Harsche Kritik an Asylpolitik: "Humanität ein Fremdwort"

Lorenz Bomhard

Ressortleiter Metropolregion Nürnberg und Bayern

E-Mail zur Autorenseite

30.7.2019, 09:44 Uhr
Das Ankerzentrum in Zirndorf: Während die Staatsregierung die Einrichtungen lobt, hagelt es Kritik von der Opposition und von Ehrenamtlichen. Auch Wohlfahrtsverbände sehen Aspekte der Humanität noch zu wenig berücksichtigt. Allerdings gibt es auch Lob für das Engagement der Behörden und Initiativen, gerade in Zirndorf.

© Foto: Thomas Scherer Das Ankerzentrum in Zirndorf: Während die Staatsregierung die Einrichtungen lobt, hagelt es Kritik von der Opposition und von Ehrenamtlichen. Auch Wohlfahrtsverbände sehen Aspekte der Humanität noch zu wenig berücksichtigt. Allerdings gibt es auch Lob für das Engagement der Behörden und Initiativen, gerade in Zirndorf.

Vor einem Jahr war es der große Aufreger, der sogar CDU und CSU entzweite. Bundesinnenminister Horst Seehofer legte es auf eine Machtprobe mit Kanzlerin Angela Merkel an, als er die Zurückweisung bereits in der EU registrierter Flüchtlinge forderte. Damals war Landtagswahlkampf in Bayern, und interessant ist, dass das Thema Flüchtlinge seither immer mehr in den Hintergrund gerät. Auch, weil Markus Söder und die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer die Konflikte der Schwesterparteien nicht mehr öffentlich austragen.

Allerdings hat die CSU-Staatsregierung im Sommer 2018 in Bayern ein "Landesamt für Asyl und Rückführung" sowie Ankerzentren in allen Regierungsbezirken gegründet. Zum einjährigen Bestehen des Landesamts stellen Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann drei Erfolge heraus: "Gelungene Balance zwischen Humanität und Ordnung, konsequente Abschiebung von Straftätern, Klärung von mehr als 2000 Identitäten."

Durch die verstärkte Förderung der freiwilligen Ausreise schaffe das Landesamt erfolgreich Anreize für die Rückkehr der Asylbewerber. 11.742 Personen nutzten die Prämien von 800 bis 1200 Euro pro Person, Kinder bekommen die Hälfte. 2019 waren es bereits 5594 freiwillig Ausgereiste. Bisher gab es im laufenden Jahr 1728 Abschiebungen (Gesamtjahr 2018: 3265). Im ersten Halbjahr 2019 stehen damit 7322 Ausreisen 9746 neue Asylerstanträge gegenüber. Herrmann: "Besonders wichtig ist mir, bei den Abschiebungen eine klare Priorität auf Straftäter und Gefährder zu legen. So waren letztes Jahr über 40 Prozent der Abgeschobenen vorher mit Straftaten polizeilich in Erscheinung getreten."

Seit seiner Gründung konnte das Landesamt, so Herrmann, außerdem in insgesamt 2256 Fällen Identitäten klären. Für freiwillige Ausreisen und für Abschiebungen seien zudem in 1398 Fällen Passersatzpapiere von den Herkunftsländern beschafft worden.

"Situation stabilisiert"

Gülseren Demirel, Abgeordnete der Grünen aus München, hier mit ihrer Nürnberger Kollegin Verena Osgyan in Zirndorf, kritisiert die bayerische Asylpolitik.

Gülseren Demirel, Abgeordnete der Grünen aus München, hier mit ihrer Nürnberger Kollegin Verena Osgyan in Zirndorf, kritisiert die bayerische Asylpolitik. © Foto: Andre de Geare

Söder betonte, das Amt habe in dem Jahr seines Bestehens zur Beruhigung und Stabilisierung der Situation beigetragen. Entscheidend sei auch, dass in Bayern alle Maßnahmen – darunter die Arbeit der eigens eingerichteten Grenzpolizei und der Ankerzentren für Migranten – ineinandergriffen. Damit sei der Freistaat gerüstet, wenn wieder mehr Flüchtlinge kommen sollten. Insbesondere durch die Ankerzentren, die verschiedene Behörden unter einem Dach bündeln, sei die Bearbeitungszeit von Erstanträgen auf etwa zwei Monate gesunken.


Herrmann: Asylverfahren in Ankerzentren haben sich beschleunigt


Deutliche Kritik an der Asylpolitik kommt derweil vom bayerischen Flüchtlingsrat. "Mit tausend Personalstellen bringt es System in die Entrechtung, Kriminalisierung und Abschiebung von Flüchtlingen." Statt Flüchtlingen ordentliche Personalpapiere der Bundesrepublik Deutschland auszuhändigen, stempelten Mitarbeiter nach Ablehnung von Asylanträgen lediglich die Aufenthaltsgestattungen als ungültig.

Auflösung gefordert

Damit könnten sich die betroffenen Flüchtlinge nicht mehr ausweisen und würden serienweise mit Strafverfahren wegen illegalen Aufenthalts überzogen. Ein weiterer Vorwurf von Alexander Thal vom Flüchtlingsrat: Mitarbeiter des Abschiebe-Landesamtes würden Erlaubnisse für Arbeit und Ausbildung verweigern, so Integration verhindern und damit erst die Grundlage für Abschiebung schaffen. Regelmäßig komme es zu Familientrennungen, "Humanität scheint in Bayern inzwischen ein Fremdwort zu sein", heißt es wörtlich.

Der Flüchtlingsrat fordert deshalb, das Landesamt aufzulösen und mit den freiwerdenden Millionen die Integration von Flüchtlingen zu fördern. "Gelingende Integration von Flüchtlingen ist das beste Argument gegen die Hetze von Nazis und Rechten aus der AfD."


Antrag im Stadtrat: Nürnberg soll mehr Flüchtlinge aufnehmen


Auch die Arbeiterwohlfahrt geht streng mit der Asylpolitik ins Gericht. "Nach zwölf Monaten ist die Arbeiterwohlfahrt nach wie vor der Meinung, dass diese Art der Massenunterkünfte menschenunwürdig ist. Deshalb erneuern wir unser 'Nein zu Anker-Zentren'", erklärt der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Bayern, Thomas Beyer.

Er bemängelt die Größe der Zentren sowie mangelnde Privatsphäre in ihnen. So könnten Bewohner in manchen Einrichtungen ihre Zimmer nicht abschließen, was insbesondere allein untergebrachte Frauen und ihre Kinder ängstige. Die fehlende Kinderbetreuung und der fehlende Zugang zur Schule in vielen dieser Einrichtungen verstoßen gegen das Kindeswohl, sagen Awo und Landtags-Grüne.

Beratung nötig

Gülseren Demirel, Abgeordnete aus München, hatte zuletzt mit anderen Grünen die Einrichtung in Zirndorf und an anderen Standorten besucht und das Gespräch mit Initiativen, Kirchen und der Polizei gesucht. Lob findet sie für das Engagement rund um das Ankerzentrum in Zirndorf, in dem es beispielsweise Kinderbetreuung und sogar Kochstellen gebe. Die Betroffenen bräuchten aber Beratung, wenn bereits am dritten Tag ihres Aufenthalts das Asylverfahren beginnt.

 

Dass Asylsuchende zur Untätigkeit verdammt sind, während mittelständische Betriebe händeringend Auszubildende suchen, kritisiert die Grüne.