Stimmen im Kopf: Zeit in Franken prägte Hanauer Attentäter

20.2.2020, 17:58 Uhr

Vor allem aber spricht aus dem Pamphlet ein abgundtiefer Hass auf andere Völker. "Türken, Marokkaner, Libanesen, Kurden etc." seien instinktiv "äußerlich abzulehnen und haben sich zudem in ihrer Historie als nicht leistungsfähig erwiesen." Der Todesschütze von Hanau hat neun Menschen mit Migrationshintergrund getötet - und seine Mutter.

Vernichtung ganzer Völker

Wie die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag zudem aus Sicherheitskreisen erfuhr, haben vier der fünf Verletzten ausländische Wurzeln. Offen propagiert R. die komplette Vernichtung ganzer Völker als "Grob-Säuberung". Dem müsse sich allerdings eine "Fein-Säuberung" anschließen, die weitere Erdteile und natürlich "das eigene Volk" umfasst. Wörtlich schreibt R. "Eine Halbierung der Bevölkerungszahl kann ich mir vorstellen".

Dem Fremdenhass gegenüber steht eine auffallende Überheblichkeit, wenn es um die eigene Person geht. Folgt man R., dann hat er nicht nur den USA eine Überlebenstrategie als Supermacht entworfen, die das Land schon befolgt, sondern auch dem DFB den Weg zurück zum Erfolg gewiesen. Etliche Ereignisse der Weltgeschichte und selbst der Inhalt neuerer Hollywood-Filme gingen auf seinen Willen zurück.

Wie die Universität Bayreuth am Donnerstag dem Nordbayerischen Kurier bestätigte, hat R. sein Studium im September 2000 aufgenommen und im März 2007 mit einem Diplom in Betriebswirtschaftslehre, Schwerpunkt Internationales Management, abgeschlossen. Er selbst gibt an, dass er zuvor in Hessen eine Banklehre absolvierte; der Schwerpunkt Internationales Management sei auf seine Anregung in Bayreuth eingerichtet worden. Wie die Frankenpost berichtet, hat Tobias R. zudem im vergangenen Herbst eine Wohnung in Hof angemietet. Er habe in ein Anwesen am Unteren Tor nahe der Altstadt einziehen wollen, heißt es in dem Bericht. Kurze Zeit nach der Unterzeichnung des Mietvertrags soll R. diesen jedoch wieder gekündigt haben.

Von Stimmmen im Kopf verfolgt

Mit großer Wahrscheinlichkeit traten schon während des Studiums in Bayreuth Anzeichen einer schweren psychischen Erkrankung zutage, berichtet der Nordbayerische Kurier. Wie R. selbst schreibt, fühlt sich R. praktisch seit seiner Geburt von Stimmen in seinem Kopf verfolgt. Nicht genauer benannte Geheimdienste überwachten ihn rund um die Uhr. Dies sei auch eine Grund dafür, dass er noch nie eine Beziehung mit einer Frau eingegangen sei, schreibt der 43-jährige. Eine Ahnung davon habe er schon immer gehabt, doch in Bayreuth sei dies erstmals zur Gewissheit geworden. Er sei nach Oberfranken gegangen "dort endlich eine attraktive Frau kennenzulernen". Doch R. blieb einsam.


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In seiner Bayreuther Studentenwohnung habe er erstmals begonnen, laut mit den Stimmen in seinem Kopf zu diskutieren und sie aufzufordern, seine Überwachung einzustellen. Zweimal, in den Jahren 2002 und 2004, habe er bei der Bayreuther Polizei Strafanzeige wegen "illegaler Überwachung“ gestellt. Dies wollte das Polizeipräsidium Oberfranken auf Anfrage unserer Zeitung am Donnerstag nicht kommentieren. 2019 habe er weitere Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft in Hanau und beim Generalbundeswalt gestellt. Vor diesem Hintergrund stellt sich vor allem die Frage, wie Tobias R. trotz seiner offensichtlichen schweren Geisteskrankheit noch an scharfe Waffen gelangen konnte.

Unbestätigten Berichten zufolge besaß er den Jagdschein. Unklar ist, wie und wo sich der offenkundig schizophrene Täter mit seinem auffälligen Fremdenhass auflud. P. studierte zeitgleich mit der späteren AfD-Politikerin Alice Weidel Betriebs-und Volkswirtschaft in Bayreuth. Ob sie sich kannten oder gemeinsam Lehrveranstaltungen besuchten, ist unbekannt. In den Monaten vor seinem Amoklauf soll sich P. in einschlägigen Foren des Internets getummelt haben. Aber auch dort soll er eher ein Außenseiter gewesen sein.


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Zuletzt hinterließ er ein rassistisches Video mit Ratschlägen an die USA. Sowohl das Video, als auch die Homepage des Amokläufers sind seit dem Donnerstagmorgen nicht mehr erreichbar.

Mahnwache in Bayreuth

Zum Gedenken an die Opfer und um auf das immer größer werdende Problem durch Rechtsextremismus aufmerksam zu machen, veranstaltet das Bayreuther Bündnis gegen Rechts am Donnerstagabend um 18 Uhr eine Mahnwache beim Karstadt in der Maxstraße. Dies teilte das Bündnis mit.