1. Mai 1971: Wein aus dem Löwenbrunnen
1.5.2021, 08:55 UhrBereits um 11 Uhr erklingt aus den Fenstern des aufpolierten Patrizierhauses eine Altnürnberger Bläsermusik. Die Hans-Sachs-Spielgruppe führt in historischen Trachten der Handwerker Texte des Schuhmacher-Poeten auf.
Wem das Ganze immer noch zu trocken ist, der kann sich mit einem kräftigen Schluck Kallstädter Patenwein die Kehle befeuchten. Das erfrischende Getränk sprudelt aus dem Original-Löwenbrunnen von 1648, der am Eingang des Fembohauses eiserne Wacht hält, wo zu früheren Zeiten der Faktor die Gäste des Hauses kontrollierte. Der Eintritt am Sonntag ist übrigens frei.
Die Ausstattung des Museums entführt den Besucher in eine Zeit, als Nürnberg noch der Nabel einer kleinen Welt war, als sich die große Diplomatie in dieser Stadt traf und den Friedensschluß nach dem 30jährigen Krieg mit einer Mammut-Völlerei gefeiert wurde. Wandgroße Gemälde geben Kunde davon, daß auch schon vor 300 Jahren in dieser Stadt üppig gelebt wurde. Sie zeigen aber auch, wie sich das Volk auf der Straße um den Wein balgte, während sich die Räte der Stadt vor Lachen die Bäuche hielten.
Eine halbe Million DM hat die Stadt aufgewendet, um das renommierte Haus mit den Butzenscheiben in seiner Historie zu restaurieren. Die drei Dutzend Räume stellen allerdings keine geschichtliche Abfolge der einzelnen Stil-Epochen dar, sie bilden eigene in sich abgeschlossene Einheiten, in denen es sich reizvoll und mit viel Muße leben ließe.
Das Prachtstück des Hauses ist der getäfelte Familiensaal in Renaissance, in dem 7000 Münzen und Medaillen gezeigt werden, die Museumsleiter Dr. Karl-Heinz Schreyl zu den „edelsten Erzeugnissen“ der Medaillenkunst zählt. In anderen Gemächern sind es die Fayence-Sammlungen, die wertvollen Graphikbestände und eben die historischen Möbel-Ensembles geben einen umfangreichen Einblick in die privilegierten Wohnverhältnisse der Patrizier, die sich im Fembohaus beim Harfenspiel oder am Spinett die Zeit vertrieben, die sich ins Turmzimmer zum Studium zurückzogen.
Ein betuchter niederländischer Kaufmann war der erste, der das über 500 Jahre alte Haus mit dem charakteristischen Valuta-Giebel erwarb. Der kaiserliche Rat Christoph Jakob Behaim heiratete die richtige Frau und wurde auf diese Weise der nächste Fembo-Herr.
Es dauerte noch über 300 Jahre bis die traditionsbeladene Stätte 1928 wieder in das Eigentum der Stadt Nürnberg zurückging. Der Nürnberger Baumeistersohn Heinz Schmeißner, der vor zwei Jahren als Chef des Bauhofes pensioniert wurde, war einer der letzten, der als Schüler das Glück hatte, in dem Butzenscheiben-Idyll am Burgberg zu wohnen. Für seine Klassenkameraden war er deshalb immer „Der Fembo“.
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