aufgestellt wird, man nimmt sich den Tag schon frei. Ich persönlich habe mir aber immer gedacht, dass man an dem Tag ein bisschen Wertschätzung und eine kleine Auszeit von der Arbeit bekommt."
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