Auszeichnung abgeräumt
Ein Preis für die Hofladenbox: Regionale Plattform kommt an
21.4.2021, 19:08 UhrDie Hofladenbox wurde von Birgit Wegner (48) und Mareike Schalk (39) gegründet. Inzwischen bietet die Online-Plattform über 1500 Produkte von mehr als 60 Erzeugern an und setzt dabei auf regionale Lebensmittel. Die Bestellungen werden in Mehrwegverpackungen direkt nach Hause geliefert. Die beiden Unternehmerinnen haben als Zweier-Team angefangen. Heute haben sie vier festangestellte Mitarbeiter und 25 Minijobber. Was die Hofladenbox von der Auszeichnung hat, das erklären die Gründerinnen Birgit Wegner und Mareike Schalk im Interview.
Der "Rural Inspiration Award" ist der breiten Öffentlichkeit kein Begriff, auch die Bewerberzahl war mit 125 Projekten in fünf Kategorien sehr überschaubar, was bedeutet die Auszeichnung für Sie?
Schalk: Für uns war die Nominierung für den europaweiten Wettbewerb an sich schon eine absolute Auszeichnung. Wir wurden von Deutschland aus ins Rennen geschickt, jedes Land konnte nur einige wenige Projekte einbringen. Ehrlich gesagt, uns hat der Preis vorher auch nichts gesagt.
Wegner: Dass wir ihn bekommen haben, ist für unsere Bekanntheit jetzt natürlich Gold wert. Wir sind gewissermaßen als europaweit beispielhaft dafür ausgezeichnet, wie Digitalisierung und Vernetzung den ländlichen Raum voranbringen kann. Und wir finden Nachahmer. Es schauen immer wieder Leute auch von weiter her bei uns vorbei, die Ähnliches hochziehen wollen.
Direktvermarktung sichert vielen Höfen die Existenz
Blicken Sie doch einmal zurück, wie gingen Sie vor drei Jahren an den Start?
Wegner: Wir sind beide von Nürnberg in den Landkreis Fürth gezogen und eigentlich davon ausgegangen, dass auf dem Land regionale Produkte leichter zu haben sind als in der Stadt. Doch so einfach ist das gar nicht: Es gibt zwar viele Hofläden, doch sie liegen weit verstreut, jeder hat nur ein begrenztes Sortiment und andere Öffnungszeiten. So entstand die Idee, das Angebot zu bündeln. Nach zwei Jahren Vorlauf haben wir unsere Geschäftsidee umgesetzt.
Schalk: Angefangen haben wir am 18. April 2018 mit 60 Kunden und zehn Produzenten. Heute bieten über 60 Händler etwa 1500 Produkte, hauptsächlich Lebensmittel, über unsere Plattform an. Wir haben in Fürth Stadt und Landkreis, Nürnberg und Erlangen über 3000 Kunden, 600 Boxen gehen jede Woche raus. Die ersten haben wir zu zweit gepackt, heute haben wir vier festangestellte Mitarbeiter und 25 Minijobber.
Welche Rolle hat das Leader-Förderprogramm der EU, das den ländlichen Raum unterstützt, dabei gespielt?
Schalk: Aus dem Fördertopf haben wir über das Regionalmanagement am Landratsamt 20.000 Euro Anschubfinanzierung erhalten, die wir ins IT-System, das uns eine Nürnberger Firma entwickelt hat, gesteckt haben. Das ist etwas anspruchsvoller als das für einen einzelnen Händler. Bei uns stellen die Produzenten selbst ihre Produkte ein. Wir sind also die digitale Schnittstelle zwischen Händler und Kunde, und das mit minimalen Reibungsverlusten. Die Landwirte bekommen über unsere Plattform auf jeden Fall einen besseren Preis als über den Großhandel. Die Endpreise für die Kunden liegen bei uns in etwa auf dem gleichen Niveau wie in einem hochwertigen Supermarkt.
Heimatschätze, die den Direktvermarktern im Landkreis Fürth helfen
Wie funktioniert die Hofladenbox konkret?
Schalk: Die Kunden können im Vorfeld der zwei wöchentlichen Liefertage am Dienstag und Freitag online bestellen. Die Produzenten liefern das, teils auch in Fahrgemeinschaften, in unsere Packhalle. Von diesem Punkt an erledigen wir den Rest: Wir packen die Boxen und bedienen die Endkunden. Wir brauchen kein Lager, jede Bestellung kann – anders als etwa bei Gemüse-Abos – individuell zusammengestellt werden, die Ware ist immer frisch und kommt bis vor die Haustür. Und dazu hat der Kunde noch das gute Gefühl, etwas für die Landwirtschaft in der Region zu tun. Das goutieren die Menschen.
Nehmen Sie jeden Anbieter auf?
Wegner: Grundsätzlich ja, unsere Kriterien sind nicht in Stein gemeißelt. Doch das Sortiment ist natürlich irgendwann ausgereizt. Wenn wir schon drei Kartoffelanbieter haben, macht es keinen Sinn, noch einen weiteren aufzunehmen. Allerdings haben wir erst unlängst eine Seifenmanufaktur, die Naturkosmetik herstellt, integriert. Wir sind selbst manchmal überrascht, was es in der Region alles gibt.
Schalk: Uns geht es um Regionalität und darum, dass der Verbraucher wieder ein Gefühl dafür bekommt, woher das Eingekaufte stammt. Anders als im Supermarkt ist für jeden Kunden nachvollziehbar, wo und wie das Gekaufte entstanden ist. Auf unserer Internetseite kann sich jeder über den Anbieter informieren. So mancher schaut tatsächlich auch auf den Höfen vorbei. Unser Hoffest, bei dem wir Produzenten und Kundschaft zusammenbrachten, können wir jetzt in der Pandemie natürlich nicht machen.
Sie sprechen Corona an: Davor hatten Sie zwei "normale" Jahre, dann kam die Pandemie, wie hat sich das Geschäft entwickelt?
Wegner: In den ersten beiden Jahren hatten wir ein stetiges Wachstum, Anfang 2020 waren wir bei 200 Bestellungen in der Woche angelangt. Mit dem ersten Lockdown ist die Nachfrage auf 600 hochgeschnellt, während der Corona-Lockerungen im vergangenen Sommer ist sie auf 400 Bestellungen abgeflaut, seit Ostern sind wir jetzt wieder bei 600 Bestellungen.
Schalk: Es ist in Deutschland noch nicht so gang und gäbe, Lebensmittel im Internet zu kaufen. Die große Hürde ist die erste Bestellung, aber wer sich mal eingeklickt hat, bleibt oft dabei. Unsere Wiederkaufsrate liegt mit 60 Prozent sehr hoch. Insoweit hoffen wir natürlich, dass uns unsere Kunden auch nach der Pandemie erhalten bleiben. Den Geschäftskundenbereich wollten wir eigentlich stärker ausbauen, aber da hat uns Corona ausgebremst.
Inwieweit?
Schalk: Einige Kindertagesstätten beliefern wir schon, auch Bürogemeinschaften bestellen bei uns Snack-Boxen oder Fertiggerichte, die Restaurants über uns verkaufen. Aber wir sehen noch viel Wachstumspotenzial in Firmen, Restaurants oder Schulen. Deshalb suchen wir derzeit auch einen Investor, der uns hilft, unser System weiter auszubauen. Aus den laufenden Kosten ist das derzeit nicht zu stemmen.
Und was hätte der Investor davon?
Wegner: Firmenanteile an einem äußerst zukunftsfähigem Unternehmen, das viel Wachstumspotenzial verspricht.
Was bleibt denn für Sie persönlich hängen?
Schalk: Wir hatten im vergangenen Jahr eine Million Euro Umsatz und wir schreiben im dritten Jahr zumindest schwarze Zahlen, das ist für ein Start-up sehr gut. Wir können unsere Mitarbeiter bezahlen und haben speziell während der Pandemie auch etliche, die in Kurzarbeit waren, über einen Minijob aufgefangen. Wir persönlich können noch nicht davon leben.
Sie sind also die klassischen Idealisten?
Wegner: Das mag sein, was aber nichts daran ändert, dass wir eine profitable Firma werden wollen. Die vielen tollen Rückmeldungen motivieren uns, einigen kleineren Betrieben sichern wir die Existenz. Ein Start-up ist eben kein kurzer Sprint, sondern ein Marathonlauf.
Mehr Infos unter www.hofladenbox.de
Ein Verzeichnis der Direktvermarkter im Fürther Land findet sich hier.
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