Experte im Interview
Klimawandel in der Stadt: "Wir müssen schlauer mit Energie umgehen"
5.8.2021, 11:15 UhrLaut Klima-Ausblick wird es in Nürnberg und den angrenzenden Landkreisen wärmer, die Zahl der Frosttage nimmt ab, es gibt noch mehr schwüle Tage. Wie sieht es woanders in Deutschland aus?
Bathiany: Deutschland liegt in der gemäßigten Klimazone. Die Richtung, die der Klimawandel nimmt, ist daher eigentlich überall ähnlich wie in Nürnberg, das ist nicht landkreisspezifisch. Die Unterschiede sind im Detail. In Norddeutschland zum Beispiel wird es auch wärmer, es gibt überall mehr Starkregen und Schwüle. Aber im Raum Nürnberg wird im Vergleich zur Küste die Erwärmung wahrscheinlich noch ein wenig stärker, gerade die Temperaturspitzen können besonders hoch sein: Die Zahl sehr heißer Tage nimmt zu und auch die der Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt, das sind sogenannte Tropennächte. Die kamen im Zeitraum 1971 bis 2000 eigentlich so gut wie nie vor oder nur sehr, sehr selten. In Nürnberg wird das Klima nicht vom kühlen Ozean gepuffert wie das in den Landkreisen in Küstennähe ist, in denen diese tropischen Nächte und heißen Tage wahrscheinlich in geringerem Umfang zunehmen werden.
Sie haben die Klima-Zukunft anhand von drei Szenarien berechnet. Im ersten Szenario lässt man alles laufen, die Emissionen an Treibhausgasen sind sehr hoch. Im zweiten Szenario geht man von mittleren Emissionen aus, das dritte Szenario beinhaltet sehr ehrgeizige Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausemissionen. Wie kommen diese drei Szenarien zustande?
Bathiany: Der Weltklimarat IPCC hat für seinen fünften Sachstandsbericht Szenarien definiert, die „Representative Concentration Pathways“. Hinter denen stecken sozioökonomische, detaillierte Überlegungen: Wie könnte sich die Menschheit weiter entwickeln, also etwa hinsichtlich des Bevölkerungswachstums? Wie entwickeln sich die internationalen Beziehungen, wie die Landnutzung und so weiter? Diese Szenarien gehen in die Berechnungen der Klimamodelle ein. Für unsere Auswertungen haben wir Modellsimulationen auf Basis von dreien dieser Szenarien verwendet.
Neigt die Menschheit zu einem bestimmten Szenario? Ist eine Zukunft wahrscheinlicher als eine andere?
Bathiany: Diese Szenarien sind alle möglich und plausibel. Es ist nicht beabsichtigt, zu bestimmen, was wahrscheinlicher ist oder nicht. Man kann menschliches Verhalten nicht einfach so vorhersagen. Die Zukunft ist unser freier Wille. Deshalb stehen alle Szenarien nebeneinander und wir können wählen, in welche Zukunft wir gehen möchten.
Aber das erste Szenario mit den hohen Emissionen sieht doch realistischer aus?
Bathiany: In der Vergangenheit sind die Treibhausgase global gesehen tatsächlich immer weiter gestiegen. Aber es gibt ja auch politische Entscheidungen. Fast alle Staaten dieser Erde haben das Pariser Klimaschutzabkommen unterschrieben und sich verpflichtet, auch treibhausgassenkende Maßnahmen umzusetzen. Die Vergangenheit bedeutet also nicht, dass es so weitergehen muss. Die Zukunft ist also eine Frage der Entscheidungen und nicht so sehr eine Frage der Vorhersagen.
Angesichts der Hochwasserkatastrophe im Juli im Westen Deutschlands sind die Vorhersagen zum Niederschlag besonders interessant.
Bathiany: Gerade bei dem Szenario mit vielen Treibhausgasen bis zum Ende des Jahrhunderts nimmt die Zahl dieser Tage mit starken Niederschlägen zu. Da sieht man dieses Signal ganz klar. Die Summe der Niederschläge wird nicht höher, er fällt einfach anders verteilt. In kürzerer Zeit fällt dieselbe Menge Niederschlag und dann gibt es Zeiten, wo keiner fällt. Die Anzahl der trockenen Tage im Sommer nimmt auch tendenziell zu.
Nürnberg wird also jeden Sommer zwischen den Extremen pendeln. Oft gibt es Trockenphasen, und wenn es regnet, dann regnet es richtig viel?
Bathiany: Ganz genau. Das ist vor allem aber bei dem ersten Szenario mit den ungebremsten Treibhausgasen der Fall.
Um Nürnberg herum gibt es viel Landwirtschaft. Was bedeuten diese Klima-Ausblicke für einen Bauern im Knoblauchsland?
Bathiany: Die Landwirtschaft muss überlegen, wie sie sich langfristig daran anpassen kann. Man kann zum Beispiel nicht überall Weizen anbauen, wenn der Boden zu trocken ist, man muss über andere Arten oder über andere Sorten nachdenken. Wenn es wärmer wird, verdunstet Niederschlag schneller, dieselbe Menge Niederschlag würde daher schon nicht mehr ausreichen. Und dann kommt noch dazu, dass es mehr Trockenphasen geben kann, in denen es nicht regnet und die Böden austrocknen. Diese Phasen erhöhen das Risiko für eine landwirtschaftliche Dürre. Wenn es genug Wasser gibt zur künstlichen Bewässerung, dann kann man das vielleicht so machen wie bisher. Das kostet aber auch mehr Geld. Man kann also auch nicht unbegrenzt bewässern und Wasser aus Flüssen entnehmen.