Gedenken an NSU-Opfer

Trauertag: Vor 16 Jahren tötete der NSU den Nürnberger Ismail Yaşar

9.6.2021, 11:37 Uhr
Zahlreiche Menschen hefteten damals Briefe und Beileidsbekundungen an die Dönerbude von Ismail Yasar.

© Matejka Zahlreiche Menschen hefteten damals Briefe und Beileidsbekundungen an die Dönerbude von Ismail Yasar.

Bis heute bleibt die Tat unbegreiflich: Ismail Yaşar war gerade 50 Jahre alt, als er am 9. Juni 2005 in seinem Dönerimbiss in der Scharrerstraße erschossen wurde. Bis zu acht Schüsse wurden an jenem Tag auf ihn abgefeuert. Yaşar ist das sechste Opfer der Mordserie des erst 2011 aufgeflogenen "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU).

Schon einen Tag nach der schrecklichen Tat war den Ermittlern klar, dass der Tod des 50-Jährigen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Mordserie stand, der seit dem Jahr 2000 bereits fünf weitere türkische Mitbürger zum Opfer gefallen waren. Die Überprüfung der Projektile von der Scharrerstraße im Bundeskriminalamt zeigte, dass zum sechsten Mal hintereinander dieselbe Tatwaffe verwendet worden war.

Neun Menschen mussten sterben, nur weil sie Migranten waren - sie stammten aus der Türkei oder Griechenland und wohnten teilweise schon seit Jahrzehnten in Deutschland. Das zehnte Todesopfer der Neonazis war Michèle Kiesewetter, eine junge Polizistin. Allein in Nürnberg ermordete der NSU zwischen 2000 und 2007 drei Menschen mit Migrationshintergrund und verübte einen Bombenanschlag in der Scheurlstraße.

Stadtrat fordert zweiten NSU-Untersuchungsausschuss

Noch immer sind die Hintergründe der Taten nicht vollständig beleuchtet. Vor allem ist unklar, wer dem NSU-Kerntrio um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe geholfen hat, die Opfer in der Region auszuspähen. Ein gemeinsames Rechercheteam von Nürnberger Nachrichten und Bayerischem Rundfunk hat mehrfach Verbindungen des NSU in die fränkischen Neonaziszene offen gelegt. Doch die Ermittlungen kommen nicht voran.

Thorsten Brehm, Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion Nürnberg, bekräftigt am Todestag von Yaşar nochmal ausdrücklich die Forderungen nach einem zweiten Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag. Der Stadtrat habe parteiübergreifend deutlich gemacht, dass man an diesem Tag gemeinsam der Opfer des NSU gedenke und mit allen Kräften aktiv gegen Rassismus und Diskriminierung eintrete, erklärt Brehm auf seiner Facebookseite.

In einer gemeinsamen Resolution forderten die demokratischen Parteien im Nürnberger Stadtrat, einen zweiten Untersuchungsausschuss im bayerischen Landtag einzusetzen, um die Verbrechen der rechten Terrorgruppe NSU lückenlos aufzuklären - vor allem die drei Morde und den Brandanschlag in Nürnberg. Vor wenigen Wochen hatte die Linken-Stadträtin Özlem Demir die Initiative ergriffen und eine Resolution auf den Weg gebracht, die einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern fordert.

Am Sonntag, 13. Juni, ist der 20. Todestag von Abdurrahim Özüdogru, das zweite NSU-Opfer. Özüdogru wurde in seiner Schneiderei in der Nürnberger Südstadt erschossen. Am Samstag, 12. Juni, findet das siebte "Straßenfest gegen Rassismus" an verschiedenen Orten in der Südstadt sowie digital statt. In diesem Rahmen will ein buntes Bündnis auch an Yaşar und Özüdogru erinnern.

Am Sonntag, 13. Juni, findet zwischen 18 und 20 Uhr eine Podiumsdiskussion zum Thema "Nürnberg - 20 Jahre nach den NSU-Morden" statt. Auf Einladung der Georg-von-Volkmar-Akademie und Birgit Mair vom Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Beratung und Bildung e. V. und dem Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg diskutieren Semiya Simsek, die Tochter des ersten Nürnberger NSU-Opfers Enver Simsek, Diana Liberova von der SPD-Stadtratsfraktion sowie die Journalisten Tom Sundermann und Joris Krug über das Thema und darüber, wie man Gefahren von rechts frühzeitig erkennt.

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