Corona: Wer bezahlt die freiwillige Quarantäne?
18.11.2020, 05:58 UhrWer Kontakt zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person hatte, soll sich umgehend in häusliche Quarantäne begeben und auf einen Anruf des Gesundheitsamts warten, damit Maßnahmen festgelegt werden. So der Appell der Regierung an die Bürger. Wer sich vorbildlich verhält und daheim bleibt, muss zumindest in Erlangen damit rechnen, dass niemand für den entstehenden Verdienstausfall aufkommt, wie der Fall einer Erlanger Physiotherapeutin zeigt.
Die Frau möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Kontakt mit einem Corona-Infizierten hatte die Physiotherapeutin am Sonntag, 18. Oktober. Home-Office kann sie in ihrem Beruf nicht machen. Umgehend begab sie sich in Quarantäne. "Ich arbeite überwiegend mit Senioren. Deshalb kam es für mich nicht infrage, einfach weiterzuarbeiten." Den Anruf des Gesundheitsamts erhielt sie allerdings erst am Samstag, 25. Oktober – also eine Arbeitswoche nachdem sie sich in freiwillige Isolation begeben hatte. Die Frau wurde von der Behörde als Kontaktperson 1 eingestuft, mit der Maßnahme, sich bis Sonntag, 1. November, in Quarantäne zu begeben.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Physiotherapeutin drei Coronatests hinter sich, alle mit negativem Ergebnis. Als sie am letzten Wochenende der Quarantäne aus selbiger hätte entlassen werden sollen, fühlte sie sich erkältet. Also wurde die Quarantäne durch das Gesundheitsamt bis Mittwoch, 4. November, verlängert.
Bescheinigung für erste Woche fehlt
Der Knackpunkt: Die Physiotherapeutin blieb insgesamt für zweieinhalb Wochen nach dem letzten Kontakt mit dem Corona-Infizierten daheim, das Gesundheitsamt bescheinigt ihr die Quarantäne und den damit verbundenen Verdienstausfall aber lediglich für die eineinhalb Wochen, die angeordnet wurden. "Wer aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) unter Quarantäne gestellt wird oder mit einem Tätigkeitsverbot belegt wurde und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, ohne krank zu sein, erhält grundsätzlich eine Entschädigung", heißt es dazu in §56 IfSG.
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Die Physiotherapeutin wandte sich via Mail an das Gesundheitsamt mit der Bitte, ihr auch den Zeitraum der freiwilligen Quarantäne zu bescheinigen. Wörtlich schrieb eine Mitarbeiterin der Behörde zurück: "Ich bedauere es sehr, aber ich kann Ihnen als Quarantänezeitraum nur den 24.10. bis 04.11.2020 ausstellen. Da es sich bei der behördlichen Anordnung zur häuslichen Isolation um einen Rechtsakt handelt, darf ich Ihnen nur über diesen eine Bescheinigung ausstellen. Vielleicht kann Ihnen Ihr Hausarzt weiterhelfen."
Die Frau tat wie ihr geheißen und kontaktierte ihren Hausarzt. Der spielte den Ball an die Behörden zurück. "Er konnte mir für den nötigen Zeitraum jedoch keine Krankschreibung beziehungsweise Bescheinigung ausstellen, mit der Begründung, dass dies nicht rechtens sei und Sache des Gesundheitsamtes", sagt sie. Die Physiotherapeutin befindet sich weiterhin in Kontakt mit dem Gesundheitsamt.
Es kommt auf den Kontakt an
Wer bezahlt nun die freiwillige Quarantäne? Keine einfache Frage, wie Matthias Trütschel, Fachanwalt für Arbeitsrecht, erklärt: "Es kommt dabei ganz auf die zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber getroffene Absprache an. Entscheidend ist, wie der Arbeitgeber darauf reagiert, dass der Arbeitnehmer sich freiwillig in Quarantäne begeben möchte." Ein Grund wie Urlaub oder Krankheit, der die Lohnfortzahlung rechtfertigen würde, liege nicht vor. "Der Arbeitnehmer ist ja eigentlich gesund und könnte seine Arbeitsleistung anbieten", sagt der Anwalt aus der Kanzlei Bissel + Partner.
Konkret auf den Fall der Physiotherapeutin bezogen, sei ausschlaggebend, ob sie ihre Arbeitsleistung angeboten habe. "Falls sie das nicht gemacht und selbst beschlossen hat, daheim zu bleiben, dürfte der Lohnanspruch nicht bestehen. Falls der Arbeitgeber bei einer leistungsbereiten Arbeitnehmerin jedoch beschließt, dass sie daheim bleiben soll, dreht sich die Sache um." Dann sei der Arbeitgeber verpflichtet, "den Lohn auszuzahlen". Rechtsanwalt Trütschel führt weiter aus: "In einer derartigen Situation wäre es jedoch stets zielführend, wenn sich die Parteien unverzüglich auf eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung einigen würden, um Streitigkeiten zu vermeiden."
"Lücke im System"
Der Staat bezahlt nur, wenn die Quarantäne auch angeordnet wurde. Trütschel erkennt hier eine "Lücke im System, für die es noch keine Lösung gibt".
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