Ein Jahr danach: Hemmungen bei Cannabis auf Rezept
26.3.2018, 06:00 UhrDer Gesetzgeber erlaubt die Medikation, wenn andere therapeutische Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Oder der Arzt im Einzelfall entscheidet, dass therapeutische Alternativen nicht angebracht sind. So kommt auch in der Schmerzambulanz am Klinikum Nürnberg inzwischen Cannabis als Medizin zum Einsatz - wenn auch selten. Gerade einmal 20 Patienten wurden dort in den vergangenen zwölf Monaten damit behandelt - bei etwa 300 bis 400 Patienten insgesamt pro Jahr.
Dr. Dirk Risack, Oberarzt in der Schmerzambulanz, sieht das Thema duchaus ambivalent. "Für die wenigen Patienten, die davon profitieren, ist diese Möglichkeit richtig gut. Denn sie bekommen die Kosten von der Kasse erstattet." Bei etwa 400 bis 800 Euro im Monat sei das eine deutliche Erleichterung.
Doch den behandelnden Ärzten stellen sich Probleme in den Weg. "Die medizinische Beweislage ist durchaus dünn. Es gibt nur bescheidene Hinweise auf die Wirksamkeit von Cannabis", so Risack. So zeige es etwa bei Patienten mit Krebsschmerzen keine oder nur eine bescheidene Wirksamkeit. Relativ gesichert sei hingegen, dass sich dadurch der Appetit verbessert und es gegen Übelkeit wirkt.
"Kein Wundermittel"
Selbst der Deutsche Hanfverband, der die Gesetzesänderung begrüßt, stellt fest, dass Cannabis "kein Wundermittel" ist und nicht allen Patienten hilft - und kritisiert dabei aber auch die "jahrzehntelang blockierte Forschung" in diesem Bereich.
In der Schmerzambulanz am Klinikum wird Cannabis - wenn überhaupt -als Drittlinientherapie bei Nervenschmerzen eingesetzt. Dabei kommen vor allem Tabletten und Tropfen zum Einsatz.
Ärzten steht es frei, eine Cannabis-Therapie zu verschreiben. Laut der Kassenärztlichen Vereinigung in Bayern (KVB) sind das nicht wenige. "Nach unseren Daten, gerade auch im bundesweiten Vergleich, werden in Bayern überproportional viele Patienten mit Cannabis versorgt", so Dr. Kerstin Behnke, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation bei der KVB. Im vierten Quartal 2017 hätten demnach etwa 2000 Patienten cannabishaltige Arzneimittel mit Genehmigung durch die Krankenkassen erhalten.
Mehraufwand und Furcht
Die Vermutung, der Mehraufwand an Bürokratie oder gar die Furcht vor einer bestimmten Klientel im Wartezimmer könnte ein Hemmnis für manche Ärzte sein, will man unterdessen bei der KVB so nicht stehen lassen. "Aufgrund der unzureichenden wissenschaftlichen Datenlage mag es Zurückhaltung geben. Auch der Vorbehalt der Krankenkassen, im Nachgang einer erteilten Genehmigung eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung nicht auszuschließen, wirkt sicherlich hemmend", so Kerstin Behnke. Doch angesichts der Zahlen dürfe man den im Raum stehenden Vorwurf, die Ärzteschaft würde sich verweigern, nicht stehen lassen. "Es mag selbstverständlich Einzelfälle geben, in denen es für Patienten extrem schwierig ist, Ihrem Ansinnen nach einer Cannabis-Versorgung gerecht zu werden", wie sie jedoch einräumt.
Und nicht nur deshalb kommt nicht jeder Patient zum Zug: Rund die Hälfte der Anträge von Patienten auf medizinisches Cannabis war im Herbst des vergangenen Jahres abgelehnt worden. Nach Angaben des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gab es rund 12.000 Anträge, von denen etwa 6800 genehmigt wurden - andere scheiterten auch wegen fehlerhafter oder unvollständiger Anträge.
Die Novellierung stellt auch die Apotheken vor neue Aufgaben. "Die Tendenz war von Quartal zu Quartal steigend, sowohl bei Rezepten als auch bei den Abgabeeinheiten", wie Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekenkammer, unlängst erklärte. Lieferengpässe waren zuweilen die Folge. Von Wartezeiten, die Patienten hin und wieder in Kauf nehmen müssten, berichtet auch Wilhelm Bouhon, Inhaber der Mohren-Apotheke in der Königstraße. Aber insgesamt sei man darauf eingestellt und käme damit gut zurecht. "Aber natürlich gab es auch für uns viele Unklarheiten darüber, was man darf und was nicht." Doch grundsätzlich sei er von der Wirksamkeit von Cannabis bei Schmerzpatienten überzeugt.
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