Jüdisches Leben in Nürnberg: Pannen bei Planung des Jubiläumsjahres

Wolfgang Heilig-Achneck

Lokalredaktion

E-Mail zur Autorenseite

1.2.2021, 15:06 Uhr
OB Marcus König und der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Jo-Achim Hamburger, beim stillen Gedenken am Mahnmal für die einstige Hauptsynagoge am Hans-Sachs-Platz.

© Inna Gorelik, ARC OB Marcus König und der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Jo-Achim Hamburger, beim stillen Gedenken am Mahnmal für die einstige Hauptsynagoge am Hans-Sachs-Platz.

Mehrfach wurde das Festjahr in den vergangenen Wochen bereits eingeläutet, auf Bundes- wie auf Landesebene. Auf das Jahr 321 wird ein römisches Dekret datiert, der erste Beleg für jüdisches Leben nördlich der Alpen, nämlich in Köln.

In Nürnberg sind vor allem die furchtbaren Verfolgungen und antijüdischen Exzesse in Erinnerung: Die Pogrome von 1298 und die 1349, rund 150 Jahre später folgte die vollständige Vertreibung aller verbliebenen jüdischen Bürger aus der Stadt.

Nicht nur die Vergangenheit betrachten

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts durften sie wieder Fuß fassen, alsbald kam es zu einer geradezu erstaunlichen Blütezeit. Die mit der Machtergreifung der Nazis ein jähes Ende finden und in die Hölle des Holocausts münden sollte.

"Es kann aber nicht nur um die Vergangenheit gehen", meint Jo-Achim Hamburger, der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg. Es gelte, den Reichtum jüdischen Lebens heute zu zeigen - ohne die Gefährdungen auszusparen. Schließlich lebe hier inzwischen auch eine jüngere Generation mit eigener Identität und neuen Perspektiven.

Eigene Begegnungsstätte

Schon seit längerem drängt die IKG auf einen eigenen, zentralen Begegnungsort, der eben nicht nur dem Gedenken daran gewidmet ist, wie Juden die Stadt mitgestaltet und -geprägt haben. Sondern wo auch das gegenwärtige Leben bis hin zu Festen und Feiern in den Blick gerückt wird.

Im vergangenen Jahr hatte Hamburger dafür bereits das Gebäude der ehemaligen jüdischen Schule in der Oberen Kanalstraße ins Gespräch gebracht. Das Jubiläumsjahr, so hofft er, sorge für ausreichend Schwung, Nägel mit Köpfen zu machen.


Jüdische Gemeinde will neuen Begegnungsort in Nürnberg


Die grundsätzliche Zusage gab es, nach Briefwechseln und diversen Gesprächen, dem Vernehmen nach bei einer Konferenzschaltung mit Oberbürgermeister Marcus König und Kulturbürgermeisterin Julia Lehner in den vergangenen Tagen. Vor allem ist es dabei offenbar gelungen, eine Verständigung über die Planungen und Gestaltung des Jubiläumsjahres zu erreichen und manchen Groll zu überwinden.

Kein Kontakt mit IKG

"Es ist beachtlich, was sich verschiedene Akteuren schon ausgedacht haben. Sicher mit den besten Absichten, aber mit uns hat lange niemand Kontakt aufgenommen", hatte sich Jo-Achim Hamburger kürzlich einigermaßen irritiert gezeigt. Zum Glück gebe es in Nürnberg viele engagierte Leute und Kooperationspartner guten Willens. Doch sei es befremdlich, wenn die IKG nicht einbezogen werde - und sei es nur aus Unachtsamkeit.

Tatsächlich habe es Pannen gegeben, räumt beispielsweise Evelyn Reitz, Chefin im Stadtmuseum Fembo-Haus und Leiterin der kulturhistorischen Abteilung der Städtischen Museen, bei der Jahrespressekonferenz der Städtischen Museen unumwunden ein. Und speziell im Kulturbereich waren im vergangenen Jahr alle verfügbaren Energien gebündelt in die Bewerbung um den Kulturhauptstadttitel gesteckt worden.


Antisemitismus greift um sich: Bayern will gegensteuern


Inzwischen hat das jüdische Festjahr auch im Kulturreferat hohe Priorität. Schon weil Nürnberg in der Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland eine herausragende Rolle spielt - und nicht nur wegen der düstersten Kapitel. Dreh- und Angelpunkt werden (Neu-) Präsentationen im Fembo-Haus und im Haus des Spiels am Egidienberg - jeweils mit Unterstützung moderner Medientechnik.

Nürnberger Synagoge virtuell erleben

So soll beim großen Stadtmodell im Fembo-Haus die einstige Nürnberger Hauptsynagoge virtuell erlebbar werden. Und 3D-Brillen vermitteln den Hauptmarkt im Wandel der Zeit: Einst der Ort des Gettos, ist er einer der zentralen Orte jüdischen Lebens in der Stadt gewesen. Und die Frauenkirche wurde an der Stelle der eingerissenen Synagoge errichtet.

Zu den Akteuren, die eigene Beiträge planen, gehören etwa die Freunde der Kunstvilla, die mit dem Verein "Geschichte für alle" Führungen durch die Marienvorstadt vorbereiten, in der einst viele jüdische Familien ansässig waren. Anhand von deren Geschichte lässt sich beispielhaft geradezu ein Panorama der jüngeren Zeitgeschichte vor der und bis zur NS-Zeit entfalten.

Bei all dem bleibt vorerst freilich auch die Ungewissheit, was und wieviel sich angesichts der anhaltenden Pandemie-Probleme umsetzen lässt.

Keine Kommentare