Müll-Chaos nach Rock im Park: Das Gelände gleicht einem Schlachtfeld

Tobi Lang

Online-Redakteur

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10.6.2019, 16:03 Uhr
Dieses Bild zeigt nur einen kleinen Ausschnitt des Mülls, der sich auf dem Rock-im-Park-Gelände angesammelt hat.

© Roland Fengler Dieses Bild zeigt nur einen kleinen Ausschnitt des Mülls, der sich auf dem Rock-im-Park-Gelände angesammelt hat.

Hier wurde gefeiert, das ist unübersehbar. Am Tag nach dem Festival wirkt es, als hätten die Besucher das Rock-im-Park-Gelände fluchtartig verlassen. Zelte wurden teils einfach nicht abgebaut, Pavillons stehen mehr oder weniger zerstört auf den Wiesen, die von Unrat übersät sind. Flaschen stapeln sich, dazwischen liegen Campingstühle. Dazwischen watscheln Enten und picken in den Hinterlassenschaften. Pfandsammler werden hier in den nächsten Tagen viel Geld aufsammeln, Spaziergänger, die rund um den Dutzendteich und das Zeppelinfeld Erholung suchen, werden sich wohl eher ärgern. Das Gelände sieht nach drei Tagen Dauer-Party aus wie ein Schlachtfeld, wie eine Mülldeponie. Die Aufräumarbeiten werden Tage dauern. Etwa 300 Tonnen Abfall haben sich angesammelt, sagt Ulrike Goeken-Haidl, Pressesprecherin des Servicebetriebs Öffentlicher Raum (Sör) - die Menge hat sich in den vergangenen Jahren nicht sonderlich geändert.

Geändert hat sich aber das System. Jedem Besucher wird, wenn er das Festivalgelände erstmals betritt, ein blauer Sack in die Hand gedrückt. Das sogenannte Müllpfand schafften die Veranstalter bereits im vergangenen Jahr ab - "weil die damit verbundenen Angebote und Verpflichtungen nicht im ausreichendem Umfang wahrgenommen wurden", begründete Argo-Konzerte den Schritt. Früher musste jeder Camper beim Kauf seines Tickets fünf Euro Pfand bezahlen. Das Geld erhielten Besucher nur zurück, wenn sie bis zu ihrer Abreise einen gefüllten Sack an extra eingerichteten Sammelstellen abgaben. Seit zwei Jahren setzen die Verantwortlichen aber auf Freiwilligkeit und mehr Müllstationen. Eine charmante Idee, die aber nicht unbedingt funktioniert, wie das Chaos, das sich aktuell auf dem Gelände angehäuft hat, zeigt.

"Ein bisschen Mitverantwortung muss man schon haben"

Der Veranstalter weiß um die Probleme. "Die Menge an großem Müll, wie Zelt- und Möbelreste" steige von Jahr zu Jahr. Um den Müllbergen vorzubeugen, wird beim Festival mittlerweile komplett auf Einwegplastik verzichtet. Seit einigen Jahren bietet Rock im Park außerdem sogenanntes "Green Camping" an. Die Verantwortlichen sehen darin einen Baustein, ein Schlachtfeld aus Flaschen, Plastik und sonstigem Müll zu verhindern. In den Arealen wird besonders auf Sauberkeit und Ruhe geachtet. Ein Regelkatalog sorgt für Ordnung: Sammelgefäße sollen an verschiedenen Punkten der Area platziert werden, die täglich, bei Bedarf auch mehrmals, entleert werden. Jeder Besucher verpflichtet sich, sein Campingmobiliar, welches er mitgebracht hat, auch wieder mitzunehmen.

"Das Problem ist gravierend", sagt Rolf Buschmann der Deutschen Presse-Agentur. Er ist Ressourcen- und Abfallexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Er vermisst konkrete Pläne, wie man derartiges Chaos verhindern wolle. Aber auch die Besucher seien gefragt. "Ein bisschen Mitverantwortung muss man schon haben", sagt Buschmann. "Sich darauf zu verlassen, dass andere nachher aufräumen, finde ich nicht nachvollziehbar."

"Man könnte meinen, hier hausten die Vandalen"

Ein großes Problem sind dabei billige Zelte, die arglos weggeworfen werden. Etwa 30 Prozent, schätzt Jacob Bilabel von der "Green Music"-Initiative, bleiben bei Festivals auf dem Gelände zurück, die Bereitschaft, Dinge einfach liegen zu lassen, sei in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. "Solange Zelte so günstig sind und als Festivalzelte verkauft werden, überlegt man sich dreimal, ob man das wegräumt." Auch die Generation "Fridays For Future", die seit Monaten für mehr Umweltbewusstsein in der Politik demonstriert, hat daran nichts geändert.

"Sie sind wieder abgezogen, man könnte meinen hier hausten die Vandalen", schreiben zwei Leser, die unweit des Festivalgeländes in Hasenbuck wohnen. Sie sprechen gegenüber nordbayern.de von "einem Bild des Grauens, von den Geruchserlebnissen ganz zu schweigen". Besonders rund um den Luitpoldhain sehe es schlimm aus. "Umweltschutz und Klimaschutz wird hier anscheinend mit Füßen getreten, nur damit einige ihre Festival-Laune ausleben können. Von überall her angereist, parkende Autos auf Grünstreifen, zweckentfremdete Grünanlagen auf denen nun Chaos herrscht." Dass es anders gehe, schreiben die Leser, das sehe man etwa bei Klassik im Park.

Das Problem liegt aber wohl auch bei den Organisatoren: Mehrere Besucher berichten, dass es an manchen Check-Ins zum Festivalgelände bereits am Donnerstag keine Müllsäcke mehr gegeben habe. Auch im Internet-Forum parkrocker.net wird das thematisiert. "Wir haben keinen dabei, müssen jetzt mal schauen, wie wir das machen", schreibt dort ein Festivalbesucher.

Jetzt beginnt der Kampf gegen die Abfallberge. Mitarbeiter in blauen Westen mit der Aufschrift "Cleaning" wuselten am Montag über das Gelände. Aufräumen muss hier nicht die Stadt, sondern Argo Konzerte. Bis Freitag hat der Veranstalter dafür Zeit, dann kommt Sör zur Abnahme vorbei. "Wir haben die Fläche in verschiedene Teilbereiche untergliedert. Insgesamt fünf Firmen sind für uns im Einsatz, um das Areal bis Freitag aufzuräumen", sagt Argo-Pressesprecherin Carolin Hilzinger.

Im vergangenen Jahr gab es dabei Turbulenzen - die Stadt stieß bei einer Abnahme des Areals auf massive Probleme, der Veranstalter Argo-Konzerte musste nachbessern. Selbst nach einer zusätzlich eingeräumten Frist von drei Tagen sei das Gelände nicht einwandfrei gewesen. Das soll dieses Jahr besser werden. Noch während des Festivals habe man mit den Aufräumarbeiten begonnen, dabei war auch der städtische Servicebetrieb öffentlicher Raum (Sör) im Einsatz. Ob all diese Maßnahmen fruchten, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.

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