Zeitlich befristet genehmigt
Stadt Nürnberg erlaubt Abschuss von Stadttauben: Tierschützer empört
26.8.2021, 18:45 UhrDer Anruf von Anwohnern vor einigen Tagen hat Helmut Wolff von der zweiköpfigen ehrenamtlichen "Arbeitsgruppe Stadttaubenhilfe Nürnberg" alarmiert: Jäger würden auf verwilderte Haustauben (auch Stadttauben genannt) schießen. Wolff fuhr sofort vor Ort und traf dort auf Jäger mit Waffen. Die Jagd wurde mit immensen Schäden durch die Stadttauben auf den Feldern der Bauern begründet. Auf eine weitere Diskussion wollte man sich nicht einlassen, wie Wolff berichtet.
Die drei Anwohner, die Wolff begleitet haben, seien "empört und erschüttert" gewesen, wie er berichtet. Und auch er sagt: "Es ist fragwürdig, ob die verwilderten Haustauben wirklich Schaden auf den Feldern anrichten. Es gibt keinen Grund, die Tiere zu töten." Nach Angaben der Stadt seien an dem Tag allerdings keine Tauben geschossen worden - jedoch wurden zwölf Gänse und sechs Rabenkrähen geschossen. Dies sind laut Verwaltung jagdbare Tiere und haben jetzt Jagdzeit.
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Seit Jahren engagiert sich Wolff für Stadttauben. Er wird gerufen, wenn verletzte Vögel gefunden werden oder wenn Stadttauben auf dem Balkon oder der Terrasse brüten. Helmut Wolff macht das unentgeltlich, doch er sagt: "Es ist ein Fulltime-Job." Warum setzt er sich für verwilderte Haustauben ein? "Weil es völlig harmlose Tiere sind, die zu Unrecht vergrämt, getreten und mit Lügen überzogen werden."
Beschimpft und bedroht
Dringenden Handlungsbedarf sieht auch Claudia Rupp vom Tierschutzverein für Stadttauben und Wildtiere in Nürnberg e.V. "Ein Haus für Stefan B." (Stellvertreter für alle Nachfahren der Brieftaube). Eine Anwohnerin beim "Tiefen Feld", die Mitglied im Verein ist, hatte die Jäger angesprochen - und wurde beschimpft und bedroht.
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Andreas Franke, Leiter des Amts für Kommunikation und Stadtmarketing, erklärt zu dem Vorfall: "Das Ordnungsamt erteilt seit Jahren einer jagdberechtigten Person für das Gemeinschaftsjagdrevier, in dem das ,Tiefe Feld’ liegt, eine Erlaubnis zum Abschuss von verwilderten Stadttauben." Die Genehmigung sei befristet von Ende Juli bis Ende März.
Franke führt aus: "Regelmäßig lassen sich große Schwärme verwilderter Stadttauben auf den Feldern des "Tiefen Feldes" südlich von Kleinreuth bei Schweinau nieder und fressen die dort ausgebrachte Wintersaat." Dadurch entstehen den dortigen Landwirten erhebliche Schäden. Franke weiter: "Mit dem Abschießen sollen die Tauben in erster Linie vergrämt werden, was in den vergangenen Jahren die Fressschäden für die Landwirte erheblich reduziert hat."
Und er erläutert: "Für den Abschuss ist eine Erlaubnis erforderlich, weil die verwilderte Stadttaube im Gegensatz zur Ringel- und Türkentaube nicht zu den jagdbaren Tieren zählt. Ringel- und Türkentauben dürfen hingegen vom 1. November bis 20. Februar ohne Erlaubnis bejagt werden." Nach Angaben der Stadt hatte es bislang wegen des Abschusses keinen Ärger gegeben. Andreas Franke: "Uns sind aus der Vergangenheit keine Beschwerden oder Vorfälle bekannt." Und er ergänzt: "Aus dem gleichen Grund wird eine solche Erlaubnis auch für die Gemeinschaftsjagdreviere im Knoblauchsland erteilt."
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Die Vereinsvorsitzende Claudia Rupp kann der Argumentation der Stadt, die Stadttauben würden Schäden auf den Äckern anrichten, so nicht folgen. Rupp verweist auf die Biologin und Stadttaubenbeauftragte der Stadt Wiesbaden, Alexandra Weyrather. "Laut Aussage von Frau Weyrather picken Stadttauben höchstens die Fehlernte, die ohnehin verrotten würde oder eben Steinchen. Ein Kratzen oder Ausgraben, so wie Hühner es beispielsweise machen, würden Stadttauben nicht ausführen." Die Stadttauben könnten also nicht an die eingepflügte Wintersaat kommen.
Juristische Unterstützung
Claudia Rupp sagt: "Es ist tierschutzwidrig, sie abzuschießen." Ein vermuteter wirtschaftlicher Schaden sei kein vernünftiger Grund gemäß Tierschutzgesetz, um ein nicht dem Jagdrecht unterliegendes Tier zu töten. Ihr Verein und der Tierschutzverein Noris haben sich nun an den Deutschen Tierschutzbund gewendet, bei dem beide Nürnberger Vereine Mitglied sind. Claudia Rupp ist der Ansicht, dass die Stadt eine tierschutzwidrige Genehmigung erteilt hat - und somit möglicherweise eine Fahrlässigkeit der Behörde vorliegt. Rupp sagt: "Wir bitten jetzt um juristische Unterstützung."
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