Experten aus Erlangen sehen Licht am Ende des Coronatunnels

14.2.2021, 14:00 Uhr
Experten aus Erlangen sehen Licht am Ende des Coronatunnels

© NEWS5/Merzbach

Landesweit fallen die Inzidenzzahlen, auch Erlangen war zwischenzeitlich die Stadt mit den geringsten Coronafällen gemessen auf 100 000 Personen in sieben Tagen im Freistaat. Und doch bleibt bei einer bislang weiter nur geringen, einstelligen Zahl an Geimpften in der Bevölkerung sowie auftretenden Mutationen die Angst vor einem weiteren Aufflammen des Virus groß.

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© Uniklinikum Erlangen

"SARS-CoV-2 – neue Risiken trotz Impfung durch Mutanten" hieß eine digitale Veranstaltung der Uniklinik Erlangen in Zusammenarbeit mit den Erlanger Nachrichten.

Die Vorträge samt Fragerunden sind weiter im Internet zu finden. Wie empfehlenswert sie sind, zeigen unsere Kurzinterviews mit Professor Christian Bogdan (Direktor des mikrobiologischen Instituts), Prof. Armin Ensser (Forscher im virologischen Institut), Dr. Richard Strauß (stv. Direktor der Medizinischen Klinik 1) und Prof. Klaus Überla (Direktor des virologischen Instituts):

Herr Professor Bogdan, gibt es eine Erklärung aus medizinischer Sicht für die geringen Inzidenzzahlen in Erlangen?

Prof. Bogdan: Es hängt sehr damit zusammen, wie intensiv sich Bürgerinnen und Bürger auf medizinische Präventionsmaßnahmen einlassen. Weil wir in Erlangen seit Jahrzehnten was mit Medizin zu tun haben, trägt das wohl zu großer Bereitschaft bei, mitzuhelfen, die Pandemie einzudämmen. Aber wahrscheinlich gibt es viele weitere Faktoren.

Wenn der Virus nur zirka 30 Mutationen finden kann, bedeutet das auch, dass wir "nur" etwa 30 Impfstoffe finden müssen, um den Virus zu bekämpfen?

Prof. Bogdan: So einfach ist es nicht. Die Zahl sollte im Vortrag nur illustrieren, dass Coronaviren nicht zu den Viren gehören, die sich – wie Influenza – komplett neu erfinden können. Das kann uns ein wenig zuversichtlicher machen im Hinblick aufs Ausmaß der Mutationen.

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Herr Professor Ensser, wie gefährlich sind die Mutationen? Es kann ja nicht im Interesse des Virus’ sein, seinen Wirt zu töten – er will sich ja vermehren, oder?

Prof. Ensser: Nicht zwingend. Es gibt Herpesviren, die lebenslang mutieren. Dann gibt es Ebola, das kein Problem damit hat, die Hälfte der Infizierten umzubringen. Wenn ein Virus sich dauerhaft in der Population halten kann, weicht er immer entweder rechtzeitig vor der Immunabwehr aus, oder sein Reservoir der Veränderungen ist groß genug. Die meisten Viren, die sich durchgesetzt haben, sind aber nicht sehr stark krankheitsauslösend.

Welchen Einfluss haben die Außentemperaturen auf die Verbreitung des Virus?

Prof. Ensser: Wenn es kühl ist mit großer Luftfeuchtigkeit, bleiben die Viren länger infektiös. Ist es warm und herrscht sogar Sonneneinstrahlung, also UV-Licht, trocknet auch das Wasser des Virus schneller – das nimmt die Infektionsfähigkeit.

Sind Geimpfte und Menschen mit überstandener Covid-19-Infektion besser gegenüber der normalen Variante, aber schlechter gegenüber mutierten Varianten des Virus’ geschützt?

Prof. Ensser: Man kann davon ausgehen, dass nach einer durchstandenen Infektion ein langer Schutz vor einer Neuinfektion existiert. Und selbst wenn, dann ist es unwahrscheinlich, dass der Verlauf schwer ist. Die vorhandenen Antikörper schützen vor mutierten Viren ein bisschen schlechter – aber das in einer Größenordnung, sagen wir, wenn normal 1000 Angriffe des normalen Virus abgewehrt werden können, dann scheitern von der mutierten Variante 500. Das ist immer noch ziemlich viel.

Mit welchen Gefühlen beobachten Sie die Schulöffnungen, besteht die Gefahr, dass wir eine große Chance, die wir uns erarbeitet haben, nun leichtfertig verspielen?

Prof. Bogdan: Es ist sicher eine kritische Situation, die man beobachten muss. Es wird davon abhängen, in welcher Intensität zwischenmenschliche Interaktion stattfindet. In Grundschulen und Kitas ist die intensiver als in weiterführenden Schulen. Das Entscheidende ist, dass jeder, der kleinste Zeichen einer beginnenden Infektion besitzt, sofort diagnostiziert wird. Trotz geringster Symptome trotzdem in Schule oder Arbeit zu gehen – das kann man derzeit auf keinen Fall machen! Aber wir können ja auch nicht auf immer und ewig die Kinder aus der Betreuung rausnehmen. Es muss eben sehr sensibel wieder anlaufen.

Prof. Ensser: Gerade die englische Variante, die dreißig bis fünfzig Prozent ansteckender ist, verbreitet sich auch unter jungen Menschen schneller. Daher muss man, wie Professor Bogdan sagt, wirklich sensibel auf die Symptome achten – was bei jungen Patienten aber schwierig ist, weil sehr viele eben nur geringe oder gar keine Symptome zeigen. Das einzige, was uns also wirklich hilft ist das Impfen.

Volle Fußballstadien, Konzerte, Discobesuche: Wann ist – mit Hinblick auf Ihre besonderen Einblicke in Forschung und Hintergründe – so etwas wieder möglich?

Prof. Bogdan: Es ist eine ganze Reihe von Normalität schon jetzt möglich – wenn man Regeln einhält. Derzeit sind drei bis fünf Prozent geimpft, also nur drei von 100 Menschen in einem Fußballstadion, wo sie eng an eng stehen. Das ist sicher derzeit nicht vorstellbar. Aber zweistündige Kulturveranstaltungen in Räumen, die Lüftungsanlagen haben, wenn man da mit Abstand sitzt, wäre ich relativ entspannt. Das ist die Strategie: Einerseits die Impfquote steigern, andererseits Hygiene aufrecht erhalten – dann kann man da etwas bewegen, bei dem die Menschen sehen können: Es geht voran. Das ist auch sehr, sehr wichtig.

Herr Prof. Überla, es heißt Impfen sei der Schlüssel zum Sieg über Corona. Ist das zu pathetisch?

Prof. Überla: Nein, gar nicht. Das sehe ich auch so, auch, weil wir im Moment gar keinen anderen, einfacheren Weg zur Verfügung haben. Es gibt ja nur sehr wenige Therapieoptionen, der Erkrankungsverlauf ist teils sehr rasch. Insofern sind die Chancen der Impfstoffe wirklich auch unsere Hauptchance.

Muss sich jemand, der eine Coronainfektion überstanden hat, impfen lassen?

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Prof. Überla: Bisher sind nur sehr wenige Zweitinfektionen bekannt geworden. Der Zeitraum des Schutzes über körpereigene Antikörper ist aber nicht bekannt. Es ist anzunehmen, dass ein niedrigeres Risiko besteht, bei einer zweiten Infektion einen schweren Krankheitsverlauf zu erleben. Wir sollten aber erst diejenigen impfen, die noch gar keinen Schutz besitzen. Einfach, weil wir bislang so wenig Impfstoff zur Verfügung haben.

Die schnelle Entwicklung des Impfstoffs sorgt in Teilen der Bevölkerung für Bedenken. Teilen Sie diese?

Prof. Überla: Die Sorgen teile ich überhaupt nicht, denn die schnelle Entwicklung lässt sich erklären – und auch, dass dies nie auf Kosten der Sicherheit ging. So arbeiteten eine Menge Menschen an der Entwicklung, die höchste Priorität genoss und für die sehr viel Geld zur Verfügung gestellt wurde. Wir hatten durch vorherige Ausbrüche von verwandten Viren schon viel über Coronaviren gelernt, zum Beispiel, dass das Spike-Protein der Ansatz sein muss, auf den der Impfstoff zielt. Die Behörden haben außerdem nicht gewartet, bis ein Unternehmen alle Unterlagen auf den Tisch legt, sondern laufend begutachtet und rückgemeldet. So konnte viel Zeit gespart werden – ohne Abstriche bei der Sicherheit. Mit einer Ausnahme: Dass wir nur einen begrenzten Beobachtungszeitraum haben. Dieser ist mittlerweile gewachsen – und bei bereits hundert Millionen Impfungen weltweit haben wir noch kein Sicherheitssignal erhalten. Aus meiner Perspektive hat die Impfstoffentwicklung nicht besser laufen können.

Herr Dr. Strauß, können nach einer symptomfreien Infektion trotzdem Langzeitfolgen blühen?

Dr. Strauß: Es gibt derzeit keine Hinweise darauf.

Gibt es eine Erklärung aus medizinischer Sicht, weshalb Kinder selten erkranken?

Dr. Strauß: Offenbar ist deren Immunsystem besser in der Lage, die Infektion so zu begrenzen, dass es nicht zu systemischen Folgen kommt. Selbst bei den Erwachsenen sehen wir ja einen klaren Zusammenhang mit dem zunehmenden Alter – und da spielt die abnehmende Abwehrleistung auf der einen Seite und die Veränderung auf der Gefäß- und Lungenseite jeweils eine Rolle. Bei Kindern sind hier sehr viel mehr Reserven und weniger Vorschädigungen vorhanden. Die Ausgangslage ist also besser.

Prof. Überla: Es gibt zudem einen zellulären Bestandteil, den das Virus braucht, um in Zellen einzudringen, der bei Kindern weniger stark ausgeprägt ist.

Es ist wichtig, die Anzeichen einer beginnenden Erkrankung zu deuten – nun verlaufen diese ähnlich wie eine Erkältung. Woran merke ich, dass es Corona ist?

Dr. Strauß: Wenn früh Riech- oder Geschmacksstörungen auftreten, ist das sehr charakteristisch. Husten und die übrigen Beschwerden sind kaum abzutrennen. Man sollte also das Umfeld betrachten: Wenn viel Coronaaktivität stattfindet, ist es wahrscheinlicher Covid, als wenn die Zahlen niedrig sind. Nehmen wir unsere Notaufnahme: Im Sommer, als die Zahlen gering waren, lag zu 20 Prozent Corona hinter den Symptomen. Zuletzt waren es 70 bis 80 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass Corona der Auslöser ist.

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Wann, meine Herren, können wir wieder zur Normalität zurückkehren?

Dr. Strauß: Ein klinischer Arzt ist kein Hellseher und kein Epidemologe. Ich glaube, das Virus wird uns erhalten bleiben, die Infektionen werden durch die Impfungen nachlassen. Aber wir werden immer wieder nachimpfen müssen, damit die Infektionszahlen durch die Mutationen überschaubar bleiben. SARS-CoV-2 wird nicht verschwinden, wir müssen es aber drücken, damit es sich ins Hintergrundrauschen der allgemeinen Infektionen einordnet.

Prof. Überla: Auch die Virologen sind keine Hellseher, aber ich teile diese Einschätzung. Ich glaube, wenn mal alle geimpft sind oder eine Infektion durchgemacht haben, dass wir in die Situation kommen, dass das Virus bei Erstinfektion im Kindesalter stattfindet mit schwachen Verläufen. Und dann werden wir im Laufe des Lebens immer mal wieder leichtere Coronainfektionen durchmachen und hoffentlich wirksame Therapiemaßnahmen haben. Wir werden zumindest in der nächsten Wintersaison noch Kontaktreduktionsmaßnahmen und Atemmasken bei verschiedenen Gelegenheiten tragen müssen, aber doch schon deutlich mehr Freiheiten haben als jetzt.

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