Vor 3000 Jahren: Das gab es laut Archäologen im Knoblauchsland zu essen

Hartmut Voigt

Lokalredaktion Nürnberg

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11.1.2021, 15:00 Uhr
Vor 3000 Jahren: Das gab es laut Archäologen im Knoblauchsland zu essen

© Ralf Rödel

Der Schwerpunkt der Grabungen lag eindeutig im Knoblauchsland: Dort finden seit Herbst 2018 die größten archäologischen Sondierungen statt, die es in Nürnberg jemals gegeben hat. Schwerpunkte sind Wetzendorf und Boxdorf.

Die Arbeiten auf dem zwölf Hektar umfassenden Areal bei Boxdorf sind abgeschlossen. Fachleute haben die Reste einer urnenfelderzeitlichen Siedlung freigelegt. Die Urnenfelderzeit wird zwischen 1300 und 800 vor Christus datiert.

Hirse, Dinkel und Emmer

Man stieß auf mehrere Dutzend einstige Getreidegruben: Dort lagerten die Siedler vor rund 3000 Jahren Hirse, Roggen, Emmer, Einkorn oder Dinkel über den Winter ein, um im Frühjahr aussäen zu können. Sie deckten ihre Gruben mit Brettern und einer Lehmschicht ab, um das wertvolle Korn vor Mäusen und anderen Nagern zu schützen.

Im Frühjahr brachten sie das Getreide auf den Feldern aus. Doch die Bauern verstreuten die Körner nicht mit einer schwungvollen Handbewegung quer über den Acker, sondern setzten die Samen in Reihenpflanzung. So konnten sie auf ganz spezielle Weise ernten: "Mit zwei Stangen, die jeweils etwa einen halben Meter lang sind, schnitten sie die Ähren ab und warfen sie in den umgehängten Sack", berichtet Stadtarchäologe John Zeitler, "diese Methode gab es sogar noch in den 1920ern in Spanien."


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Dattelkern aus der Festung des Herodes

Der Vorteil: Mit dem Abpflücken der Ähren blieb das stark wuchernde Unkraut auf dem Acker, die Säcke füllten sich mit Getreide. In einem zweiten Schritt hat man dann das Stroh nebst Unkraut abgeschnitten. In Boxdorf ist man auf Reste von Ackerunkräutern wie den Weißen Gänsefuß oder Malven gestoßen - und natürlich auf eine Menge Getreide.

Die Dinkel-, Emmer- und Hirsekörner sind heute nicht mehr keimfähig. Im Gegensatz etwa zu einem Dattelkern, der vor 2000 Jahren in der Festung des Königs Herodes Masada im heutigen Israel auf die Erde gefallen ist. Wissenschaftler brachten ihn vor kurzem tatsächlich zum Keimen.

Vor 3000 Jahren: Das gab es laut Archäologen im Knoblauchsland zu essen

© André De Geare

Mit Salz gepökelt

Wie sah der Speiseplan zur Urnenfelderzeit/späten Bronzezeit im Knoblauchsland aus? Zu dünnem Fladenbrot aus Hirse aß man Gemüse wie Kohl und Rüben sowie gelegentlich ein Stück Fleisch. "Sicherlich gab es hier Tierhaltung mit Kühen, Schafen, Schweinen und Ziegen, doch deren Knochen sind in dem sandigen Untergrund längst zersetzt", erklärt Zeitlers Kollegin Melanie Langbein, "damals konnte man bereits Salz zur Konservierung von Fleisch herstellen. Nach dem Schlachten im Herbst wurde das Fleisch geräuchert, getrocknet oder mit Salz gepökelt und so haltbar gemacht."

Im Knoblauchsland stieß man auch auf Armreife und Ringe aus Bronze: Es waren Grabbeigaben für ein kleines Mädchen, von dem nur mehr wenige Knochenfragmente erhalten sind - nämlich jene Skelettteile, die durch die Kupfersalze des Schmucks konserviert wurden. "Es ist fast ein Wunder, dass die Knochenreste noch da sind", merkt Langbein an.

Armreif eines Mädchens

Dass sie von einem Mädchen stammen, macht sie an der Größe des Armreifs und an der Zahl des Grabbeigaben fest: Männer trugen in der Urnenfelderzeit nur einen Armreif, Frauen bekamen zwei Armreife und einen Ring - diese Erkenntnis hat sich durch viele Funde in Süddeutschland erhärtet.

Vor 3000 Jahren: Das gab es laut Archäologen im Knoblauchsland zu essen

© Eduard Weigert

Die Armreife und Bronzenadeln auf den Äckern wurden in Nordbayern angefertigt, da sind die beiden Archäologen sicher. "Das Kupfer stammte aus den Alpen, Zinn kam vom Erzgebirge, verarbeitet wurde das Material hier", meint Zeitler. Er spricht von "Altmetall-Recycling", das bereits 1300 vor Christus nachweisbar ist. "Es gab immer wieder Sammelfunde etwa in Schafhof oder 1994 den Hort in Mögeldorf", berichtet der Experte, "doch warum man das Altmetall im Boden vergraben hat, ist ungeklärt."

Auch die Überreste eines 3000 Jahre alten Brunnens kamen bei Boxdorf zum Vorschein. Normalerweise ist die hölzerne Fassung längst zersetzt. Doch eine feuchte Lehmschicht hat das Holz konserviert - eine Seltenheit. Mit Hilfe von Tonscherben, die wohl von Wasserkrügen stammen, konnte man das Alter leicht datieren.

Schwerpunkt bleibt Knoblauchsland

Beim 40 Hektar großen Areal in Wetzendorf - dort ist eine Siedlung für 5500 Bewohner geplant - gehen die Arbeiten weiter. Zwei Hektar wurden bislang untersucht, für einen Schulneubau kamen weitere 1,5 Hektar dazu. Bis Ostern will eine Grabungsfirma zusätzlich zwei Hektar sondieren.

Heuer wird man also intensiv weiter im Knoblauchsland graben, sichern und auswerten. Daneben haben die ersten Arbeiten in der Lorenzkirche begonnen, dort soll der Innenraum am Westportal neu gestaltet werden. Auf drei Kinderbestattungen ist man gestoßen. Hier war früher der Friedhof von St. Lorenz, als es das Westportal mit den beiden gewaltigen Türmen aus dem 14. Jahrhundert noch nicht gab.

Leitungsgewirr am Obstmarkt

Unweit von dem Gotteshaus waren die Archäologen am Obstmarkt aktiv: 21 lange Suchschlitze im Boden sollen Auskunft über den Untergrund bringen. Erste Erkenntnis: Die Unmenge an Leitungen dürfte große Probleme mit sich bringen. Ob die geplante Umgestaltung mit Bäumen an bereits definierten Stellen überhaupt möglich ist, steht dahin.

Auf jeden Fall bekommt man in 60 Zentimetern Tiefe Einblicke in die spätmittelalterliche Bebauung nach der Vertreibung oder Ermordung der Juden im Jahr 1349. In 1,20 Meter Tiefe dürfte man dann auf Relikte der jüdischen Siedlung stoßen. Doch ob der Boden am Obstmarkt heuer aufgerissen wird, ist unsicher: Angeblich sollen die Arbeiten auf nächstes Jahr verschoben werden.

Modernste Technik und uralte Spuren

Dafür wird die Telekom quer durch das Stadtgebiet für Baustellen sorgen. Die Erneuerung des Glasfasernetzes durch den Ausbau des neuen 5-G-Netzes sorgt in den kommenden Jahren für zahlreiche Grabungen - heuer wahrscheinlich in Mögeldorf und der Südstadt. Und so dürfte man beim Herstellen des modernsten Kommunikationsnetzes gleichzeitig uralte menschliche Spuren entdecken.

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