29. Juli 1970: Bundesbahn ist wenig zugkräftig

NN

29.7.2020, 07:00 Uhr
29. Juli 1970: Bundesbahn ist wenig zugkräftig

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Vor allem für die drei Personengruppen Lokomotiv-Fahrdienst, Rangierbahnhof und Güterabfertigung trifft das zu: „Ich kann sie schon gar nicht mehr beschwichtigen, denn unser Hochgeschäft kommt erst im Herbst auf uns zu. Dann wird die Lage sicher noch prekärer werden“, sagt Leo Malcherczyk, Be-zirkssekretär der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands.

Auch Franz-Josef Meyer, Leiter der Personalabteilung der Bundesbahndirektion Nürnberg, weiß um den Ernst der Situation. Aber er gibt sich optimistischer: „Die Personallage ist angespannt, aber bei weitem nicht katastrophal.“ Daß sie es nicht ist, schreibt er der großangelegten Werbeaktion der Bundesbahn zu, die trotz allgemeinen Arbeitskräftemangels 10.240 Neueinstellungen ermöglichte.

Das Bild wäre falsch, ließe man diese Zahl so stehen: die Fluktuation bei der Bahn ist groß. „Die Neueingetretenen merken bald, daß das Brot bei uns sauer zu verdienen ist. Dann wandern sie wieder ab in die freie Wirtschaft“, sagte Leo Malcherczyk.

Immerhin aber hat sich der Personalstand bei der Direktion Nürnberg von Januar bis zum Juni von 25.750 auf 26.407 erhöht. Unter Ihnen Gastarbeiter, meist Italiener und Jugoslawen, die als Rangierer, Umlader und im Baudienst eingesetzt sind. Das Eintreffen von weiteren 79 Jugoslawen wird jeden Augenblick erwartet.

Doch das reicht immer noch nicht: die kostspielige Werbung soll fortgesetzt werden, weil noch rund 800 Arbeitskräfte fehlen. Bei anhaltender Fluktuation werden es mehr sein.

Der Personalchef der Nürnberger Direktion sieht aber schon positive Seiten: die Mehrleistungen, die die Bundesbahn-Bediensteten wegen des Personalmangels haben erbringen müssen, sind von Mai auf Juni erstmals zurückgegangen. Im Mai machte der Gesamtstand der Überstunden 74.574 Tage aus, im Juni waren es „nur noch“ 73.215 Tage.

Besonders großen Anteil an den Überstunden haben die Lokführer. Bei ihnen stieg als Ausnahmefall die Zahl der mehrgeleisteten Tage von 28 200 auf 30.225 an. Pro Kopf macht das im Lokfahrdienst 12,3 Tage aus – viermal soviel wie die anderen Bahnbediensteten.

Darum richtet sich das Augenmerk jetzt vor allem auf den Lokfahrdienst. „Wir haben 2.412 Lokfahrposten, von denen 100 nicht besetzt sind. Die starke Fluktuation für die Dauer der eineinhalbjährigen Ausbildungszeit einberechnet, fehlen uns 250 neue Kräfte – und 200 Bewerbungen liegen mir derzeit vor“, freut sich Franz-Josef Meyer.