"Jamnitzer für alle": 150 Menschen demonstrieren in Gostenhof
12.9.2020, 19:41 UhrDer Frust sitzt tief. Immer wieder finden die 150 vor allem jungen Menschen deutliche Worte. Der Grund ist einfach: Sie wollen nicht vertrieben werden, nicht aus Gostenhof und nicht von dem Ort, der für sie wie kein anderer für den Stadtteil steht: der Jamnitzer Platz.
Polizei "tritt und schlägt"
Auf dem haben sie sich versammelt, um gegen zwei Dinge zu demonstrieren, die sie genau dort erleben: Gentrifizierung und Polizeigewalt. Beides vereint sich am Jamnitzer Platz, wenn auch nicht auf den ersten Blick sichtbar. Die Polizei ist zwar stark vertreten an diesem Samstagnachmittag, an allen Straßen rund um den Treffpunkt stehen Polizeiautos mit Einsatzkräften. Doch halten sich die Beamten zurück, nur ein paar Taschenkontrollen sorgen für Unmut.
Dass sei nicht immer so, sagt Jürgen Kubista. Er ist Mitglied der "Prolos" Nürnberg, die die Kundgebung zusammen mit "Auf der Suche - Anarchistische Gruppe Nürnberg" organisiert haben. "In den letzten Wochen wurde es wiederholt dokumentiert", sagt Kubista, "die Polizei belässt es nicht bei Beleidigungen, sie würgt, tritt und schlägt". Zehn Jahre reichen solche Vorkommnisse schon zurück, als es nach einem Kneipenfestival "eine Hetzjagd auf Menschen" gegeben hat, erinnert sich Kubista. Die Polizei hat den Vorwürfen damals widersprochen, doch auch mehrere Stadträte kritisierten die Einsatzkräfte.
Immer wieder Tumulte am "Jamnitzer"
Auch zehn Jahre später hat sich die Situation am Jamnitzer Platz nicht verbessert, im Gegenteil. Die Auseinandersetzungen häufen sich, immer wieder kommt es zu Tumulten. Auch weil "viele die Polizeiaktionen nicht mehr ohne weiteres hinnehmen wollen", kündigt Jürgen Kubista an. "Gegen die Verdrängung von unseren Plätzen und aus unseren Stadtteilen müssen wir zusammenstehen."
Deshalb verkaufen sie Soli-T-Shirts. Mit den Einnahmen werden zum Beispiel Gerichtskosten gezahlt, wie die der zwei Angeklagten, die am 22. September vor Gericht stehen, erklärt Sprecher Michael. "Der Vorwurf ist allen Ernstes, dass im Juni 2019 Polizeikräfte laut und unfreundlich aufgefordert worden sein sollen, den Jamnitzer Platz zu verlassen und die Parknutzer in Ruhe zu lassen."
Mietpreise explodieren
Dabei sehen die kaum eine andere Möglichkeit, als sich hier zu treffen - wegen der Gentrifizierung. Durch den Zuzug einkommensstarker Bürger und "Luxussanierungen" steigen nicht nur die Mietpreise - laut dem Internetportal Immowelt innerhalb von zwei Jahren um fast fünf Euro pro Quadratmeter -, sondern auch Kneipen- und Restaurantpreise.
Deswegen ist der Jamnitzer Platz wichtig, weil hier Freunde "quatschen, spielen, spazierengehen, feiern und Sport machen", sagen ein paar junge Frauen aus der Anarchischen Gruppe. "Hier sollte es keinen Konsumzwang geben."
Solidarischer Umgang prägt den Platz
Mit Sorge blicken sie auf die Pläne der Stadt, die den Jamnitzer Platz für 1,4 Millionen Euro umbauen will. Die Bürger sollen mitgenommen werden, einige Veranstaltungen zur zukünftigen Gestaltung des Platzes haben schon stattgefunden. Die Vorstellungen der Betreiber des autonomen Stadtteilladens Schwarzen Katze, der Anwohner und von Vertretern des Bürgervereins zu Grüngestaltung wurden aufgenommen.
Die Gruppe vor Ort rechnet dennoch damit, dass die Aufenthaltsqualität sinkt. Zum Beispiel weil der große Treffpunkt im Zentrum zerteilt werden können. Die Organisatoren der Demo haben selbst abgefragt, was sich die Nutzer des Jamnitzer Platzes wünschen: einen Späti-Kiosk, zum Beispiel, einen Pavillon, öffentliche Toiletten oder einen selbstverwalteten Garten.
Jürgen Kubista glaubt zu wissen, was sich die wünschen, die in teure Lofts nach Gostenhof ziehen. "Hip soll es sein, ein ausreichendes Bar- und Restaurant-Angebot beinhalten, coole Läden, aber um zehn sollen die Bürgersteige hochgeklappt werden." So aber, sagt Kubista, funktioniert der "Jamnitzer" nicht. Hier gehe es darum, interessante unterschiedliche Leute zu treffen, ein solidarischer Umgang präge diesen Platz. Auch dann, wenn keine Demo ist.
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