15. Juni 1967: Nürnberger Folterwerkzeug in London?
15.6.2017, 07:00 UhrDie Fachleute hierzulande sind sich allesamt einig, daß es sich bei dem ramponierten Londoner Grusel-Mädchen nicht um das Exemplar handelt, das sich auf der Burg befand. Das Original ist im Feuersturm vernichtet worden. Wegen dem ehemaligen Folterkammer-Prachtstück haben von Zeit zu Zeit immer wieder berufene Leut zur Feder gegriffen. Kenner wie der Historiker Ernst Mummenhoff und Professor Dr. Fritz Traugott Schulz bemühten sich, die Fabeln zu zerstören, die sich um die „Eiserne Jungfrau“ rankten. Schließlich steht fest, daß das Instrument nie zur Folterung bedauernswerter Delinquenten benutzt worden ist, sondern als Schandmantel für straffällig gewordene Frauen und Mädchen gebraucht wurde.
Wahrscheinlich gehörte die Figur ehemals zum Inventar der alten Burg Elbogen bei Karlsbad, kam später nach Eisenstadt in Ungarn und wurde endlich als Torso vom Nürnberger Kupferstecher und Antiquitätenhändler Georg Friedrich Geuder erworben. Er ließ die Dame restaurieren, ersetzte die hölzernen Spitzen, die den Aufenthalt darin recht ungemütlich gemacht haben, durch eiserne aus der napoleonischen Zeit und krönte das Werk mit einer weiblichen Maske, die er mit Haube und Kragen versah.
Eine fachtechnische Unterhaltung der Bayerischen Landesgewerbeanstalt in den zwanziger Jahren ergab jedenfalls, daß die „Eiserne Jungfrau“ in verschiedenen Perioden Schönheitsoperationen unterzogen worden war und einzelne neue Teile bekommen hatte. Die Originalstücke – der Eichenholzkern mit der Eisen-Ummantelung – stammten aus dem 15. Jahrhundert, das Gesicht dagegen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, geschickt patiniert mit einem Gemisch aus Lein, Sand und rostigen Eisenpfeilspänen.
So präsentierte sich also die „Eiserne Jungfrau“ den Besuchern, als sie seit mindestens 1862 – das beweist ein Aufsatz in der „Gartenlaube“ im Fröschturm beim Maxtor, ab 1878 im Fünfeckigen Turm stand. Durch das Testament des Münchner Arztes Dr. Christian Rehlen und seiner Frau Kathinka, einer geborenen Geuder, wurde die Sammlung 1931 Eigentum der Stadt Nürnberg. Sie ist im zweiten Weltkrieg mit dem Fünfeckigen Turm in Schutt und Asche gesunken.
Baudirektor Harald Clauß, der Bauhof-Fachmann für Denkmalspflege, versichert, daß die schreckenerregende Maid nicht aus den Überbleibseln geborgen wurde. Baudirektor Julius Lincke, der in Nürnberg viele Kunstwerke geborgen hat, erklärt: „Für das Zeug im Fünfeckigen Turm hab‘ ich keinen Finger krumm gemacht. Im Schutt fanden sich keine Reste der „Eisernen Jungfrau“.
Nachbau nicht von der Hand zu weisen
Beim Vergleich der Photos, die das Hochbauamt vom einstigen Nürnberger Stück noch besitzt, mit jener Aufnahme, die in „News of the World“ veröffentlicht wurde, ergeben sich obendrein einige feine Unterschiede. Zwar könnte die Größe stimmen, aber die Nieten auf der Ummantelung decken sich nicht, die Türgriffe besitzen eine andere Form und sind obendrein an Bandeisen befestigt, die Dolche im Inneren scheinen offenbar in andere Richtungen zu zielen. Außerdem sind an der Haube Unstimmigkeiten zu entdecken.
Da es sich zudem nicht um die viel kleinere „Eiserne Jungfrau“ vom Schloß Feistritz handeln kann, bleibt am Ende nur der Schluß: in London befindet sich eine Nachbildung des Nürnberger Originals, die sehr geschickt gemacht worden ist. Ein Nachbau ist schon vor allem deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil sich Interessenten jederzeit über das Aussehen der Nürnberger Jungfrau bei der Bildstelle des Hochbauamtes informieren können. Es hat schließlich auch einmal einen französischen Kunden zufriedengestellt, der sechs Aufnahmen – von allen Seiten – gewünscht hatte.
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