Nach monatelangen Ermittlungen
Spektakulärer Durchbruch im Fall Alexandra R.: Polizei nimmt Verdächtige fest - neue Details bekannt
6.9.2023, 15:24 UhrZuletzt wertete die Sonderkommission noch letzte Hinweise aus, jetzt ging offenbar alles ganz schnell. Am Mittwochmorgen nahmen Spezialkräfte zwei Männer fest, die als dringend tatverdächtig gelten, Alexandra R. getötet zu haben. Das erklärte die zuständige Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth auf Nachfrage unserer Redaktion. "Ich kann bestätigen, dass zwei Haftbefehle vollzogen worden sind", erklärte Sprecherin Heike Klotzbücher. Es gehe um den Vorwurf des Mordes und der Geiselnahme, was darauf schließen lässt, dass die Beschuldigten Dejan B. und Ugur T. die damals Hochschwangere nicht sofort töteten, sondern erst entführten.
Nach Informationen unseres Medienhauses handelt es sich dabei um einen Ex-Partner der Vermissten sowie dessen Geschäftspartner. Die Einsätze fanden demnach in Kalchreuth im Landkreis Erlangen-Höchstadt sowie in Rengersricht im Landkreis Neumarkt statt. Nachbarn berichten von "lautem Geschrei" und einem Großaufgebot der Polizei, das gegen 6 Uhr am frühen Morgen zugriff. "Es gab einen lauten Knall", schildert ein Anwohner die Szenen der Festnahme. "Wir dachten an eine Explosion, aber dann kam die Polizei und sagte, wir sollten Fenster und Türen geschlossen halten."
Gegen den früheren Lebensgefährten Dejan B. bestand nach exklusiven Recherchen unserer Redaktion ein Kontaktverbot, er soll handgreiflich geworden sein, die Frau flüchtete ins Frauenhaus. "Nach der Trennung im Frühjahr 2022 soll er die Geschädigte aus wirtschaftlichen Gründen bedroht haben", bestätigt nun die Staatsanwaltschaft. Finanzexperten der Polizei beschäftigten sich zudem mit dem dubiosen Finanzgeflecht der beiden. Es geht um Luxusautos und Scheinfirmen. Die Verdächtigen wurden am Mittwochnachmittag einem Ermittlungsrichter vorgeführt, der Untersuchungshaftbefehl erließ. Sowohl Dejan B. als auch Ugur T. schweigen zu den Vorwürfen.
Leiche von Alexandra R. fehlt nach wie vor - darum kam es zur Festnahme
"Es gab zuvor auch Strafanzeigen von ihr gegen die Beschuldigten", sagt Klotzbücher von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Hintergrund der Festnahmen seien auch "geschäftliche Verflechtungen" der Männer mit Alexandra R. gewesen, heißt es. Genauer werden die Behörden zunächst nicht. Eine Rolle spielt wohl aber auch ein fingierter Vollstreckungstitel. Dejan B. und sein Geschäftspartner sollen "in betrügerischer Weise" eine sechsstellige Summe von Alexandra R. gefordert haben, ohne eine tatsächliche Grundlage. Die Frau habe sich dagegen erfolgreich zivilrechtlich zur Wehr gesetzt, teilt die Staatsanwaltschaft mit.
Inwieweit sich daraus ein Motiv ableiten lässt, bleibt unklar. Der aktuelle Lebensgefährte von Alexandra R. und Vater des ungeborenen Kindes vermutete, dass auch ein finanzieller Streit die mutmaßlichen Täter antrieb. Auch Rache könnte eine Rolle gespielt haben. "Sie hat es gewagt, ihn zu verlassen. Jetzt will er Macht demonstrieren", sagte er im Exklusiv-Interview mit den Nürnberger Nachrichten.
Über 900 Spuren ausgewertet
Fakt ist: Die Leiche der 39-Jährigen fehlt nach wie vor. "Letztlich ist es eine Indizienlage, die man zusammengetragen hat", erklärt Klotzbücher. "Man ist gut 900 Spuren nachgegangen und hat in mehreren europäischen Ländern ermittelt." Dazu gehört auch Rumänien, das Land, aus dem Alexandra R. ursprünglich stammt. Dort wurden nach Informationen Zeugen und die Angehörigen der Frau befragt, die noch dort leben. Auch ein Jaguar aus Mittelfranken, der kurz nach dem Verschwinden der 39-Jährigen in dem südosteuropäischen Land auftauchte, geriet ins Visier der Ermittler. Welche Rolle der Sportwagen spielt, bleibt weiter unklar.
Seit Monaten beschäftigt sich eine über 20-köpfige Sonderkommission mit dem Fall Alexandra R, der in ganz Franken für große Bestürzung sorgte. Das Schicksal der Hochschwangeren, die am 9. Dezember scheinbar spurlos verschwand, berührte viele. Die Polizei durchsuchte mehrere Objekte in der Region, fuhr und flog den Main-Donau-Kanal mehrfach mit Booten und per Hubschrauber ab, versuchte in Kleinarbeit ein Mosaik aus Spuren zusammenzusetzen. Bis zuletzt fehlte aber die Leiche der 39-Jährigen.
Hier finden Sie alle Informationen zu der Suche nach Alexandra R. im Überblick:
- 9. Januar 2024: Ein Prozess ohne Leiche - die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ist überzeugt, dass die 39-jährige Hochschwangere einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Dem Gericht steht ein langer Indizienprozess bevor.
- 9. Januar 2024: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat gegen den ehemaligen Lebensgefährten von Alexandra R. und seinen Geschäftspartner Anklage wegen des Verdachts der Geiselnahme, Mordes und weiterer Delikte erhoben.
- 9. Dezember 2023: Seit einem Jahr ist Alexandra R. nun verschwunden. Genau vor einem Jahr hatte sich die im achten Monat Schwangere aus Nürnberg-Katzwang mit einem Nachbarn für eine Einkaufstour im Baumarkt verabredet. Doch sie kam nicht. Ihr Verschwinden bleibt ein Rätsel. Jetzt berichten Nachbarn Neues.
- 24. November 2023: Die Sonderkommission im Fall der verschwundenen hochschwangeren Nürnbergerin Alexandra R. schließt die Ermittlungen ab. Doch eine Leiche fehlt immer noch. Was verrät der Internet-Router eines Nachbarn? Und warum suchte die Polizei ihren Zahnarzt auf?
- 13. September 2023: Erstmals spricht Alexandra R.s Lebensgefährte und Vater des Kindes mit unserer Redaktion über die plötzlichen Festnahmen- und er äußert einen Verdacht.
- 6. September 2023: Wir haben die Ereignisse seit dem 9. Dezember, dem Tag des Verschwindens, rekonstruiert - Chronologie eines schrecklichen Verbrechens
- 6. September 2023: Fast auf den Tag genau neun Monate nach dem Verschwinden der hochschwangeren Alexandra R. aus Nürnberg hat die Polizei in einer spektakulären Aktion ihren früheren Lebensgefährten und dessen Geschäftspartner festgenommen. Wie die Festnahmen abliefen - und was der Lebensgefährte sagt, erfahren Sie hier.
- 5. September 2023: Wie es auch ohne Auffinden einer Leiche zu einer Festnahme kommen kann und wie die Mosaik-Theorie dabei hilft, hat uns ein Experte verraten
- 12. Mai 2023: Ein Berg neuer Informationen aus Rumänien beschäftigt die Sonderkommission. Erneut rückt ein Jaguar in den Fokus. Doch hilft er wirklich weiter?
- 2. Mai 2023: Die Polizei hat jetzt Antwort auf ihr Rechtshilfeersuchen in Rumänien bekommen, wo ein Jaguar auftauchte, der ins Visier der Ermittler geraten war. Was verraten die neuen Verhörprotokolle, die 150 Seiten umfassen?
- 8. April 2023: Alexandra R. hat angeblich nach ihrem Verschwinden noch eine SMS an ihren Lebensgefährten, ihren Ex-Mann und später auch an die Jugendhilfe geschickt. Dr. Mark Benecke, bekannter Kriminalbiologe, hält davon vor allem eine für aufschlussreich.
- 4. April 2023: Hat die hochschwangere Alexandra R. aus Nürnberg-Katzwang Stunden nach ihrem Verschwinden am 9. Dezember noch Nachrichten per Smartphone verschickt? Die Texte geben Rätsel auf. Und doch verraten sie einiges.
- 23. März 2023: Seit über 100 Tagen fehlt von Alexandra R. jede Spur. Was der bekannte Kriminologe Axel Petermann über den Fall denkt und welche Theorie er für wahrscheinlich hält.
- 21. März 2023: Nach neuesten Informationen unserer Redaktion hat die Polizei geprüft, ob es einen Zusammenhang mit dem Säugling in einer Rother Babyklappe geben könnte. Und auch in Rumänien bewegt sich etwas.
- 21. März 2023: Erneut sucht ein Helikopter den Grund des Main-Donau-Kanals bei Katzwang ab. Es soll der letzte Versuch der Sonderkommission am Kanal sein.
- 10. März 2023: Genau drei Monate ist es her, dass Alexandra R. spurlos verschwand. Die Polizei spricht jetzt von zwei Tatverdächtigen.
- 17. Februar 2023: Im Exklusiv-Interview mit unserem Medienhaus spricht der Lebensgefährte von Alexandra R. erstmals über Details in dem mysteriösen Fall.
- 10. Februar 2023: Der Geburtstermin von Alexandra R. ist längst verstrichen. Ob das Kind auf die Welt gekommen ist, ist ungewiss. Welche Möglichkeiten haben Frauen überhaupt, weitgehend unbemerkt zu entbinden?
- 8. Februar 2023: Auch ein Haus in Limbach, das Alexandra R. gehört, gibt Rätsel auf. Ein Nachbar will den Dienstwagen der Vermissten dort gesehen haben - doch wo war Alexandra R.?
- 3. Februar 2023: Unsere Redaktion hat exklusiv Ereignisse im Fall der verschwundenen Alexandra R. rekonstruieren können. Die Spur führt zu einem Geflecht aus Immobilien, Unternehmen und Luxusautos. Das Handy der hochschwangeren Vermissten tauchte in Südeuropa auf.
- 1. Februar 2023: Seit bald acht Wochen ist Alexandra R. spurlos verschwunden. Ihre Nachbarn fürchten, dass in diesem Vermisstenfall "nichts Gutes" herauskommt. Und: Eine Zweitwohnung gibt Rätsel auf.
- Am Freitagmorgen, 27. Januar 2023, hat die Polizei weitere Befragungen im Bereich der Kita in Schwabach durchgeführt, wo Alexandra R. zuletzt gesehen wurde, als sie ihr Pflegekind in der Einrichtung abgab.
- Am 18. Januar 2023 gibt es möglicherweise eine Spur im Vermisstenfall Alexandra R: Im Landkreis Roth war die Polizei mit großem Aufgebot in einem kleinen Ort.
- 27. Dezember 2022: Spaziergänger, die die Suchaktion am Kanal beobachten, sind betroffen. "Man weiß nicht, was man hoffen soll", sagt eine Passantin.
- 26. Dezember 2022: Was ist mit Alexandra R. geschehen? Diese Frage treibt viele Menschen im Großraum Nürnberg um. Die Mordkommission geht jedem Hinweis nach. Von einem mintgrünen Renault Twingo bis zur Suche im Main-Donau-Kanal - es gibt viele Fragen zu klären.
- 22. Dezember 2022: Seit zwei Wochen keine Spur: Mit Tauchern, Booten und Spürhunden durchsucht die Polizei den Kanal in der Nähe des Wohnortes der spurlos verschwundenen Alexandra R. aus Katzwang.
- 17. Dezember 2022: Nur wenige Tage nach dem Verschwinden von Alexandra R. am 9. Dezember 2022 richtet die Polizei eine Sonderkommission ein. Es verdichten sich die Hinweise, dass die 39-Jährige Opfer einer Straftat geworden sein könnte. Die Polizei nimmt den Fall äußerst ernst.