"Oberer Schulweg"
Forchheim: Knappes Ja für die Weiterplanung des umstrittenen Baugebiets in Reuth
15.10.2021, 18:00 UhrDie Geschichte des möglichen Baugebiets auf einer Streuobstwiese an den Reuther Hängen begann 2013 – mit der Aufstellung eines Bebauungsplans. 31 Baurechte sollten es werden. Das führte, obwohl die Zahl rasch auf 27 reduziert wurde, zu Streit und unversöhnlichen Positionen: Einerseits waren da die Befürworter mit dem Anliegen, dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Andererseits die Gegner der Pläne, darunter viele Anwohner, die eine zu dichte Bebauung und zu viel Verkehr im ohnehin kleinteiligen Reuth mit seinen engen Straßen befürchteten. Außerdem die Kritik, dass mit dem Baugebiet ein sensibler Naturraum zerstört werde.
Ein Bürgerinitiative ("Schützt die Reuther Hänge") gründete sich, die Kontroverse gipfelte 2016 in einem Bürgerbegehren: 76 Prozent der Wähler sprachen sich für einen Planungs-Stopp aus. Ein deutliches Signal, das allerdings nicht bindend war: Der Bürgerentscheid war ungültig, weil stadtweit nur 13 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt hatten und somit das "Quorum" von mindestens 20 Prozent nicht erreicht wurde. Trotzdem war es seither ruhiger geworden zwischen Ruhstraße und Oberem Schulweg.
Maximal 27 Wohneinheiten
Erst Ende 2020 kam das Projekt im Planungs- und Umweltausschuss des Stadtrats wieder auf den Tisch – wo man sich mit 8:6 Stimmen dafür aussprach, die Planungen für das Baugebiet fortzuführen. Die Zahl der Baurechte wurde weiter reduziert, auf nunmehr 25 Grundstücke. Zwei dieser Grundstücke sind nach Angaben der Stadt mit einem Doppelhaus und einem Reihenhaus ("3-Spänner") bebaubar. Somit käme man insgesamt auf maximal 27 Wohneinheiten.
Ein knappes Jahr später ist der Obere Schulweg erneut im Planungs- und Umweltausschuss zum Thema und komplizierter geworden. Denn wie Reinhilde Steinmetz vom Stadtplanungsamt erläuterte, hat sich der gesetzliche Schutzstatus für "arten- und strukturreiches Dauergrünland" wie den Reuther Hängen zwischenzeitlich geändert. Steinmetz: "Im Bereich des geplanten Baugebiets liegt nun ein gesetzlich geschütztes Biotop vor" – eine direkte Folge des 2019er Volksbegehrens "Artenvielfalt – Rettet die Bienen". Das hatte bekanntlich Erfolg und wurde vom Bayerischen Landtag unmittelbar zum Gesetz gemacht.
Ausnahme vom Verbot
Wie also kann man ein kartiertes Biotop bebauen? Gemäß dem bayerischen Naturschutzgesetz ist das möglich, auf Antrag kann eine Ausnahme von den Verboten zugelassen werden, wenn "die Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können", erklärte Steinmetz. Will heißen: das Biotop kann beseitigt werden, dafür muss aber ein Ersatzbiotop entstehen. Im Falle des Baugebiets Oberer Schulweg wären das "grob zwei Hektar Land", so die Stadtplanerin.
Wo neue Ersatz-Streuobstwiesen angelegt werden könnten? Steinmetz: "Einmal wäre es wahrscheinlich möglich in den Gemarkungen Leutenbach und Kirchehrenbach, eventuell auch in Pinzberg, wo wir schon Ausgleichsflächen angekauft haben." Doch richtete Steinmetz im gleichen Atemzug deutliche Worte ans Gremium: "Grünland hat eine große Bedeutung für den Erhalt der Artenvielfalt. Rund 40 Prozent aller in Deutschland gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen kommen auf Grünland wie dort vor." Und die Räte müssten sich darüber im Klaren sein, dass es "acht bis zehn Jahre dauert, bis der Zielzustand auf einem Ersatzbiotop erreicht ist".
CSU-Stadtrat Thomas Schuster bemängelte, dass die angedachten Ausgleichsflächen so weit von Forchheim entfernt seien. "Ginge das nicht auch bei uns im Stadtgebiet?", fragte er. Wie Steinmetz und OB Uwe Kirschstein (SPD) bekräftigten sei ein ortsnaher Ersatz "grundsätzlich immer unser Wunsch", so Kirschstein, statt "anderswo Flächen teuer anzukaufen", so Steinmetz.
Allerdings seien Acker- oder Intensivgrünland, das "man gut zu einer Streuobstwiese oder zu Dauergrünland aufwerten kann", in der Nähe des Oberen Schulwegs und "in den Größen, die wir brauchen" (die besagten rund zwei Hektar) alles andere als leicht zu haben. "Mir ist jedenfalls nichts bekannt", so Steinmetz. Der OB ergänzte: "Sollten Grundstückseigentümer davon in der Zeitung lesen und uns das anbieten, würden wir auf jeden Fall zugreifen."
Das "Dilemma" der Stadträte
Für die FGL- wie auch die SPD-Räte stand schnell fest, dem Beschlussvorschlag nicht zuzustimmen. Tenor: Im "Zeitalter eines massiven Artensterbens dieses Biotop zu zerstören, ist der falsche Weg", so Reiner Büttner (SPD).
Manfred Hümmer (FW) hingegen sprach von einem "Dilemma" für die Stadt und den Stadtrat: "Im guten Glauben, dass irgendwann gebaut werden kann, haben Familien vor Jahren Grundstücke da oben erworben." Wenn nun aber dem Antrag auf Beseitigung des Biotops nicht entsprochen würde, "heißt das im Klartext: Diese Leute haben Grünland zum Preis eines Baulands erworben", meinte Hümmer. "Und so leid mir das in Sachen Umweltschutz tut: Unter diesen Bedingungen haben wir gar keine andere Möglichkeit als die Befreiung vom Bebauungsverbot anzustreben. Sonst würden wir die Leute, die Grundstücke gekauft haben, in eine verdammt schlimme Situation bringen – sie bekämen einen 'Hungerlohn', wenn sie wieder verkaufen müssten."
Ein Dilemma, das sich am Ende auch bei der denkbar knappen Abstimmung widerspiegelte: FGL und SPD (darunter auch der OB) votierten mit ihren insgesamt sechs Stimmen gegen den Antrag, die sieben anderen Räte dafür. Damit wird das Baugebiet "Oberer Schulweg" weitergeplant.
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