Gruppe von Verharmlosern? Wie einige Ärzte die Maskenpflicht untergraben

Anne Kleinmann

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6.8.2020, 12:30 Uhr

Der Mann am Mikrofon spricht von überzogenen Maßnahmen, gezielter Panikmache und einer weltweiten Inszenierung. Corona sei nicht schlimmer als die saisonalen Grippewellen, ruft er seinen Zuhörern zu. Viele klatschen, andere pflichten ihm laut rufend bei.

Ein Video bei YouTube zeigt die Szene, die sich vor gut zwei Monaten in Stuttgart bei einer Anti-Corona-Demo abspielte. Der Redner ist ein Arzt aus Hamburg, der zusammen mit drei weiteren Medizinern die Webseite "Ärzte für Aufklärung" betreibt. Etwa 2000 Unterstützer hat die Initiative nach eigenen Angaben, darunter auch Hunderte angebliche Ärzte, die sich namentlich und mit Wohnort auf der öffentlich einzusehenden Liste präsentieren. Auch fränkische Mediziner sind dabei, drei aus Nürnberg und vier aus Erlangen.

Wofür der Zusammenschluss genau steht, das wird auch bei genauer Betrachtung nicht ganz klar. Auf der Seite heißt es, man halte die aktuellen Maßnahmen für überzogen, darunter offenbar auch die Maskenpflicht. Als sich kürzlich Reporter des ARD-Magazin "Report Mainz" verdeckt an 40 der aufgelisteten Ärzte wandten und um ein Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht baten, wiesen 19 von ihnen dies nicht ab – und das obwohl die Reporter keinen medizinischen Grund angaben, sondern lediglich eine Abneigung gegen die geltende Gesetzeslage. Die vier Köpfe der Webseite wollten sich auf Anfrage unserer Zeitung zu keiner der gestellten Fragen äußern.

Ärzte reagieren abweisend

Ruft man die fränkischen Ärzte an, deren Namen auf der Unterstützerliste stehen, so will fast keiner etwas mit der Sache zu tun haben. Registriert habe man sich dort vor vielen Wochen, als es um die Forderung nach mehr Transparenz in der Coronakrise ging, erzählt ein Erlanger Arzt. Ein Attest gegen die Maskenpflicht ausstellen ohne gesundheitlichen Grund? Dass er so etwas tun würde, streitet er ab.


Schon ab 20 Neuinfektionen: Maskenpflicht im Unterricht


Auch ein anderer Arzt aus Nürnberg reagiert abweisend. "Ich bin Zahnarzt. Ich wüsste nicht mal, ob ich das rechtlich überhaupt darf", betont er. Informationen zu Corona hole er sich von vielen Seiten: "Ich lese die Mitteilungen der Ministerien, aber auch was Attila Hildmann (ein bekannter Anhänger von Verschwörungsideologien, Anmerkung der Redaktion) sagt." Gegenüber der Maskenpflicht sei er skeptisch, halte sich aber an die gesetzlichen Vorgaben.

Auch der Nürnberger Hausarzt Jörg Voit steht auf der Liste der Unterstützer, hatte sich aber, wie er sagt, aus einem anderen Grund an das Medizinerquartett gewandt: "Ich habe mich mit Konzepten bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus beschäftigt und den Kollegen meine Bedenken bezüglich der besonderen Risiken erläutert." Eine Antwort bekam er nicht, dafür wurde sein Name auf die Liste gesetzt. Auf mögliche Atteste zur Maskenbefreiung angesprochen, betont er, dass es zweifelsohne gesundheitliche Gründe für eine solche gebe. Ein Attest auszustellen, weil jemand auf die Maske keine Lust hat, oder dadurch seine Brille beschlägt, lehne er ab.

Doch auf der Liste finden sich auch Ärzte mit anderen Ansichten: Ein praktizierender Notarzt, dessen Wohnsitz zwar mit Erlangen angegeben ist, der laut seiner Aussage aber in Schleswig-Holstein wohnt, antwortet auf die Nachfrage zur Maskenpflicht: Ein Grund für ein Attest müsse schon vorliegen. "Aber den Maskenwahnsinn, der eingeführt wurde, nachdem die Infektionszahlen auf einem absteigenden Ast waren, kann ich nicht nachvollziehen."

Verstöße werden geahndet

Atteste auszustellen, ohne dass dafür ein medizinischer Grund wie etwa Asthma oder eine Behinderung, vorliegt, ist laut dem bayerischen Gesundheitsministerium zudem strafbar. Ärzte seien per Berufsrecht dazu verpflichtet, stets mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren. Die bayerische Ärztekammer wird konkreter: Laut der Berufsordnung muss ein persönlicher Arztbesuch erfolgen. Verstoßen Mediziner gegen die Regeln, drohen Rügen, Bußgelder oder sogar ein Strafverfahren. Für die Einhaltung der Regeln sind in Bayern die Ärztlichen Bezirksverbände (ÄBV) zuständig.

Der praktizierende Notarzt aus Schleswig-Holstein hat von seiner Ärztekammer bereits eine Abmahnung erhalten. Darin geht es allerdings nicht um etwaige Atteste, sondern um die Verbreitung von Verschwörungstheorien. Tatsächlich vermutet der Arzt hinter der Pandemie einen größeren Zusammenhang, spricht am Telefon sogar von mafiösen weltweiten Strukturen.

Im Freistaat wurden nach Angaben der Landesärztekammer bislang noch keine berufsrechtlichen Verfahren gegen Ärzte im Zuge der Pandemie eingeleitet. Allerdings gebe es Fälle, in denen die ÄBV auf die Einhaltung der Vorschriften hingewiesen haben. Die Haltung der Ärztekammer ist jedoch eindeutig: "Ärzte, die die Sinnhaftigkeit von Mund-Nase-Bedeckungen in Frage stellen, sollten die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und die Grundsatzentscheidung der Regierung nicht ignorieren."

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