Fahrrad-Hype trifft Streckenparadies rund um Neumarkt
9.7.2020, 09:32 UhrManfred Büttner gibt sich keinen Illusionen hin. Von den knapp 15 Jugendlichen, die er beim Neumarkter Triathlon-Verein Windschatten anleitet, hätte sich keiner alleine aufgrund der Kontaktbeschränkungen in anderen Sportarten für das Mountainbike-Training interessiert. "Die bringen sich gegenseitig mit", erklärt der 52-jährige Rad-Veteran, der die Ausflüge ins Gelände erst 2003 als winterlichen Zeitvertreib bis zur Rennrad-Saison zu schätzen lernte. Auch die Größe der Freizeitgruppe mit etwa einem Dutzend Köpfen, bewege sich durch gelegentliche Zu- und Abgänge bestenfalls konstant. Ungleich stärker gewachsen sei dafür in den vergangenen Jahren der Verwaltungsaufwand, ärgert sich der Übungsleiter. So würden es Vereine in Zukunft schwer haben, Angebote aufrechtzuerhalten.
Naturgemäß schneller kommt ein Fahrrad-Hype im Privatsektor an. Zwar habe man seit Anfang März aus bekannten Gründen keine geführten Touren mehr anbieten können, wie Jörg Hafner von Sport & More berichtet, aber dennoch vom Bewegungsdrang der Bevölkerung profitiert. "Die Leute verbringen ihren Urlaub zu Hause und investieren stattdessen ins Material. In der Reparatur-Werkstatt herrscht Hochbetrieb und die Lagerbestände an Neurädern sind ausverkauft." Während Kollege Manfred Büttner damit rechnet, dass die frischen Gefährte "bei vielen nächstes Jahr wieder im Keller stehen", steht selbst Hafner dem aktuell hohen Aufkommen bei gutem Wetter nicht uneingeschränkt positiv gegenüber.
Gedränge am Kanal
"Am Wochenende ist am Kanal Gott und die Welt unterwegs. Das macht keinen Spaß", konstatiert Hafner, der daheim den Dillberg direkt vor der Haustüre hat und sich mitunter über Anfänger auf den anspruchsvolleren Trails wundert. "Was nützt das tollste Rad, wenn die Technik fehlt?" Weil es im ungünstigsten Fall sogar gesundheitlich gefährlich wird, wirbt Hafner für professionelle Kurse etwa des DAV. Gerade mit E-Bikes hat wiederum Manfred Büttner seine einschlägigen Erfahrungen gemacht und die Einsicht bei älteren Gefolgschaften vermisst. "Mancher Sturz ist da vorprogrammiert. Richtiges Bremsen will eben geübt sein." Bei einer Geschwindigkeit von 25 km/h hält Büttner verpflichtende Schulungen für notwendig. "Als 15-Jähriger durfte ich ja auch nur mit einem Führerschein Mofa fahren, und das aus gutem Grund mit Helm."
Wiewohl die Polizeiinspektion Neumarkt in Person von Sprecher Martin Meier bestätigt, "grundsätzlich hat der Fahrrad- und Ausflugsverkehr zugenommen", sei im Moment kein konkreter Anstieg von Unfällen auf unbefestigten Wegen festzustellen. Im Zeitraum seit dem 1. März wurden im Landkreis insgesamt 47 Unfälle mit Fahrrad-Beteiligung registriert.
Im Zusammenhang mit den Belangen einer etablierten Mountainbike-Szene ist derweil im benachbarten Nürnberger Reichswald ein bekannter Konflikt erneut hochgekocht. Das Problem diverser illegaler Schanzen, die auf Betreiben der Stadt und der Forstverwaltung beseitigt werden sollen, schwappte längst in den Raum Neumarkt — ohne dass das Thema bis dato in der Stadtverwaltung aufgeschlagen wäre — über. Einhellig sprechen Jörg Hafner und Manfred Büttner zunächst von einem bisweilen überwiegend harmonischen Zusammenleben der Akteure. Schließlich lässt das heimische, von Urgestein Jürgen Flemmerer bis Sommer 2016 in einem aufwendigen Projekt digitalisierte Streckennetz auf fast 350 Kilometern genug Entfaltungsmöglichkeiten und wird auf den neun Routen ein Verhaltenskodex gegenseitiger Rücksichtnahme eingefordert. Allerdings gäbe es an der einen oder anderen Ecke durchaus Klärungsbedarf. Am Fuchsweg auf der beliebten Buchberg-Runde rumort es nach gehäuften Begegnungen mit Spaziergängern, verrät Manfred Büttner. "Wie man in den Wald hineinruft", vermutet er in der Angelegenheit zumindest Schuldige auf beiden Seiten.
Spuren von Motorrädern
In einen vehementen Verteidigungsmodus schaltet der Mountainbike-Routinier außerdem, wenn unrechtmäßige Sprung-Konstruktionen von Jugendlichen angeprangert werden. "Ich könnte eine offiziell angelegte Schanze gar nicht von einer improvisierten unterscheiden. Dazu verschwinden diese Bauten in der Regel wieder, sobald die Jugendlichen woanders eine neue Abwechslung finden." Büttner verweist auf das Vorzeige-Beispiel des Bikeparks Ezelsdorf, umgesetzt durch die konsequente Einbindung der vermeintlichen Chaoten des Waldes. Sein Fazit: Je besser die Vereinsarbeit im Zweiradbereich unterstützt wird, desto gezielter kann die Abenteuerlust auf unterschiedlichen Anlagen gestillt und der Nachwuchs über die Befindlichkeiten aufgeklärt werden. In der anderen Richtung müssen umsichtige Fahrer sogar fürchten, auf regulären Trails in mutwillig platzierte Hindernisse zu geraten. Es steht laut Büttner zu vermuten, dass damit die Abwehr motorisierter Gäste beabsichtigt wird, die immer wieder Spuren hinterlassen und der Natur tatsächlich den größten Schaden zufügen.
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