An die Schweinegrippe im Jahr 2009 kann Bernd Wicklein sich noch gut erinnern. "Das war die intensivste Zeit", sagt er. "Da waren wir jeden Tag von fünf Uhr morgens bis kurz vor Mitternacht im Dienst. Ich konnte mich manchmal gar nicht daran erinnern, wie ich nach Hause gekommen bin. So erschöpft sind wir gewesen."
Wicklein arbeitet für die "Task-Force Infektiologie" am Münchner Flughafen. Die steht in diesen Tagen wegen des auf dem Vormarsch befindlichen neuen Corona-Virus in China möglicherweise wieder vor einer intensiven Zeit - und ist noch wachsamer als ohnehin schon.
Den chinesischen Behörden zufolge liegt die Zahl der nachgewiesenen Infektionen bei rund 2000. Mehr als 55 der Patienten sind gestorben, zumeist ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Mit der Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest wächst die Gefahr einer Ausbreitung der Viruskrankheit. Erste Fälle in Europa wurden aus Frankreich gemeldet.
Um die 40 Flugbewegungen gibt es nach Angaben eines Flughafen-Sprechers pro Woche zwischen München und China. Die Region Wuhan wird nicht direkt angeflogen, von nirgendwo aus Deutschland.
"Trotzdem kann es natürlich auch in Deutschland zu Verdachtsfällen kommen", sagt Wickleins Chef Martin Hoch, der Leiter der 2014 ins Leben gerufenen Task-Force. "Aber im Moment sieht es nicht so aus, als ob wir es mit einem zweiten SARS zu tun haben."
Die Task-Force ist am bayerischen Landesamt für Gesundheit (LGL) angesiedelt und nach dessen Angaben ziemlich einzigartig in Deutschland. Zwar gebe es selbstverständlich an allen großen Flughäfen Experten für Infektionskrankheiten. Die Organisation als Task-Force gebe es so aber bundesweit nicht noch einmal.
Sollte es einen Notfall mit ansteckenden Krankheiten geben, übernimmt die Einheit die Einsatzleitung. Sie ist dabei nicht nur für den Münchner Flughafen zuständig, sondern auch für die in Nürnberg und Memmingen und die Schiffshäfen in Passau und Lindau. Ihren mit Schutzanzügen und Atemmasken überfüllten Einsatzraum hat die Task-Force direkt am Münchner Rollfeld - denn manchmal muss es schnell gehen.
"Wenn ein Alarm kommt, haben wir auch die Möglichkeit, ein Flugzeug zu separieren und am Rand abzustellen, um es zu untersuchen", sagt Siegfried Ippisch, Organisatorischer Infektionsschutzleiter der fünfköpfigen Task-Force, der außerdem noch ein weiterer Arzt und eine Epidemiologin angehören.
Im Verdachtsfall rücken sie dann an mit ihren Koffern voller Schutzanzüge, Atemmasken - und einem Fern-Fieberthermometer. Sie sprechen mit den Patienten, finden heraus, wo sie in der jüngeren Vergangenheit waren und ob sie sich dort mit einer schweren Krankheit haben anstecken können.
Sie veranlassen eine Probenentnahme, die - je nach Verdacht - in einem Labor des Landesamtes oder in Hochsicherheitslaboren wie das Robert-Koch-Institut (RKI) sie hat, untersucht werden. Und sie sorgen dafür, dass tatsächlich infizierte Patienten so schnell wie möglich auf die Sonderisolierstation des Schwabinger Krankenhauses gebracht werden. Das Flugzeug, mit dem sie landeten, wird in solchen Fällen desinfiziert.
Kommentar: Warnungen vor dem Corona-Virus sind sinnvoll
Die Einsatztruppe hat einen konkreten Alarmplan, der auch im Falle des neuen Corona-Virus' in Kraft treten würde, sollte es soweit sein. "Es gibt da mehrere Eskalationsstufen", sagt Ippisch. Zunächst gehe es vor allem um Information. In Sachen Lungenkrankheit aus China sind in Bayern schon die Ärzte informiert worden, damit sie Augen und Ohren offen halten. In einem weiteren Schritt würden dann Flyer ausgeteilt ("Die sind schon in Vorbereitung") oder Informationen auf Bildschirmen im Flughafen verbreitet. Eskalationsstufe drei ist es dann, wenn Kontrolleure sich die Passagiere, die in München landen, ganz genau anschauen, wenn sie aus dem Flieger kommen.
"Aber wenn jemand ein Fiebermittel oder andere Medikamente eingenommen hat, dann hat er möglicherweise keine Temperatur mehr und sieht möglicherweise auch nicht mehr krank aus", sagt Ippisch. Der letzte Schritt auf der Eskalations-Skala wäre es dann beispielsweise, Flüge aus Risikogebieten komplett zu streichen. So lange Ippisch und Wicklein am Flughafen arbeiten (und das ist schon eine ganze Weile), ist das allerdings noch nicht vorgekommen.
Corona-Virus beschäftigt auch Nürnberger Spielwarenmesse
Häufig werden nach Angaben der Taskforce aber Masern oder Windpocken gemeldet. Und drei, vier Mal im Jahr gebe es "etwas Großes" - den Verdacht auf Ebola oder Lassafieber zum Beispiel. Bestätigt habe der Verdacht sich bislang noch nie - "zum Glück", sagt Ippisch und erzählt eine Geschichte: "Zu Zeiten des Ebolaausbruchs in Westafrika hatten wir mal einen dunkelhäutigen Passagier. Der war noch nie in Afrika gewesen, hatte sich aber auf die Lippe gebissen und die Stewardess hat das Blut gesehen. Daraufhin hat sie Ebola-Alarm ausgelöst. 150 Leute waren im Einsatz. Nach zehn Minuten hat sich das geklärt."
Die Task-Force warnt darum davor, dass Leute nun in Zeiten des neuen Corona-Virus wegen ihrer Herkunft stigmatisiert werden - denn: "Wenn jemand, der aus China kommt, Fieber bekommt oder hustet, dann handelt es sich am wahrscheinlichsten um eine normale Erkältung und nicht um das neue Virus."